LIWI BLOG
Rezensionen über neue Bücher & Literaturklassiker, News zu Autoren & Lesungen, Artikelserie „Was macht ein Verlag?“
Die besten Bücher von Rudyard Kipling
Rudyard Kipling hält bis heute den Rekord als jüngster Träger des Literaturnobelpreises. Für seine Romane erhielt er 1907 mit nur 42 Jahren die berühmte Auszeichnung. Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts erfreute sich Kipling äußerster Popularität. Er war einer der beliebtesten und meistgelesenen englischsprachigen Schriftsteller und Vorbild vieler Autoren.
Nachdem sein Sohn im Ersten Weltkrieg gefallen war, wurde Kiplings Werk düsterer und ernster und sein Erfolg nahm zusehends ab. So geriet sein Werk nach seinem Tod zunächst fast vollkommen in Vergessenheit. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde es wiederentdeckt und neu belebt.
Dabei fand diesmal in der Literaturwissenschaft der Tiefgang seiner späteren Erzählungen und Romane besonderen Anklang.
Die fünf besten Bücher von Rudyard Kipling im LIWI-Ranking sind:
1. Das Dschungelbuch – Kiplings berühmtestes Werk
Sein in Deutschland wohl bekanntestes Buch schrieb Kipling während seiner Zeit in den USA (1892-1896). Auch die Fortsetzung Das zweite Dschungelbuch entstand in dieser Zeit. Das Dschungelbuch ist eine Sammlung von Erzählungen und Gedichten bzw. kurzen Liedtexten.
Den größten Bekanntheitsgrad haben wohl die Erzählungen über das Findelkind Mogli. Mogli wurde bei einem Angriff des Tigers Schir Khan von seinen Eltern getrennt und seitdem von einem Wolfsrudel großgezogen.
Das Dschungelbuch diente als Grundlage für zahlreiche Verfilmungen. Hierbei wurden vor allem die Geschichten um den Jungen Mogli verarbeitet. Die berühmteste Verfilmung ist wohl der Disney-Zeichentrickfilm.
Kiplings bekanntester Erzählband wurde gerade in den letzten Jahrzehnten nicht kritiklos rezipiert. So wird beispielsweise in der Art der Darstellung des Dschungelgesetzes Kiplings positive Haltung dem Kolonialismus gegenüber gesehen.
Doch lesen sich gerade die Geschichten um Mogli auch als Adoleszenzgeschichten, was das Werk auch heute noch zu einem immer wieder gerne gelesenen Jugendbuch macht.
2. Kim – Abenteuer und Identitätssuche
“Ich bin Kim. Und was ist Kim?” Der Protagonist des gleichnamigen Buches stellt sich diese Frage immer wieder. Kim, das ist Kimball O’Hara. Er ist der Sohn eines in Indien stationierten britischen Soldaten, der stirbt, als Kim noch sehr jung ist. Kurze Zeit zuvor ist bereits die Mutter verstorben und Kim wächst als Waise unter der Obhut der hinduistischen Waschfrau auf. Kim kann kaum lesen und schreiben. Er spricht perfekt die lokale Sprache, hat das Englische jedoch fast vergessen. Er hat kein Geld, keine Erziehung. Doch er hat ungewöhnliche Freunde. Da ist der Tibeter Teshoo Lama und da ist der Pferdehändler Mahbub Ali, der für den britischen Geheimdienst arbeitet. Und als ob die Suche nach der eigenen Identität nicht schon aufregend genug wäre, gerät Kim auch noch in ein gewaltiges Abenteuer und wird zum Spion ausgebildet.
Übrigens: Unter dem Begriff ‘Kimspiel’ werden Spiele zusammengefasst, bei denene sich alles um das Training der Sinnesorgane dreht. In Anlehnung an die Spionageausbildung des Protagonisten aus Kiplings berühmtem Roman müssen die Mitspieler eines Kimspiels ihre Sinne bestmöglich einsetzen.
3. Dunkles Indien – phantastische Geschichten
Kiplings große Stärke lag im Schreiben spannender und phantastischer Kurzgeschichten. Und Dunkles Indien ist nur eine von Kiplings zahlreichen Sammlungen von Kurzgeschichten. ‘Der Mann, der König werden wollte’, ‘Imrays Rückkehr’, ‘Durchs Feuer’ und andere namhafte Erzählungen sind hier versammelt.
Es ist ein imperialer Blick, den Kipling hier auf Indien wirft. Das kann man nicht leugnen. Doch bestechen die Geschichten durch ihre ungewöhnlichen Perspektiven, ihre sprachliche Perfektion und die spannende Erzählweise. Es ist ein Buch für Menschen, die Geschichten und Geschichte lieben und die Fiktion in einen historischen Kontext einordnen. Kipling erzählt eindrücklich von den Invasoren und der einheimischen Bevölkerung, vom Begehren nach Macht, Geld und Ansehen und von der Armut. In dieser Sammlung zeigt sich einmal mehr Kiplings ironischer Unterton und die Kunst, einen romantischen Idealismus mit einer realistischen Atmosphäre zu verschmelzen.
4. Indische Erzählungen – faszinierendes Indien
Auch mit Kiplings Indischen Erzählungen tauchen wir ein in eine Zeit vor über 100 Jahren, als Indien noch britische Kronkolonie war und die Besatzer mit Hochmut auf die einheimische Bevölkerung blickten. Kipling zeichnet das Bild eines Landes voll kulturellem Reichtum, ursprünglicher Natur, wilder Schönheit und all dem, was man in anderen Breitengraden als exotisch empfand. Wie kein anderer Schriftsteller fasst Kipling in seinen indischen Erzählungen die Faszination der Europäer für das ferne Indien in Worte. Ob ‘Die Geisterrikscha’, ‘Bisara von Pooree’ oder ‘Ohne kirchlichen Segen’ – Kipling vermittelt ein differenziertes und stimmungsvolles Bild vom indischen Subkontinent und seinen Bewohnern.
Und einmal mehr besticht Kipling nicht zuletzt mit seiner ganz besonderen Erzählweise. Die Geschichten sind inhaltlich dicht, von stilistischer Perfektion und mit dem für den Autor typischen leicht ironischem Unterton.
5. Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen – Kiplings erster Erzählband
Wer noch mehr Kurzgeschichten von Kipling lesen möchte, für den sind last but ot least die Schlichten Geschichten aus den indischen Bergen ein Muss. Denn diese Geschichten bieten mehr, als der Titel vermuten lässt.
Mit den hier versammelten 40 Kurzgeschichten stellte Kipling erstmals sein großes Talent als Geschichtenerzähler unter Beweis. Die Schlichten Geschichten aus den indischen Bergen waren der erste Sammelband, den Kipling veröffentlichte. Das Buch erschien erstmals im Jahr 1888. Einige Geschichten wurden zuvor bereits einzeln in der Zeitschrift Civil and Military Gazette abgedruckt. Kipling war zum Entstehungszeitpunkt der Geschichten noch keine 22 Jahre alt. Und schon in diesem frühen Werk zeigt sich sein Talent für eine herausragende Erzählkunst, seine Beobachtungsgabe und die Fähigkeit, allzu menschliches in Worten einzufangen. Mal tragisch, mal komisch fängt Kipling das Zusammentreffen zweier unterschiedlicher Kulturen ein und zeigt sich mit seinen mal mehr, mal weniger deutlich hervortretenden Ansichten als Teil der britischen Besatzer nicht zuletzt als Kind seiner Zeit.
Biographie und weitere Empfehlungen
Geboren 1965 in Bombay. Aufgewachsen in Großbritannien. Mit 17 Jahren nach Indien zurückgekehrt. Redakteur, berühmtester englischsprachiger Schriftsteller seiner Zeit, jüngster Nobelpreisträger. Gestorben 1936 in London.
Wer ist Rudyard Kipling hinter diesen Fakten? Hochgelobt und schnell vergessen, stilistisches Vorbild und Brecher literarischer Konventionen. Ist er ein Vorreiter der modernen Literatur oder nur eine privilegierte Stimme des imperialistischen Zeitalters? Nicht erst in der jüngeren Kritik ist Kipling eine ambivalente Figur. Und so sind seine Bücher und Geschichten nicht nur als solche spannend, sondern auch in ihrem historischen Kontext und als Zeugnisse der schillernden und vielseitigen Persönlichkeit ihres Autors.
Ebenfalls lesenswert von Rudyard Kipling: