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Die besten Bücher von Joseph Roth
„Der Erzähler ist ein Beobachter und ein Sachverständiger. Sein Werk ist niemals von der Realität gelöst, sondern in Wahrheit (durch das Mittel der Sprache) umgewandelte Realität.“
Dieser Satz des österreichischen Schriftstellers Joseph Roth ist programmatisch für das Werk des Autors. Zu Lebzeiten war Roth vor allem als Journalist bekannt. Und der journalistische Stil ist auch in seinen Romanen zu finden. Das macht es schwer, den Autor einer bestimmten Literaturgattung zuzuordnen.
Seine frühen Werke kann man wohl am ehesten zur neuen Sachlichkeit zählen. Schreiben war für Roth ein Handwerk. Sprachliche Experimente waren seine Sache nicht. Sein Werk ist geprägt von seiner genauen Beobachtungsgabe und konkreten Beschreibungen. Inhaltlich sind seine Bücher beeinflusst von Roths Wandlung vom Sozialisten zum Monarchisten.
Sind die ersten Bücher seiner Zeit als Schriftsteller sozialkritisch, so erscheint Roth mit seinen späteren Werken als Nostalgiker der Habsburgermonarchie. Doch gerade diese Werke bestechen mit einer größeren Emotionalität und Dichte, die man bei den frühen Romane manches Mal vermisst.
Dies spiegelt sich auch in unserem Ranking der 5 besten Bücher von Joseph Roth wider.
1. Radetzkymarsch – Joseph Roths bedeutendstes Werk
Bevor Roths Radetzkymarsch 1932 erstmals in Buchform erschien, gab es einen Vorabdruck in der Frankfurter Zeitung. Roth schrieb noch an den letzten Kapiteln des Romans, während der Vorabdruck bereits begonnen hatte – und dies angeblich stets betrunken.
Doch wurde der Roman sein größter Erfolg und ist bis heute das Werk, an das wir als erstes denken, wenn wir den Namen Joseph Roth hören. Kein Geringerer als Marcel Reich-Ranicki zählte den Radetzkymarsch sogar zu den 20 wichtigsten deutschsprachigen Romanen. Zudem wurde das Buch immer wieder aus der Romanform in Film- und Theaterinszenierungen überführt.
Der Radetzkymarsch erzählt die Geschichte der Familie Trotta über drei Generationen und verwebt diese Familiengeschichte mit dem Niedergang der Habsburgermonarchie.
Joseph Roth selbst stand seinerzeit Spalier beim Beerdigungszug von Kaiser Franz Joseph I. Für Roth wurde der Tod des Kaisers zum Symbol für den Untergang des Habsburgerreichs und für den Verlust von Heimat- und Vaterlandsgefühlen. Diese Erschütterung in Joseph Roths Leben spiegelt der Radetzkymarsch wie kein anderes seiner Werke.
2. Hiob – ein Buch für Jedermann
Zusammen mit dem Radetzkymarsch bildet das 1930 erschienene Buch Hiob Roths Hauptwerk. Schon mit dem Ersterscheinen wird das Werk von der Kritik überaus positiv aufgenommen und die Gesamtauflage der Erstauflage beläuft sich binnen kürzester Zeit auf 30.000 Exemplare. Stilistisch ist Hiob ein Wendepunkt in Roths Werk. Es ist ein sehr persönliches Buch, die sozialistische Färbung früherer Romane ist nicht mehr zu finden. Die Sprache ist noch immer einfach, doch emotionaler.
Lebte Religionslehrer Mendel Singer bisher ein angesehenes und beschauliches Leben im russischen Shtetl Zuchow, dringen Welt und Schicksal immer weiter in die Idylle vor. Bei seinem vierten Kind wird eine schwere Epilepsie diagnostiziert, die drei älteren Kinder gehen ihre eigenen Wege jenseits von Mendels Traditionsbewusstsein.
Mendel wandert nach New York aus, verliert einen Sohn, seine Tochter erkrankt, seine Frau stirbt. Mendel bricht mit Gott, doch dann geschieht ein Wunder. Was sich nach schwerer Kost anhört, ist so geschrieben, dass sich der Leser auch heute noch in der Geschichte und der Figur des Mendel wiederfinden kann.
3. Das falsche Gewicht
“Es war einmal…” Mit diesen Worten beginnt der 1937 erschienene Roman Das falsche Gewicht. Roth stimmt damit den Leser auf ein Märchen ein. Der “Held” der Geschichte ist der stets redliche Anselm Eibenschütz. Er hat seiner Frau zuliebe dem Militär den Rücken gekehrt und eine Anstellung als Eichmeister in einer kleinen unbedeutenden Stadt am Rande der Donaumonarchie angenommen. Hier prüft er nun Maße und Gewichte von Händlern, die sich mit Betrügereien über Wasser halten.
Und die Frau, für die er seine Karriere aufgegeben hat, setzt ihm Hörner auf, hat einen Liebhaber und erwartet auch noch ein Kind von ihm. Da ist das Märchen aus. Und es beginnt eine psychologisch geschickt aufgebaute Geschichte, die davon handelt, was mit dem Mann passiert, der Regeln liebt und diese plötzlich in allen Lebensbereichen aus den Angeln gehoben findet. Es ist wohl nicht zu viel verraten, wenn man erzählt, dass es mit der Redlichkeit des Anselm Eibenschütz alsbald vorbei ist.
Roth zeigt in diesem Roman sein großes Gespür für menschliche Verstrickungen und schafft ein Werk, das bis heute nicht an Aktualität verloren hat.
4. Hotel Savoy – Roman einer Epoche
Galizien, 1919, ein heruntergekommenes Hotel und eine Handvoll gestrandeter Menschen. Alle warten auf die Ankunft des amerikanischen Milliardärs Mr Bloomfield. Hotel Savoy erschien 1924 und ist der Roman einer Epoche. Im Zentrum des Buchs steht Gabriel Dan, der nach fünf Jahren im Krieg und in Gefangenschaft in seine Heimat zurückkehrt.
Er muss sich das Zimmer im Hotel Savoy mit einem anarchistischen Kommunisten teilen und wird in die Aktivitäten der Hotelbewohner immer mehr hineingezogen und verstrickt.
Das Hotel als Mikrokosmos in dem gesellschaftliche Missstände wie unter dem Brennglas überdeutlich zutage treten – es ist ein altbekanntes literarisches Motiv. Doch Roth macht noch mehr aus diesem Hotel. Er lässt es zum Sinnbild einer Epoche werden, zum Sinnbild für das Europa der Nachkriegszeit.
Der Autor zeigt sich regelrecht hellsichtig, wenn er schreibt „Es sah aus, als wollte ein neuer Krieg ausbrechen. So wiederholt sich alles […]. Es wurde unheimlich in der Stadt.“ In diesem Buch sticht der junge sozialistische Joseph Roth hervor. Er formuliert starke Bilder, präzise, konkret, ohne Sentimentalitäten und entwirft Figuren, die für den Leser zu Freunden werden.
5. Die Legende vom heiligen Trinker – eine etwas andere Heiligengeschichte
Sozialer Realismus trifft auf metaphysische Erfahrungen: Unerwartet und aus heiterem Himmel bekommt der Pariser Clochard Andreas Kartak 200 Francs von einem Unbekannten geschenkt. Einzige Bedingung: Er soll das Geld einer Kirche zurückerstatten und der Heiligen Therese von Lisieux spenden, sobald es ihm finanziell besser geht und er es sich leisten kann. Auf das erste Wunder folgen weitere. Doch dem festen Vorsatz, das Geld zurückerstatten zu wollen, steht immer wieder etwas im Wege.
Die Legende vom heiligen Trinker ist Roths letztes Werk. Nur kurze Zeit nach Beendigung der Novelle starb Roth an den Folgen seiner Alkoholsucht. Veröffentlicht wurde das Buch erst nach seinem Tod. Roth selbst bezeichnete Die Legende vom heiligen Trinker als sein Testament.
Es handelt sich um eine kurze Erzählung, die nach der Art einer Heiligengeschichte erzählt wird. Roth verwebt hier einige Aspekte seiner Biographie. Nicht nur seine Alkoholsucht, auch seine eigene Zeit als Exilant in Paris machen ihren EInfluss bemerkbar.
Häufige Fragen zu Joseph Roth
Was ist die Joseph Roth Diele?
Die Joseph Roth Diele ist ein uriges Lokal unweit des Potsdamer Platzes in Berlin. Klassische K.u.K.-Hausmannskost, in einem kunstvollen, holzgetäfelten Restaurant mit Klaviermusik. In der „Gast- und Lesestube“ finden sich Zitate von Joseph Roth in den Deckenkehlen.
Am Ort der heutigen Gaststätte befand sich einst eine Konditorei, in der Joseph Roth gerne einkehrte und seinen Roman „Das Spinnennetz“ begann.
Wo ist Joseph Roth geboren?
Joseph Roth wurde 1894 in Brody, etwa 90 km von Lwiw entfernt, geboren. Damals österreichisch-ungarisch, ist Brody heute eine ukrainische Stadt mit 23.239 Einwohnern.
Was ist die Todesursache von Joseph Roth?
Joseph Roth starb am 27. Mai 1939 an einer doppelseitigen Lungenentzündung. Zuvor war er zusammengebrochen, nachdem er vom Selbstmord des Schriftstellers Ernst Toller erfahren hatte.
Berühmte Zitate von Joseph Roth
„Alle deine Gewichte sind falsch, und alle sind dennoch richtig. Wir werden dich also nicht anzeigen! Wir glauben, daß alle deine Gewichte richtig sind. Ich bin der große Eichmeister.“
Das falsche Gewicht, 1937
„Die Wohltätigkeit befriedigt in erster Linie die Wohltäter.“
Joseph Roth: Orte.
„Österreichisches repräsentieren heißt: zu Lebzeiten mißverstanden und mißhandelt, nach dem Tod verkannt und durch Gedenkfeiern gelegentlich zur Vergessenheit emporgehoben zu werden.“
Grillparzer, 1937
„Ich kenne die süße Freiheit, nichts mehr darzustellen als mich selbst.“
Die weissen Städte
„Es steht geschrieben, daß es nicht gut ist, daß der Mensch allein sei. Also leben wir zusammen.“
Hiob.
Es handelt sich nicht mehr darum zu »dichten«. Das wichtigste ist das Beobachtete.“
Die Flucht ohne Ende, 1927,
Biographie und weitere Empfehlungen
Joseph Roth wurde 1894 in dem galizischen Shtetl Brody geboren. Von seinen Zeitgenossen geschätzt, von den Kritikern gelobt, fiel sein Werk schließlich in Deutschland der Bücherverbrennung durch die Nationalsozialisten zum Opfer. Roth floh nach Paris.
Im Gegensatz zu anderen Schriftstellern schaffte er es, auch von seinem Exil aus Verleger zu finden. Roth wurde nur 44 Jahre alt. Im Mai 1939 starb er an den Folgen einer doppelseitigen Lungenentzündung. Der plötzliche Alkoholentzug während der Krankheit begünstigte den tödlichen Verlauf.
Ebenfalls lesenswert von Joseph Roth
April – Die Geschichte einer Liebe
Weiterführende Literatur
Sebastian Kiefer: Braver Junge – gefüllt mit Gift: Schreiben, Ambivalenz, Politik und Geschlecht im Werk Joseph Roths. 2. Auflage. J.B. Metzler, Stuttgart 2019.
Jürgen Heizmann: Mythen und Masken. Figuren- und Wirklichkeitsgestaltung bei Joseph Roth. In: Joseph Roth – Zur Modernität des melancholischen Blicks. Hrsg. v. Wiebke Amthor u. Hans Richard Brittnacher. Berlin/Boston 2012.
Volker Weidermann: Die Hölle regiert! Stefan Zweig und Joseph Roth – eine Freundschaft in Briefen. In: Das Buch der verbrannten Bücher. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2008.
Keiron Pim: Endless Flight : The Life of Joseph Roth, London: Granta Books, 2022
Links
Kommentierte Linksammlung der Universitätsbibliothek der FU Berlin (Internet Archive)
Porträt auf Künste im Exil
Marcel Reich-Ranicki:Diese eigenartige, wundersame Kindlichkeit, FAZ, 6. April 2010
Zu guter Letzt: „Das bin ich wirklich; böse, besoffen aber gescheit“ – 3sat-Doku
Verfasst von Thomas Löding, LIWI Blog, zuletzt aktualisiert am 28. November 2023