Fjodor Dostojewski - Erniedrigte und Beleidigte

Erniedrigte und Beleidigte

„Ja, der Alte hatte recht: sie hatte Schweres erlitten; ihre Wunde konnte nicht vernarben, und sie suchte absichtlich durch dieses geheimnisvolle Verhalten und durch dieses Mißtrauen gegen uns alle diese ihre Wunde aufzureißen; es war, als fände sie selbst einen Genuß in ihrem Schmerz, in diesem Egoismus des Leidens, wenn man sich so ausdrücken kann. Diese Erneuerung des Schmerzes und der dadurch erzielte Genuß waren mir verständlich: diesen Genuß bereiten sich viele Erniedrigte und Beleidigte, die vom Schicksal niedergetreten sind und sich der Ungerechtigkeit desselben bewußt sind.“

(S. 271 in diesem Buch)

Der berühmte Roman „Erniedrigte und Beleidigte“ von Dostojewski fand nicht zuletzt durch die aufsehenerregenden Theateradaptionen von Frank Castorf und Sebastian Hartmann in jüngerer Zeit neue Aufmerksamkeit. Hier wird er in der vielgelesenen Übersetzung von Hermann Röhl frisch aufgelegt.

Zusammenfassung / Inhaltsangabe

„Erniedrigte und Beleidigte“ ist eines der früheren Werke von Fjodor Michailowitsch Dostojewski, das tief in die Wirren menschlicher Emotionen und Beziehungen eintaucht.

Der Roman webt die Geschichten von vier Hauptfiguren zusammen: Iwan Petrowitsch, ein junger Schriftsteller, der in die komplexen Leben von Nelly, einem verwaisten Mädchen; Natalja Nikolajewna, seiner unerwiderten Liebe; und einem moralisch ambivalenten Adligen, dem Fürsten, verwickelt wird.

Gesetzt in Sankt Petersburg, zeichnet der Roman ein Bild von Leid, Konflikt und der Suche nach Erlösung durch die miteinander verbundenen Schicksale seiner Charaktere.

Ein wiederkehrendes Thema des Romans ist die Idee, dass wahre Erlösung oft durch Leid erreicht wird, ein Motiv, das Dostojewski in seinen späteren Werken weiter vertieft.

Analyse und Interpretation

„Erniedrigte und Beleidigte“ reflektiert Dostojewskis anhaltendes Interesse an den tiefen moralischen Fragen von Schuld, Erlösung und Menschlichkeit.

Der Roman ist eine intensive Erkundung des Leidens und wie es die Menschen entweder zerstören oder zu einer tieferen spirituellen Einsicht führen kann.

Dostojewski entwirft eine Welt, in der Charaktere ständig zwischen ihren höchsten Idealen und ihren dunkelsten Impulsen schwanken, wodurch die Komplexität der menschlichen Natur offenbart wird.

Die Beziehung zwischen Iwan Petrowitsch und Nelly steht symbolisch für die heilende Kraft von Liebe und Mitgefühl inmitten persönlichen und sozialen Chaos.

Der Roman dient auch als eine scharfe Kritik an den sozialen und moralischen Missständen im Russland seiner Zeit, mit einem besonderen Fokus auf die Diskrepanzen zwischen den sozialen Klassen.

Sprache und Stil

Die Sprache in „Erniedrigte und Beleidigte“ ist geprägt von einer intensiven Emotionalität und einer tiefen psychologischen Durchdringung.

Dostojewski nutzt einen komplexen erzählerischen Ansatz, der die inneren Kämpfe und emotionalen Landschaften seiner Charaktere detailliert abbildet.

Die von Hermann Röhl angefertigte Übersetzung wird für ihre Treue zum Original und ihre Fähigkeit, die subtilen Schattierungen von Dostojewskis Stil wiederzugeben, geschätzt.

Dialoge und innere Monologe sind zentrale Elemente des Romans, die einzigartige Einblicke in die Gedankenwelt der Figuren bieten und es Dostojewski ermöglichen, die Vielschichtigkeit der menschlichen Existenz zu erfassen.

Durch die Verwendung von Symbolen und Motiven webt Dostojewski ein dichtes Netz aus Bedeutungen, das den Leser zur tiefgehenden Reflexion über die Natur des Menschen und seine gesellschaftlichen Bedingungen anregt.

Wichtige Figuren

Iwan Petrowitsch ist der Erzähler und eine der Hauptfiguren, ein junger Schriftsteller, der durch seine Beziehungen zu den anderen Charakteren tief in die sozialen und moralischen Konflikte seiner Zeit verwickelt wird.

Nelly, ein junges, verwaistes Mädchen, dessen tragische Umstände und reine Seele die anderen Charaktere zutiefst berühren und verändern.

Natalja Nikolajewna ist die unerfüllte Liebe Iwans und steht im Zentrum eines emotionalen Konflikts, der viele der zentralen Themen des Romans berührt.

Der Fürst ist ein komplexer Charakter von zweifelhaftem Charakter, dessen Handlungen und Motivationen entscheidend für die Entfaltung der Geschichte sind.

Diese Figuren verkörpern die verschiedenen sozialen und moralischen Kräfte, die in Dostojewskis Petersburg wirken, und dienen als Medium, durch das der Autor seine tiefsten Überzeugungen über Liebe, Leid und Erlösung ausdrückt.

Literarische Epoche und historischer Hintergrund

„Erniedrigte und Beleidigte“ wurde im Jahr 1861 veröffentlicht, eine Zeit großer sozialer und politischer Veränderungen in Russland, darunter die Aufhebung der Leibeigenschaft.

Diese Epoche war geprägt von einer intensiven Auseinandersetzung mit Fragen der sozialen Gerechtigkeit, der moralischen Verantwortung und der individuellen Freiheit.

Dostojewski selbst war tief in die intellektuellen und sozialen Debatten seiner Zeit eingebunden und nutzte seine literarischen Werke, um die tiefen moralischen und psychologischen Fragen zu erforschen, die diese Umwälzungen aufwarfen.

„Erniedrigte und Beleidigte“ reflektiert die Unsicherheit und den Umbruch dieser Periode, indem es die Leben und Leiden seiner Charaktere gegen den Hintergrund der sich wandelnden russischen Gesellschaft darstellt.

Häufige Fragen und Antworten

Was ist das zentrale Thema in „Erniedrigte und Beleidigte“?

Das zentrale Thema des Romans ist die Erlösung durch Leiden und die Möglichkeit der moralischen und spirituellen Erneuerung des Einzelnen innerhalb einer tief fehlerhaften sozialen Ordnung.

Wie wurde „Erniedrigte und Beleidigte“ bei seiner Veröffentlichung aufgenommen?

Bei seiner Veröffentlichung erhielt „Erniedrigte und Beleidigte“ gemischte Kritiken. Während einige die emotionale Tiefe und psychologische Einsicht des Romans lobten, kritisierten andere seine vermeintlich überladene Handlung und melodramatische Elemente.

Hat „Erniedrigte und Beleidigte“ heute noch Bedeutung?

Ja, „Erniedrigte und Beleidigte“ bleibt relevant, da es universelle Fragen der Menschlichkeit, des Mitgefühls und der Suche nach Gerechtigkeit in einer ungerechten Welt anspricht.

Warum sollte man „Erniedrigte und Beleidigte“ lesen?

„Erniedrigte und Beleidigte“ bietet tiefe Einblicke in die menschliche Psyche und die sozialen Bedingungen des 19. Jahrhunderts in Russland, bereichert durch Dostojewskis unnachahmliche Fähigkeit, die tiefsten Emotionen und moralischen Dilemmata seiner Charaktere darzustellen.

Buchausgabe

Fjodor Michailowitsch Dostojewski.
Erniedrigte und Beleidigte.
Roman in vier Teilen mit einem Epilog.
Übersetzt von Hermann Röhl.
Durchgesehener Neusatz, der Text dieser Ausgabe folgt dem Erstdruck dieser Übersetzung:
F. M. Dostojewski: Erniedrigte und Beleidigte. Zwei Bände, Bibliothek der Romane 71 und 72,Insel Verlag, Leipzig 1921.

Neuausgabe, LIWI Verlag, Göttingen 2020.

Hier auch kostenlos als PDF.

EAN: 9783965424081
ISBN: 3965424084
Paperback.
LIWI Literatur- und Wissenschaftsverlag
Januar 2021 – 340 Seiten

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Verfasst von Thomas Löding, LIWI Blog, zuletzt aktualisiert am 25. März 2024