Geschichte in der Dämmerung
„Und plötzlich sah ich Gestalten hier, und sie glitten die Wand entlang, und ich konnte ihre Worte hören und in ihr Leben sehen. Doch als ich den Entschwindenden nachblicken wollte, war ich schon wieder wach und allein. Zu meinen Füßen gesunken, lag das Buch. Nun ich es aufhob und nach den Gestalten frug, fand ich darin die Geschichte nicht mehr; es war, als sei sie aus den Blättern in meine Hände gefallen, oder sie war nie darin gewesen.“
Zitat aus: Geschichte in der Dämmerung.
Über Stefan Zweig
Stefan Zweig, geboren am 28. November 1881 in Wien und gestorben am 22. Februar 1942 in Petrópolis, Brasilien, war ein österreichischer Schriftsteller, Dramatiker, Journalist und Biograf. Er gilt als einer der meistgelesenen deutschsprachigen Autoren seiner Zeit und hinterließ ein beeindruckendes Werk, das sich durch seine erzählerische Brillanz und psychologische Tiefe auszeichnet. Besonders hervorzuheben sind seine Prosawerke, Novellen und Romane, die auch heute noch eine breite Leserschaft finden.
Frühes Leben und Ausbildung
Stefan Zweig wuchs in einer wohlhabenden jüdischen Familie auf. Sein Vater, Moritz Zweig, war ein erfolgreicher Textilfabrikant, und seine Mutter, Ida Brettauer, entstammte einer wohlhabenden Bankiersfamilie. Zweig genoss eine erstklassige Ausbildung und studierte an der Universität Wien, wo er 1904 in Philosophie promovierte. Bereits während seiner Studienzeit begann er zu schreiben und veröffentlichte erste Gedichte und Essays.
Literarische Anfänge
- Erste Veröffentlichungen: Zweigs erste Werke waren Lyrik und Essays, die in verschiedenen literarischen Zeitschriften erschienen. 1901 veröffentlichte er seinen ersten Gedichtband Silberne Saiten.
- Themen und Einflüsse: Seine frühen Werke zeigen den Einfluss des Wiener Fin de Siècle und des Jugendstils. Er war stark von Symbolismus und den Ideen der Wiener Moderne geprägt.
Novellen und Kurzprosa
Stefan Zweigs Novellen zählen zu seinen bekanntesten und meistgelesenen Werken. Sie zeichnen sich durch eine prägnante und dichte Erzählweise aus, die oft tief in die psychologischen Abgründe der Figuren vordringt.
- Brennendes Geheimnis (1911): Eine der frühen Novellen, die von der intensiven Beziehung zwischen einem jungen Jungen und einem Erwachsenen erzählt, die durch Lügen und Geheimnisse zerstört wird.
- Verwirrung der Gefühle (1927): Eine komplexe Geschichte über die unerwiderte Liebe eines jungen Studenten zu seinem Professor, die tief in die psychologischen und emotionalen Verstrickungen der Charaktere eintaucht.
- Amok (1922): Eine packende Erzählung über einen Arzt in Malaysia, der in einer selbstzerstörerischen Leidenschaft für eine Frau gefangen ist, die ihn letztlich ins Verderben führt.
- Die unsichtbare Sammlung (1925): Diese Novelle behandelt die Auswirkungen der Inflation in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg und erzählt die Geschichte eines blinden Kunstsammlers.
- Schachnovelle (1942): Zweigs letzte und wohl bekannteste Novelle, die in den Jahren seines Exils entstand. Sie erzählt die Geschichte eines Mannes, der während seiner Inhaftierung durch die Nazis seinen Verstand mit Hilfe eines Schachbuchs rettet. Die Novelle ist eine tiefgründige Studie über Isolation, Überlebenswillen und geistige Stärke.
Romane
Obwohl Zweig vor allem für seine Novellen und Kurzgeschichten bekannt ist, hat er auch einige bemerkenswerte Romane geschrieben.
- Ungeduld des Herzens (1939): Zweigs einziger vollendeter Roman, der die Geschichte des Leutnants Anton Hofmiller erzählt, der durch einen unbedachten Akt des Mitgefühls in eine tragische Verstrickung gerät. Der Roman behandelt Themen wie Schuld, Scham und moralische Verantwortung.
- Rausch der Verwandlung: Ein unvollendeter Roman, der posthum veröffentlicht wurde und das Leben der Christine Hoflehner schildert, einer jungen Frau aus bescheidenen Verhältnissen, die durch eine Erbschaft plötzlich zu Reichtum gelangt und sich in den Verlockungen und Gefahren der höheren Gesellschaft verliert.
Prosawerke und Biografien
Neben seinen Novellen und Romanen hat Stefan Zweig auch zahlreiche biografische Werke und Essays verfasst. Er war fasziniert von historischen Persönlichkeiten und verstand es meisterhaft, deren Leben und Schicksale literarisch darzustellen. Einige seiner bekanntesten biografischen Werke sind:
- Maria Stuart (1935): Eine eindringliche Biografie über die schottische Königin, die durch ihre politischen und persönlichen Konflikte geprägt war.
- Marie Antoinette (1932): Eine umfangreiche Biografie der französischen Königin, die die politischen und gesellschaftlichen Umbrüche ihrer Zeit widerspiegelt.
- Joseph Fouché (1929): Eine Biografie über den berüchtigten französischen Politiker, der als Meister der Intrigen und Machtspiele galt.
- Erasmus von Rotterdam (1934): Ein Porträt des humanistischen Gelehrten und seine Bedeutung für die europäische Geistesgeschichte.
- Die Welt von Gestern (1942): Zweigs autobiografisches Werk, in dem er die untergegangene Welt des alten Europas vor dem Ersten Weltkrieg schildert und seine eigenen Erlebnisse und Beobachtungen reflektiert.
Exil und späte Jahre
Aufgrund der politischen Verfolgung und der Machtergreifung der Nationalsozialisten musste Stefan Zweig 1934 Österreich verlassen. Er lebte zunächst in England und später in den USA, bevor er sich schließlich in Brasilien niederließ. Die Jahre des Exils waren geprägt von Heimweh, Einsamkeit und der tiefen Sorge um die Zukunft Europas.
Am 22. Februar 1942 nahmen sich Stefan Zweig und seine zweite Frau Lotte in Petrópolis, Brasilien, das Leben. In seinem Abschiedsbrief drückte er seine tiefe Verzweiflung über die Zerstörung der europäischen Kultur und die Unmöglichkeit eines friedlichen Lebens unter den damaligen Umständen aus.
Geschichte in der Dämmerung – Buch
Stefan Zweig, aus: Geschichte in der Dämmerung.
Erstdruck in: Erstes Erlebnis, Insel-Verlag, Leipzig 1911.
Neuausgabe: LIWI Verlag, Göttingen 2019.
LIWI Literatur- und Wissenschaftsverlag
EAN: 9783965421523
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Verfasst von Thomas Löding, LIWI Blog, zuletzt aktualisiert am 15. Juni 2024