Die Welt von Gestern - Stefan Zweig

Angst

„Aber dann, wenn sie heim wollte, stieg es fröstelnd auf, dies andere geheimnisvolle Grauen, nun wirr gemengt mit dem Schauer der Schuld und jenem törichten Wahn, jeder fremde Blick auf der Straße vermöchte ihr abzulesen, woher sie käme, und mit frechem Lächeln ihre Verwirrung erwidern.“

Stefan Zweig.
Angst.
Erstdruck: Verlag H. S. Hermann, Berlin 1920.

Vollständige Neuausgabe, Göttingen 2019.
LIWI Literatur- und Wissenschaftsverlag

ISBN: 3965421123
EAN: 9783965421127
Paperback. 48 Seiten

Angst – Zusammenfassung

Die Novelle „Angst“ von Stefan Zweig, erstmals veröffentlicht im Jahr 1920, ist eine eindringliche psychologische Untersuchung der inneren Turbulenzen und moralischen Konflikte einer Frau, die sich in einem Netz aus Betrug, Erpressung und Selbsttäuschung verfängt. Zweig, bekannt für seine tiefgründigen Charakterstudien und seine meisterhafte Darstellung emotionaler Konflikte, zeichnet in „Angst“ das Porträt einer Frau, die sich mit den Konsequenzen ihrer untreuen Handlungen auseinandersetzen muss.

Handlung

Die Protagonistin der Novelle, Irene Wagner, ist die Ehefrau eines erfolgreichen Rechtsanwalts und Mutter zweier Kinder. Seit einem Jahr führt sie eine außereheliche Affäre mit einem jungen, leidenschaftlichen Musiker. Diese geheime Beziehung erfüllt sie mit Aufregung und verleiht ihrem sonst routinemäßigen Leben einen Hauch von Abenteuer. Jedoch ist ihre Affäre nicht frei von Schuldgefühlen und Angst, besonders der Angst davor, dass ihr Ehemann Friedrich ihre Untreue entdecken könnte.

Eines Tages, nach einem heimlichen Treffen mit ihrem Geliebten, wird Irene von einer Frau angehalten, die behauptet, Irene hätte ihr den Mann ausgespannt. Diese Frau, offenbar die ehemalige Geliebte des Musikers, beginnt Irene zu erpressen. Unter dem Druck und der Angst vor Entdeckung gibt Irene der Erpresserin Geld, um sie zum Schweigen zu bringen. Doch die Forderungen hören nicht auf; sie steigen sogar. Mit jedem weiteren Treffen mit der Erpresserin fühlt sich Irene zunehmend gefangen, hilflos und verzweifelt.

Die ständige Angst und die emotionale Belastung beginnen, Irenes Verhalten zu Hause zu beeinflussen. Sie wird nervös und reizbar, was die Aufmerksamkeit ihres Ehemannes auf sich zieht. Während einer gesellschaftlichen Veranstaltung tanzt Irene ausgelassen, fast hysterisch, was Friedrichs Verdacht weiter verstärkt. Ihre Situation verschärft sich, als sie einen Brief der Erpresserin offen liegen lässt und Friedrich diesen fast entdeckt. Irene verbrennt den Brief in letzter Sekunde, doch die Angst vor der Entdeckung ihrer Affäre und der Erpressung lähmt sie zunehmend.

In einem verzweifelten Versuch, ihrer Lage zu entkommen, überlegt Irene, Selbstmord zu begehen. Doch bevor sie ihren Plan umsetzen kann, enthüllt ihr Mann, dass er hinter der Erpressung steckt. Er hat die gesamte Situation inszeniert, um sie von ihrem Geliebten zu trennen. Er hat eine arbeitslose Schauspielerin angeheuert, um Irene zu testen und sie letztendlich dazu zu bringen, ihre Affäre zu beenden. Friedrichs Absicht war es, die Ehe zu retten und Irene eine Chance zu geben, ihren Fehler zu erkennen und zu korrigieren.

Analyse

Stefan Zweig zeigt in „Angst“ meisterhaft, wie Schuld und Furcht das menschliche Verhalten beeinflussen können. Irene ist eine zutiefst ambivalente Figur, gefangen zwischen ihrem Verlangen nach Leidenschaft und der Loyalität zu ihrer Familie. Ihre inneren Kämpfe und Ängste werden intensiv und mitfühlend dargestellt. Die Erzählung erforscht die psychologischen Abgründe der menschlichen Seele und stellt Fragen nach Verantwortung, Moral und der Möglichkeit der Vergebung.

Die Novelle ist auch eine Kritik an der gesellschaftlichen Stellung der Frau in der frühen 20. Jahrhunderts, die oft zwischen ihren eigenen Wünschen und den Erwartungen der Gesellschaft gefangen war. Zweigs sensible Darstellung von Irenes Angst spiegelt die komplexen sozialen Dynamiken und die emotionalen Dilemmata wider, denen Frauen seiner Zeit oft ausgesetzt waren.

In „Angst“ offenbart Stefan Zweig nicht nur die tiefen psychologischen Wunden seiner Charaktere, sondern zeigt auch seine eigene Fähigkeit, die dunklen Seiten der menschlichen Natur aufzudecken und dabei tiefes Mitgefühl für seine Figuren zu bewahren.

Angst – Buch

Stefan Zweig.
Angst.
Erstdruck: Verlag H. S. Hermann, Berlin 1920.

Vollständige Neuausgabe, Göttingen 2019.
LIWI Literatur- und Wissenschaftsverlag

ISBN: 3965421123
EAN: 9783965421127
Paperback. 48 Seiten

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Verfasst von Thomas Löding, LIWI Blog, zuletzt aktualisiert am 15. Juni 2024