Die Welt von Gestern - Stefan Zweig

Der Stern über dem Walde

„Diese Minuten waren der Beginn eines sehr seltsamen und hingebungsvollen Verlorenseins, einer so taumelnden und trunkenen Empfindung, daß ihr das gewichtige und stolze Wort Liebe beinahe übel ansteht. Es war jene hündisch treue und begehrungslose Liebe, wie sie die Menschen sonst inmitten ihres Lebens gar nicht kennen, wie sie nur ganz junge und ganz alte Leute haben. Eine Liebe ohne Besonnensein, die nicht denkt, sondern nur träumt.“

Dieser Band enthält zwei Geschichten von Stefan Zweig. Die Erzählung „Der Stern über dem Walde“ erschien erstmals in „Verwirrung der Gefühle“, Insel Verlag, Leipzig 1927. Die Novelle „Geschichte in der Dämmerung“ erschien erstmals in: „Erstes Erlebnis. Vier Geschichten aus Kinderland“, Insel-Verlag, Leipzig 1920.

„Der Stern über dem Walde“ – Zusammenfassung

„Der Stern über dem Walde“ ist eine kurze Erzählung von Stefan Zweig, die 1904 veröffentlicht wurde. Diese Erzählung, geprägt von tiefgründigen emotionalen Themen und einer tragischen Handlung, spiegelt Zweigs Meisterschaft in der psychologischen Charakterisierung und in der Darstellung menschlicher Leidenschaften wider.

Handlung

Die Erzählung folgt dem Leben von François, einem Kellner, der in einem Rivierahotel arbeitet. François‘ ruhiges und routiniertes Leben ändert sich schlagartig, als Gräfin Ostrowska, eine aristokratische Dame von beeindruckender Schönheit und Ausstrahlung, in das Hotel eintrifft. François ist sofort von ihr fasziniert und verzaubert, eine tiefgehende Bewunderung und begehrungslose Liebe entwickelt sich in ihm.

François dient der Gräfin mit Hingabe und erfüllt jede ihrer Anforderungen mit größter Sorgfalt. Er erlebt durch diese Zuneigung eine Art inneres Erwachen; sein sonst farbloses Leben erhält plötzlich Farbe und Lebendigkeit. Jeder ihrer Befehle und jede ihrer Gesten gibt seinem Leben neuen Sinn.

Höhepunkt und tragisches Ende

Der Wendepunkt der Erzählung tritt ein, als François erfährt, dass die Gräfin das Hotel verlassen und mit dem Zug abreisen wird. Von Panik und Verzweiflung ergriffen und unfähig, sich ein Leben ohne die Anwesenheit der Gräfin vorzustellen, erwägt François zunächst, ihr nachzureisen. Jedoch, begrenzt durch seine finanziellen Mittel, entscheidet er sich stattdessen dafür, sein letztes Geld für einen Blumenstrauß auszugeben, um der Gräfin ein letztes Mal seine Verehrung zu zeigen.

Nachdem er die Blumen überreicht hat, werden François‘ Gedanken immer düsterer. Getrieben von Todesgedanken, findet er sich schließlich an den Bahngleisen wieder, auf denen der Zug der Gräfin bald entlangfahren wird. In einer letzten verzweifelten Geste legt er sich auf die Schienen, fest entschlossen, sein Leben auf diese Weise zu beenden.

Symbolik und Schluss

In den letzten Momenten seines Lebens richtet François seinen Blick auf einen einsamen Stern am Himmel, der als symbolisches Bild für die unerreichbare Ferne und Erhabenheit seiner Liebe zur Gräfin steht. Während François auf den Zug wartet, spürt die Gräfin im Zug eine unbestimmte, düstere Ahnung des bevorstehenden Unglücks, ein Moment tiefer emotionaler Verbindung, der das tragische Ende der Geschichte einläutet.

Bedeutung und Interpretation

„Der Stern über dem Walde“ ist eine tief bewegende Erzählung über unerwiderte Liebe, Opferbereitschaft und die destruktiven Konsequenzen extremer emotionaler Bindungen. Stefan Zweig zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie Liebe in Obsession umschlagen und das Individuum vollständig vereinnahmen kann. Die Erzählung wirft Fragen auf über die Natur der Liebe und die Grenzen der menschlichen Psyche und bietet damit reichhaltiges Material für tiefere psychologische und philosophische Betrachtungen.

„Geschichte in der Dämmerung“ – Zusammenfassung

„Geschichte in der Dämmerung“ ist eine fesselnde Erzählung von Stefan Zweig, die sich um die Themen der Leidenschaft, Obsession und der unerwarteten Wendungen des Schicksals dreht. Die Geschichte entfaltet sich in einer Atmosphäre der Geheimnisse und des nächtlichen Mysteriums, in der ein junger Mann unverhofft in ein Netz aus Verlangen und Verwirrung gezogen wird.

Handlung und zentrale Figuren

Die Erzählung beginnt mit einer zufälligen und anonymen Begegnung in der Dunkelheit der Nacht. Ein junger Mann wird von einer fremden Frau verführt, ohne dass er ihre Identität kennt. Diese Begegnung, die durch ihre Intimität und Rätselhaftigkeit gekennzeichnet ist, hinterlässt einen tiefen Eindruck bei ihm. Nach der zweiten Begegnung entwickelt der junge Mann eine Besessenheit, den Namen der Frau zu erfahren und mehr über sie zu lernen. Diese Obsession wächst zu einem überwältigenden Verlangen, „Herr ihres Namens“ zu werden.

Die Erzählung nimmt eine unerwartete Wendung, als der junge Mann entdeckt, dass seine Cousine ein ähnliches Medaillon trägt wie die fremde Frau. Dieser Umstand verstärkt seine Neugier und sein Verlangen, die Wahrheit hinter der Identität der Frau zu enthüllen. Diese Verbindung führt zu einer Reihe von Spekulationen und Vermutungen, die den jungen Mann zunehmend in einen Zustand der Unsicherheit und des inneren Konflikts stürzen.

Themen und Motive

Die Erzählung ist durchzogen von Stefan Zweigs charakteristischer Erkundung tiefgründiger emotionaler und psychologischer Zustände. Die zufällige und unscheinbare Begegnung, die zu einer intensiven Leidenschaft führt, ist ein wiederkehrendes Motiv in Zweigs Werken. „Geschichte in der Dämmerung“ beleuchtet, wie eine anfängliche Faszination schnell zu einer allumfassenden Besessenheit anwachsen kann, die das Leben des Protagonisten auf den Kopf stellt.

Die Geschichte erforscht weiterhin die Diskrepanz zwischen Wirklichkeit und Wunschträumen. Der Protagonist wird von seinen Vorstellungen und Hoffnungen getrieben, die sich jedoch zunehmend von der Realität entfernen. Diese Spannung zwischen Traum und Wirklichkeit bildet den Kern der emotionalen und psychologischen Dynamik der Erzählung.

Schlussbetrachtung

„Geschichte in der Dämmerung“ ist eine meisterhafte Darstellung von Stefan Zweigs Fähigkeit, die tiefen Schichten menschlicher Emotionen und Triebe zu erforschen. Die Erzählung zeigt, wie leicht das menschliche Herz von den Schatten der Nacht und den Geheimnissen, die sie birgt, verführt werden kann. In dieser Geschichte werden die Charaktere von ihren geheimen Leidenschaften getrieben, die sowohl eine Quelle der Inspiration als auch der Zerstörung sein können. Die Erzählung endet mit einer nachdenklichen Note, die den Leser über die wahren Kosten der Obsession und die flüchtige Natur menschlicher Beziehungen nachdenken lässt.

Buch

Beide Geschichten erscheinen hier in einer ungekürzten Neuausgabe, LIWI Verlag, Göttingen 2019.
LIWI Literatur- und Wissenschaftsverlag

ISBN: 3965421573
EAN: 9783965421578
Paperback 32 Seiten

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Verfasst von Thomas Löding, LIWI Blog, zuletzt aktualisiert am 15. Juni 2024