Eduard Graf Von Keyserling - Schwüle Tage

Schwüle Tage

„Ein angenehmes Raubtiergefühl wärmte mir das Herz. Wenn wir in das Rohricht gerieten, dann rauschte es an den Flanken des Bootes als führen wir durch Seide, und hundert kleine, erregte Flügel umflatterten uns.“

Schwüle Tage – Zusammenfassung

Schwüle Tage ist eine Adoleszenz-Novelle von Eduard von Keyserling, die 1904 veröffentlicht wurde. Sie erzählt die Geschichte von Graf Bill von Fernow, einem 18-jährigen Gymnasiasten, der nach dem Scheitern seines Abiturs auf dem ländlichen Familiensitz die Sommerferien verbringt, um sich auf die Nachprüfung vorzubereiten.

Die Ankunft auf dem Landsitz

Die Novelle beginnt mit der Ankunft von Bill und seinem Vater, Graf Gerd von Fernow, auf ihrem Landsitz in Fernow. Die Reise dorthin ist geprägt von einer schweren Atmosphäre, da Bill durch seine Abiturprüfung gefallen ist und sein Vater hohe Erwartungen an ihn stellt. Graf Gerd ist ein distanzierter und fordernder Vater, der von Bill verlangt, sich auf seine Studien zu konzentrieren und gesellschaftliche Umgangsformen zu wahren.

Konflikte und zwischenmenschliche Beziehungen

Während seines Aufenthalts auf dem Gut erlebt Bill eine Reihe von „wunderlichen Dingen“ – unheimliche und unverständliche Ereignisse, die sein Verhältnis zu seinem Vater weiter belasten. Graf Gerd behandelt seinen Sohn distanziert und legt großen Wert darauf, dass das Leben wie der Bau eines Hauses sei, bei dem alles im Einklang mit einem übergeordneten Plan stehen müsse. Er fordert von Bill, stets „Haltung zu bewahren“.

Erste Abenteuer und Enttäuschungen

Bill versucht, dem strengen Regime seines Vaters zu entkommen, indem er nachts heimlich aus dem Fenster steigt, um mit dem Diener Edse und dessen Freund zu fischen. Er trifft sich auch mit zwei Dienstmädchen des „Weißen Kruges“, doch die Mädchen zeigen kein Interesse an ihm. Nur das unglückliche Hausmädchen Margusch bietet ihm Trost, allerdings auf eine gutmütige und etwas mitleidige Weise. Diese Abenteuer werden von seinem Vater bei einem Mittagessen missbilligt, was die Spannungen zwischen Vater und Sohn weiter verschärft.

Unglückliche Liebesbeziehungen

Die Hoffnung auf eine standesgemäße Liebe erfüllt sich ebenfalls nicht. Bei einem Besuch auf dem benachbarten Gut der Warnows, wo die Familie mehrmals zu Besuch ist, verliebt sich Bill in seine Cousine Gerda. Doch Gerda ist unglücklich über die Verlobung ihrer Schwester Ellita mit ihrem Vetter Went, den sie selbst liebt. Bill wird Zeuge, wie Ellita und sein Vater eine Auseinandersetzung über ihre geheime Liebesbeziehung haben, die in einer arrangierten Ehe enden soll.

Tragisches Ende und Erkenntnisse

Am Ende der Novelle nimmt sich Graf Gerd von Fernow das Leben mit einer Morphium-Spritze. Dieses tragische Ereignis führt bei Bill zu einer tiefen Reflexion über das Leben und die starren Prinzipien seines Vaters. Er erkennt die Einsamkeit und Verzweiflung seines Vaters und beginnt, sich gegen die Lehre des Lebens als einem vorbestimmten Bauplan zu wehren. In einem Moment emotionaler Klarheit betrachtet Bill das Leben neu – nicht als ein abgeschlossenes Bauwerk, sondern als etwas, das ständig in Bewegung und Entwicklung ist.

Schwüle Tage – Eduard Graf von Keyserling

Eduard Graf von Keyserling wurde am 14. Mai 1855 auf Schloss Tels-Paddern in Kurland (heute Lettland) geboren und starb am 28. September 1918 in München. Er war ein bedeutender deutscher Schriftsteller und Dramatiker des Impressionismus, der für seine feinfühligen Charakterstudien und stimmungsvollen Schilderungen der adligen Gesellschaft Kurlands bekannt ist.

Frühes Leben und Bildung

Eduard Graf von Keyserling entstammte einer alten deutsch-baltischen Adelsfamilie. Seine Kindheit verbrachte er auf dem Familiengut in Kurland, wo er eine tiefe Verbindung zur Natur und den traditionellen Lebensweisen entwickelte. Er besuchte das Gymnasium in Mitau und zeigte schon früh literarische Interessen. Nach dem Abitur begann er ein Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten Dorpat (heute Tartu), Wien und Graz. Diese akademische Laufbahn verließ er jedoch zugunsten einer literarischen Karriere, die ihn zu einem wichtigen Vertreter der impressionistischen Literatur machen sollte.

Literarische Karriere

Keyserling begann seine literarische Karriere in den 1880er Jahren, zunächst mit Dramen, wandte sich jedoch bald der Prosa zu. Seine Werke sind stark von der kurländischen Landschaft und der Lebensweise des baltischen Adels geprägt. Keyserling zeichnete sich durch seine Fähigkeit aus, die feinen Nuancen menschlicher Gefühle und sozialer Interaktionen darzustellen.

Stil und Themen

Zu den zentralen Themen seiner Werke gehören:

  • Dekadenz des Adels: Keyserling beschreibt oft den moralischen und sozialen Verfall des Adels, der seiner traditionellen Rolle und seinem Einfluss in einer sich wandelnden Gesellschaft nicht mehr gerecht wird.
  • Konflikt zwischen Tradition und Moderne: Viele seiner Geschichten thematisieren den Widerstand der alten Adelsgesellschaft gegen die aufkommende Moderne und die damit verbundenen Veränderungen.
  • Einsamkeit und Scheitern: Keyserlings Charaktere kämpfen oft mit innerer Zerrissenheit, Einsamkeit und dem Scheitern in einer sich verändernden Welt.

Sein Schreibstil ist geprägt von einer impressionistischen Darstellung von Natur und Stimmung, die seine Erzählungen atmosphärisch dicht und poetisch machen. Keyserling nutzt detailreiche Beschreibungen und subtile, emotionale Nuancen, um die inneren Welten seiner Charaktere zu beleuchten.

Späteres Leben und Tod

In den 1890er Jahren zog Keyserling nach München, wo er sich der dortigen literarischen Bohème anschloss. Trotz seiner literarischen Erfolge lebte er in finanziell bescheidenen Verhältnissen. Keyserling litt zunehmend unter gesundheitlichen Problemen, darunter eine schleichende Erblindung und die Folgen einer Syphilis-Erkrankung, die ihn bereits in jungen Jahren befallen hatte.

Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte Keyserling zurückgezogen in München. Er starb am 28. September 1918 und hinterließ ein reichhaltiges literarisches Erbe, das ihn als einen der bedeutendsten Vertreter des literarischen Impressionismus etabliert.

Bücher von Eduard Graf von Keyserling

Wellen (1911)

In Wellen schildert Keyserling das Leben und die inneren Konflikte einer adligen Gesellschaft, die ihre Sommerfrische an der Ostsee verbringt. Der Roman zeichnet sich durch seine subtilen Charakterstudien und die impressionistische Darstellung der Küstenlandschaft aus. Wellen gilt als eines der Hauptwerke des Autors und behandelt Themen wie gesellschaftliche Konventionen, persönliche Freiheit und die latente Unzufriedenheit der adligen Protagonisten. Die detaillierte und poetische Beschreibung der Natur und die komplexen Beziehungen zwischen den Charakteren machen Wellen zu einem bedeutenden Werk des deutschen Impressionismus.

Fräulein Rosa Herz (1912)

In Fräulein Rosa Herz beschreibt Keyserling das Schicksal einer jungen Frau, die in der rigiden Gesellschaft des baltischen Adels nach ihrem Platz sucht. Der Roman beleuchtet die Zwänge und Erwartungen, denen Frauen in dieser Zeit ausgesetzt waren. Fräulein Rosa Herz ist eine einfühlsame und kritische Auseinandersetzung mit den sozialen Normen der Epoche und zeigt die inneren Kämpfe und Sehnsüchte der Titelfigur. Keyserling zeichnet ein einfühlsames Porträt einer Frau, die versucht, zwischen gesellschaftlichen Erwartungen und ihrem persönlichen Glück zu navigieren.

Beate und Mareile (1903)

Beate und Mareile ist ein Roman über zwei ungleiche Schwestern und ihre Lebenswege in der adligen Gesellschaft Kurlands. Keyserling thematisiert hier die unterschiedlichen Vorstellungen von Freiheit und Verpflichtung. Beate und Mareile zeigt die innere Zerrissenheit und die Suche nach individueller Erfüllung. Durch die Gegenüberstellung der beiden Schwestern beleuchtet Keyserling die verschiedenen Lebensentwürfe und die damit verbundenen Konflikte und Herausforderungen. Der Roman reflektiert die Spannungen zwischen Tradition und individueller Selbstverwirklichung in einer sich wandelnden Gesellschaft.

Fürstinnen (1917)

Fürstinnen behandelt das Leben und die Schicksale von Frauen im hohen Adel. Der Roman ist ein Porträt von Stärke und Verletzlichkeit und stellt die Herausforderungen dar, denen die Protagonistinnen in einer patriarchalen Gesellschaft gegenüberstehen. Fürstinnen verdeutlicht Keyserlings meisterhafte Fähigkeit, komplexe Charaktere zu zeichnen. Er erforscht die inneren Konflikte und die gesellschaftlichen Zwänge, die die Frauen erleben, und zeigt ihre Bemühungen, in einer von Männern dominierten Welt ihren eigenen Weg zu finden.

Dumala (1908)

Dumala ist ein Roman, der die Geschichte einer adligen Familie und ihrer Beziehung zu einem mysteriösen Waldstück erzählt. Der Roman ist durchdrungen von einer Atmosphäre des Unheimlichen und Geheimnisvollen. Dumala verdeutlicht Keyserlings Interesse an den dunklen Seiten der menschlichen Seele und der Natur. Der Roman kombiniert Elemente des psychologischen Dramas mit einer tiefen, fast mystischen Naturverbundenheit, die den Leser in eine Welt voller Geheimnisse und emotionaler Intensität entführt.

Feiertagskinder (1910)

Feiertagskinder erzählt die Geschichte einer Gruppe von Jugendlichen, die in den Ferien auf dem Land zusammenkommen und die Freuden und Konflikte des Erwachsenwerdens erleben. Der Roman zeigt die Unbeschwertheit und die Dramen der Jugendzeit. Feiertagskinder ist eine nostalgische und einfühlsame Erzählung, die die Leichtigkeit und die emotionalen Turbulenzen des Heranwachsens einfängt. Keyserling gelingt es, die fröhliche Unbeschwertheit und die ersten ernsthaften Auseinandersetzungen mit dem Leben auf eine zugleich liebevolle und realistische Weise darzustellen.

Harmonie (1905)

Harmonie ist eine Novelle, die die feinen Unterschiede und Spannungen zwischen verschiedenen sozialen Schichten beschreibt. Keyserling zeichnet hier ein Bild von Harmonie und Disharmonie im menschlichen Zusammenleben. Harmonie ist ein Beispiel für seine Fähigkeit, soziale Dynamiken subtil darzustellen. Die Novelle beleuchtet die komplexen Beziehungsgeflechte und die oft unausgesprochenen Konflikte, die das Leben in einer vielschichtigen Gesellschaft prägen.

Seine Liebeserfahrung (1911)

Seine Liebeserfahrung handelt von den romantischen Verwicklungen und emotionalen Prüfungen eines jungen Mannes. Der Roman beleuchtet die verschiedenen Aspekte der Liebe und des Begehrens. Seine Liebeserfahrung ist eine tiefgründige und poetische Auseinandersetzung mit den menschlichen Gefühlen. Keyserling erforscht die Höhen und Tiefen romantischer Beziehungen und zeigt die Herausforderungen und Freuden, die mit der Suche nach wahrer Liebe verbunden sind.

Hier ein Beitrag des Deutschlandfunks zum 100. Todestag des Autors:

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Schwüle Tage – Buch

Eduard Graf Von Keyserling - Schwüle TageEduard Graf von Keyserling.
Schwüle Tage.
Erstdruck in der Literaturzeitschrift „Neue deutsche Rundschau“, Nr. 15, S. Fischer Verlag, Berlin 1904.

Vollständige Neuausgabe, 1. Auflage, Göttingen 2018.
LIWI Literatur- und Wissenschaftsverlag

ISBN: 3965420763
EAN: 9783965420762
Paperback.  40 Seiten

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Verfasst von Thomas Löding, LIWI Blog, zuletzt aktualisiert am 15. Juni 2024