Stefan Zweig - Marceline Desbordes-Valmore

Marceline Desbordes-Valmore

„In der ersten Morgenröte des Jahrhunderts, im Kriegsjahre 1801 steuert eine kleine französische Karavelle Westindien zu, vierzig Tage und vierzig Nächte durch den unendlichen Ozean. Nur ganz Verwegene wagen ihr Leben damals an solche Fahrt, denn die englischen Fregatten durchkreuzen raubgierig das Meer und jagen jeder Napoleonsflagge als erwünschter Prise nach. Auf dem Verdeck zwischen Offizieren, Abenteurern, Kommissären und Kaufleuten, zwischen all den Heimatlosen des Wunsches und des Schicksals zwei weibliche Gestalten, eng aneinandergelehnt in ihrer Angst, wenn die Wellen wie gierige Tiere über Bord springen, zwei kranke und schwanke Gestalten (…).  Manchmal singt das kleine Mädchen mit ihrer gebrechlichen Silberstimme altmodische Romanzen, um die Mutter zu trösten und eine Heiterkeit vorzutäuschen, von der das eigene Herz nichts weiß. Dieses vierzehnjährige blonde Mädchen unter fremden Sternen ist Marceline Desbordes, mit ihrem späteren Doppelnamen Marceline Desbordes-Valmore als Frankreichs größte Dichterin bekannt.“

Ein biographisches Meisterwerk von Stefan Zweig: Die Lebensbeschreibung von Frankreichs berühmtester Dichterin, der legendären Marceline Desbordes-Valmore. Hier in einer vollständigen Neuausgabe.

Marceline Desbordes-Valmore – Biographie

Marceline Desbordes-Valmore (Constant-Joseph Desbordes)

Marceline Félicité Josèphe Desbordes wurde am 20. Juni 1786 in Douai, einer Stadt im Norden Frankreichs, geboren. Sie war die Tochter des Malers Félix Desbordes und seiner Frau Catherine Lucas. Marceline wuchs in einer Zeit großer politischer und sozialer Umwälzungen auf, da ihre Kindheit von den Auswirkungen der Französischen Revolution geprägt war. Die finanziellen Schwierigkeiten ihrer Familie, insbesondere durch die Verarmung ihres Vaters während der revolutionären Wirren, prägten ihre frühen Jahre.

Frühe Karriere und persönliche Schicksalsschläge

Um die wirtschaftliche Situation der Familie zu verbessern, plante Marcelines Mutter, sie 1801 mit einem Verwandten auf Guadeloupe zu verheiraten. Diese Reise endete jedoch tragisch: Marcelines Mutter starb 1803 an Gelbfieber, und die 16-jährige Marceline kehrte geschwächt und gezeichnet von der Krankheit nach Frankreich zurück. Trotz dieser frühen Verluste und Schwierigkeiten fand Marceline ihre Berufung in der Musik und auf der Bühne.

Künstlerische Laufbahn

Marceline begann ihre Karriere als Sängerin und Schauspielerin. Ihr Treffen mit dem Komponisten André-Ernest-Modeste Grétry im Jahr 1805 führte zu einem Engagement an der Opéra-Comique de Rouen. Später wechselte sie 1813 ans Odéon in Paris und spielte 1815 in Brüssel die Rolle der Rosine in „Der Barbier von Sevilla“. Obwohl sie auch eigene Bühnenwerke schrieb, blieben diese ohne größeren Erfolg.

Persönliches Leben und literarisches Schaffen

Marceline Desbordes-Valmore

Marcelines Leben war von zahlreichen persönlichen Verlusten und Herausforderungen geprägt. Von 1808 bis 1810 hatte sie eine uneheliche Beziehung mit Henri de Latouche, einem Schauspieler und Schriftsteller, mit dem sie eine komplizierte, 30-jährige Affäre führte. Ihr gemeinsamer Sohn starb im Alter von fünf Jahren. 1817 heiratete sie den Schauspieler Prosper Lanchantin Valmore, mit dem sie oft gemeinsam auftrat. Das Paar hatte vier Kinder, von denen drei früh verstarben.

Literarischer Erfolg

Angesichts der Misserfolge ihrer Bühnenwerke wandte sich Marceline der Poesie zu. Ihr erster Gedichtband „Élégies et Romances“ wurde 1819 veröffentlicht und markierte den Beginn ihres literarischen Erfolgs. Sie veröffentlichte mehrere Gedichtbände, darunter „Élégies et Poésies nouvelles“ (1825), „Poésies“ (1830), „Les Pleurs“ (1833), „Pauvres fleurs“ (1839) und „Bouquets et prières“ (1843). Ihre Gedichte zeichneten sich durch tiefe Emotionen und eine musikalische Sprache aus, die ihre persönliche Trauer und ihre Erfahrungen widerspiegelten.

Einfluss und Anerkennung

Marceline Desbordes-Valmore wurde von Zeitgenossen wie Charles Baudelaire und Paul Verlaine hoch geschätzt. Ihre Gedichte, die Themen wie Mutterschaft, Liebe, Freundschaft und soziale Ungerechtigkeit behandelten, galten als besonders modern und sensibel. Ihr literarischer Beitrag wurde mit mehreren akademischen Preisen und einer königlichen Rente honoriert.

Späte Jahre und Vermächtnis

Nach einem Leben voller Trauer und Verlust starb Marceline Desbordes-Valmore am 23. Juli 1859 in Paris. Sie hinterließ eine bedeutende Sammlung von Gedichten, die posthum veröffentlicht wurde.

Buch – Stefan Zweig: Marceline Desbordes-Valmore

Stefan Zweig - Marceline Desbordes-ValmoreDer österreichische Schriftsteller Stefan Zweig verfasste 1927 ein Werk über Marceline Desbordes-Valmore mit dem Titel „Marceline Desbordes-Valmore. Das Lebensbild einer Dichterin“. Dieses Buch bietet eine detaillierte Biographie der Dichterin und enthält eine Auswahl ihrer Gedichte, Briefe und autobiographischen Fragmente, die von Gisela Etzel-Kühn übersetzt wurden. Zweig würdigt Desbordes-Valmores literarisches Schaffen und zeichnet ein einfühlsames Porträt ihres bewegten Lebens. Das Buch wurde später im LIWI Verlag neu aufgelegt und bietet einen tiefen Einblick in das Leben und Werk einer der bedeutendsten französischen Lyrikerinnen des 19. Jahrhunderts.

Stefan Zweig.
Marceline Desbordes-Valmore.
Das Lebensbild einer Dichterin.
Erstdruck: Insel-Verlag, Leipzig 1920.
Vollständige Neuausgabe, LIWI Verlag, Göttingen 2020.
LIWI Literatur- und Wissenschaftsverlag

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Verfasst von Thomas Löding, LIWI Blog, zuletzt aktualisiert am 02. Juni 2024