An der weißen Grenze
„Frona machte sich gehorsam an die Arbeit. So oft sie sich bückte, hoben und senkten sich die Berge mit ihren Gletschern am Horizont. Hin und wieder ruhte sie aus und sah nach dem von Menschen wimmelnden Strand, auf den sie zusteuerten, und dann wieder auf die Bucht, in der an zwei Dutzend große Dampfer ankerten. Von jedem dieser Schiffe ging ein Strom von Leichtern, Kähnen, Kanus hin und her zum Lande. Sie dachte an die Hörsäle,
in denen sie vor ein paar Wochen noch zu Füßen ihrer Lehrer gesessen hatte. Diese Welt hier war ihr lieber … .“
Der berühmte erste Roman von Jack London, hier in der vielgelesenen Übersetzung von Erwin Magnus.
An der weißen Grenze – Zusammenfassung
„An der weißen Grenze“, der deutsche Titel von Jack Londons Roman „A Daughter of the Snows“, ist Londons erster Roman, veröffentlicht im Jahr 1902. Die Geschichte spielt im Yukon und folgt Frona Welse, einer starken und unabhängigen Frau, die nach ihrem Studium an der Stanford University in die raue und unerbittliche Welt des Yukons zurückkehrt. Frona, die oft als physische Walküre beschrieben wird, zeichnet sich durch ihren direkten Charakter und ihre selbstständige Natur aus, was sie in Konflikt mit den konservativen Ansichten der wohlhabenden Gemeinschaft ihres Vaters bringt.
Der Roman beleuchtet nicht nur Fronas Kampf um Selbstbestimmung, sondern auch ihr kompliziertes Liebesleben, das sie zwischen zwei Männern hin- und hergerissen sieht: Gregory St Vincent, einen lokalen Bewohner, der sich als feige und hinterhältig erweist, und Vance Corliss, einen gut ausgebildeten Bergbauingenieur von der Yale University. Ihre Entscheidung, eine Freundschaft mit der geächteten Prostituierten des Städtchens zu pflegen, verstärkt die sozialen Spannungen und stellt Fronas Werte und Überzeugungen auf die Probe.
Der Roman ist bemerkenswert für seine Darstellung einer starken und unabhängigen Heldin, eine Figur, die in vielen von Londons späteren Werken wiederkehrt. Der Einfluss von Londons Mutter, Flora Wellman, sowie seiner Freundin Anna Strunsky, ist in der Figur der Frona spürbar. Trotz der fortschrittlichen Darstellung einer weiblichen Hauptfigur hat der Roman in modernen Kommentaren Kritik für seine Darstellung rassistischer Überlegenheitsansichten erhalten.
An der weißen Grenze – Über den Autor Jack London
Jack London, geboren am 12. Januar 1876 in San Francisco, Kalifornien, ist einer der bekanntesten amerikanischen Autoren, dessen Werke oft von Abenteuer, Überlebenskampf und der Auseinandersetzung mit der Natur geprägt sind. Seine Erfahrungen während des Klondike-Goldrausches im Jahr 1897 bilden die Grundlage für viele seiner bekanntesten Geschichten, die sich durch eine realistische Darstellung der harten Bedingungen und moralischen Herausforderungen in den Wildnissen Alaskas und des Yukons auszeichnen.
Ein zentrales Werk in Londons Schaffen, das am Yukon spielt, ist Ruf der Wildnis (The Call of the Wild). Dieser Roman erzählt die Geschichte von Buck, einem Hund, der aus einem behüteten Leben in Kalifornien entführt und in die brutale Realität des Yukons verkauft wird, wo er sich auf seine instinktiven Überlebensfähigkeiten besinnen muss. Das Buch wird oft als Kritik an der Grausamkeit der Menschen und als Darstellung des Kampfes ums Überleben in der Natur gesehen.
Ein weiterer wichtiger Roman ist Wolfsblut (White Fang), der die Geschichte aus der Perspektive eines Wolfshundes erzählt, der den umgekehrten Weg von Buck geht – von der Wildnis in die Zivilisation. Dieses Werk spiegelt Londons Auffassung von der Prägung eines Individuums durch seine Umgebung und die mögliche Erlösung durch menschliche Güte wider.
Jack Londons tiefe Verbundenheit mit der Region und seine Fähigkeit, die emotionale und physische Landschaft des Yukons und Alaskas lebendig werden zu lassen, haben seine Werke zu zeitlosen Klassikern gemacht. Sein realistischer Schreibstil und seine Themen der Naturgewalt, des Überlebens und der Menschlichkeit in einer oft feindlichen Umwelt bleiben einflussreich und prägend für das Genre der Abenteuer- und Naturerzählungen.
An der weißen Grenze – Buch
Jack London.
An der weißen Grenze.
Roman.
Erstdruck des amerikanischen Originals: A Daughter of the Snows, J. B. Lippincott und Co., Philadelphia 1902.
Übersetzt von Erwin Magnus.
Durchgesehener Neusatz. Diese Ausgabe folgt: Büchergilde Gutenberg, Berlin 1933.
Vollständige Neuausgabe, LIWI Verlag, Göttingen 2019.
LIWI Literatur- und Wissenschaftsverlag
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