Der Kampf mit dem Dämon
„Sie selbst wissen nicht um ihren Weg, um ihren Sinn, weil sie nur vom Unendlichen her in Unendliches fahren: kaum streifen sie in jähem Sturz und Aufstieg ihres Seins an die wirkliche Welt. Etwas Außermenschliches wirkt in ihnen, eine Gewalt über der eigenen Gewalt, der sie sich vollkommen verfallen fühlen: sie gehorchen nicht (schreckhaft erkennen sie es in den wenigen wachen Minuten ihres Ich) dem eigenen Willen, sondern sind Hörige, sind (im zwiefachen Sinne des Worts) Besessene einer höheren Macht, der dämonischen.“
Ein biografisches Meisterwerk: Die Lebensbeschreibung von Hölderlin, Kleist und Nietzsche im berühmten, romanhaft-lebendigen Stil Stefan Zweigs.
Der Kampf mit dem Dämon – Hölderlin, Kleist, Nietzsche
Hölderlin
Johann Christian Friedrich Hölderlin (1770-1843) war ein bedeutender deutscher Lyriker, dessen Werke als Höhepunkte der deutschen Romantik gelten. Geboren in Lauffen am Neckar, zeigte Hölderlin schon früh ein tiefes Interesse an der Literatur und Philosophie. Er studierte an der Tübinger Stift, wo er sich mit Hegel und Schelling, zwei anderen bedeutenden philosophischen Köpfen seiner Zeit, anfreundete.
Hölderlin war stark von der griechischen Antike beeinflusst, was sich in seinen Werken deutlich widerspiegelt. Seine Gedichte zeichnen sich durch eine intensive Auseinandersetzung mit der Natur und der menschlichen Existenz aus. Bekannt für seine anspruchsvolle Metrik und Sprachgestaltung, strebte Hölderlin nach einer Synthese von klassischer Harmonie und romantischer Emotionalität. Zu seinen bekanntesten Werken zählen der Roman Hyperion oder Der Eremit in Griechenland, die Tragödie Empedokles und Lyriksammlungen wie Die Nachtgesänge.
Trotz seines literarischen Genies litt Hölderlin unter geistigen Instabilitäten, die sein Leben und Werk zunehmend beeinflussten. Im Jahr 1802 kehrte er von einer Reise nach Frankreich zurück, stark beeindruckt von der revolutionären Stimmung, die jedoch auch zu einer psychischen Krise führte. Diese Instabilität verschärfte sich nach einer unglücklichen Liebe zu Susette Gontard, der Frau eines Frankfurter Bankiers, die als „Diotima“ in seinen Werken verewigt ist.
Seine psychische Gesundheit verschlechterte sich weiter, und ab 1806 lebte Hölderlin in verschiedenen Zuständen der psychischen Erkrankung. Er wurde schließlich 1807 unter die Vormundschaft eines Tübinger Tischlers gestellt, bei dem er den Rest seines Lebens in einem Turmzimmer über dem Neckar verbrachte. Diese Zeit war geprägt von einer tiefen Isolation, die gelegentlich von Schaffensperioden unterbrochen wurde, in denen er weiterhin dichtete, obwohl seine Werke aus dieser Phase oft von einer düsteren, melancholischen Stimmung getragen sind.
Trotz dieser tragischen Umstände hinterließ Hölderlin ein beeindruckendes literarisches Erbe, das weit über seine Lebenszeit hinaus Bedeutung erlangte. Sein tiefes Empfinden für die Schönheit der Natur und seine komplexen Betrachtungen der menschlichen Existenz haben ihn zu einem der bedeutendsten Dichter der deutschen Literatur gemacht. Seine Werke, insbesondere Hyperion, sind für ihre philosophische Tiefe und poetische Schönheit bekannt und werden noch heute für ihre innovative Sprache und ihren tiefen emotionalen Ausdruck geschätzt.
Kleist
Heinrich von Kleist (1777-1811), ein weiterer großer Name der deutschen Literatur, war bekannt für seine dramatischen Erzählungen und tiefgründigen Dramen. Geboren in Frankfurt an der Oder, trat Kleist zunächst in die Fußstapfen seiner Familie und begann eine militärische Laufbahn, bevor er sich der Schriftstellerei zuwandte.
Kleists Werke sind bekannt für ihre emotionale Intensität und oft tragische Thematik. Seine Figuren stehen häufig im Konflikt mit gesellschaftlichen Normen und eigenen inneren Dämonen, was in den dramatischen Handlungen seiner Geschichten zum Ausdruck kommt. Kleist zeichnet sich durch einen Stil aus, der tief in der Romantik verwurzelt ist, jedoch mit einer einzigartigen Härte und Direktheit, die ihn von seinen Zeitgenossen unterscheidet.
Frühes Leben und Bildung
Heinrich von Kleist wurde am 18. Oktober 1777 in eine preußische Offiziersfamilie geboren. Schon früh zeigte er eine Neigung zur Literatur, entschied sich jedoch zunächst, die militärische Laufbahn einzuschlagen, wie es von ihm erwartet wurde. Nach seinem Eintritt in das preußische Regiment begann Kleist ein Studium an der Universität Frankfurt (Oder), brach dieses jedoch ab, um sich vollständig der Literatur zu widmen.
Literarische Karriere
Kleist’s literarische Karriere war geprägt von einer Reihe bemerkenswerter Werke, die bis heute in der deutschen Literatur als Meisterwerke gelten. Zu seinen bekanntesten Dramen zählen Das Käthchen von Heilbronn, Der zerbrochne Krug und Prinz Friedrich von Homburg. Seine Erzählungen, wie Michael Kohlhaas und Die Marquise von O…, sind für ihre psychologische Tiefe und moralische Komplexität bekannt. Kleist erforschte in seinen Werken Themen wie Recht und Gerechtigkeit, Macht und Ohnmacht, und die Tragik menschlicher Existenz.
Persönliches Leben und Herausforderungen
Kleist’s persönliches Leben war voller Herausforderungen und von emotionaler Instabilität geprägt. Er litt unter finanziellen Schwierigkeiten und fühlte sich oft missverstanden von seinen Zeitgenossen. Diese persönlichen Kämpfe spiegelten sich in seinen Werken wider, in denen Charaktere häufig mit unlösbaren moralischen Dilemmata und tiefgreifenden inneren Konflikten konfrontiert sind.
Tod und Vermächtnis
Heinrich von Kleist starb am 21. November 1811 in einem Akt der Verzweiflung durch Suizid, den er gemeinsam mit seiner Freundin Henriette Vogel am Kleinen Wannsee in Berlin beging. Dieser dramatische Lebensabschluss unterstreicht die tiefe Zerrissenheit und die Schwermut, die Kleist zeitlebens begleiteten.
Sein literarisches Erbe bleibt jedoch lebendig. Kleist wird für seine Fähigkeit bewundert, tiefgründige menschliche Emotionen und komplexe psychologische Landschaften mit dramatischer Intensität darzustellen. Seine Werke bieten nicht nur Einblicke in die menschliche Psyche, sondern auch in die sozialen und politischen Spannungen seiner Zeit. Sie haben ihn zu einem der großen deutschen Dramatiker und Erzähler gemacht, dessen Einfluss auf die Literatur bis heute spürbar ist.
Nietzsche
Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844-1900) war ein deutscher Philosoph, Kulturkritiker, Dichter und Philologe, dessen Werke einen tiefgreifenden Einfluss auf die moderne intellektuelle Geschichte ausgeübt haben. Geboren in Röcken, nahe Lützen, wuchs Nietzsche in einer Familie von Geistlichen auf und zeigte schon früh eine außergewöhnliche Begabung für Sprachen und Musik.
Frühes Leben und Bildung
Nietzsche war das Kind eines lutherischen Pfarrers, der früh verstarb. Dieses Ereignis prägte Nietzsche tief und führte zu einer lebenslangen Auseinandersetzung mit Themen wie Tod, Leiden und Existenz. Er studierte klassische Philologie an der Universität Leipzig, wo er eine außerordentliche Fähigkeit zur Kritik und Interpretation klassischer Texte entwickelte. Während seines Studiums begann Nietzsche, sich von der traditionellen Theologie zu distanzieren und sich philosophischen Fragen zuzuwenden.
Akademische Karriere und philosophische Entwicklung
Nietzsche wurde 1869, im Alter von nur 24 Jahren, auf eine Professur für klassische Philologie an der Universität Basel berufen, ohne dass er zuvor einen Doktortitel erworben hatte. Seine akademische Karriere war jedoch von kurzer Dauer; gesundheitliche Probleme zwangen ihn, sich 1879 vorzeitig zur Ruhe zu setzen. Während seiner Zeit in Basel freundete sich Nietzsche mit dem Komponisten Richard Wagner an, eine Beziehung, die zunächst tief und einflussreich war, sich jedoch später auflöste und in offene Kritik überging.
Philosophische Werke und Kernideen
Nietzsches philosophisches Schaffen umfasst eine Vielzahl von Werken, die eine radikale Kritik der westlichen Moral und Metaphysik darstellen. Zu seinen bekanntesten Werken zählen Also sprach Zarathustra, Jenseits von Gut und Böse, Die Geburt der Tragödie und Ecce Homo. Nietzsche entwickelte Konzepte wie den Übermenschen, den Willen zur Macht und die ewige Wiederkunft des Gleichen. Er kritisierte das christliche Wertesystem und plädierte für eine Umwertung aller Werte, die die kreative und lebensbejahende Kraft des Individuums in den Vordergrund stellt.
Späte Jahre und Erbe
Die letzten Jahre seines Lebens waren von geistigem Verfall und Wahnsinn geprägt, der 1889 begann. Nietzsche verbrachte seine letzten Jahre unter der Obhut seiner Mutter und später seiner Schwester, bis er 1900 in Weimar starb. Trotz seines tragischen Lebensendes hat Nietzsche ein tiefgreifendes philosophisches Erbe hinterlassen, das weiterhin in vielen Disziplinen von der Philosophie über die Literatur bis hin zur Psychologie und politischen Theorie reicht. Sein Denken bleibt ein kritischer Bestandteil des modernen philosophischen Diskurses, und seine Aufforderung, bestehende Werte kritisch zu hinterfragen und das Leben leidenschaftlich zu bejahen, bleibt weiterhin von großer Bedeutung.
Der Kampf mit dem Dämon – Buch
Stefan Zweig.
Der Kampf mit dem Dämon – Hölderlin, Kleist, Nietzsche.
Erstdruck: Insel-Verlag, Leipzig 1925.
Neuausgabe, durchgesehener Neusatz, LIWI Verlag, Göttingen 2020.
LIWI Literatur- und Wissenschaftsverlag
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Verfasst von Thomas Löding, LIWI Blog, zuletzt aktualisiert am 15. Juni 2024