Charles Dickens Die Silvesterglocken

Die Silvesterglocken

„Er hat eine gar schreckliche Stimme – dieser Wind um Mitternacht, wenn er in einer Kirche singt! Aber erst hoch oben im Turm! Dort brüllen und pfeifen die unheimlichen Windstöße! Hoch oben im Turm, wo sie frei aus- und einziehen können durch manche luftige Öffnung, sich um die schwindelnde Treppe winden, den stöhnenden Wetterhahn umherwirbeln und sogar das Gemäuer zittern und beben lassen! (…)
Hoch oben im Turm einer alten Kirche, weit über dem Licht und Gemurmel der Stadt, dennoch aber weit unter den fliegenden Wolken, die sie beschatten, ist das wilde, traurige, nächtige Plätzchen, und hoch oben im Turm einer alten Kirche hausen die Glocken, von denen ich spreche.“

Die berühmte Silvestergeschichte von Charles Dickens ist wie seine Weihnachtsgeschichte eine überaus warmherzige Gespenstergeschichte. Hier in der meisterhaften Übersetzung von Leo Feld.

Die Silvesterglocken – Zusammenfassung

Einleitung

„Die Silvesterglocken“ (englischer Originaltitel: „The Chimes“) ist eine Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens, die im Jahr 1844 veröffentlicht wurde. Die Geschichte ist in vier Teile oder „Viertel“ unterteilt, ähnlich den Viertelstunden, die eine Uhr schlägt.

Erster Teil: Der alte Toby Veck

Die Geschichte beginnt mit Toby „Trotty“ Veck, einem armen, älteren Lastenträger, der vor der Kirche St. Malackey in London wartet, um einen Auftrag zu erhalten. Trotz seiner Armut und seines harten Lebens behält Toby einen positiven Geist. Die Glocken der Kirche, die er oft hört, scheinen zu ihm zu sprechen und geben ihm Trost in seinem schweren Alltag.

An diesem Silvestertag trifft Toby auf seine Tochter Meg und ihren Verlobten Richard, die ihm berichten, dass sie heiraten wollen. Toby freut sich für die beiden, doch die Gesellschaft und die Umstände ihrer Armut lassen ihn an ihren Zukunftsaussichten zweifeln.

Zweiter Teil: Zweifel und Verzweiflung

Toby wird von mehreren Personen aus der höheren Gesellschaft besucht, darunter Alderman Cute, Mr. Filer und Mr. Tugby, die alle ihre herablassenden und düsteren Ansichten über die armen Leute und ihre Unfähigkeit, ihr Schicksal zu ändern, kundtun. Sie beeinflussen Toby negativ und lassen ihn an seiner eigenen Würde und der Zukunft seiner Tochter zweifeln.

Die Überzeugungen dieser Männer führen Toby in eine tiefe Verzweiflung. Er beginnt zu glauben, dass er und andere arme Menschen nur eine Last für die Gesellschaft sind und dass es für Menschen wie ihn und seine Tochter keine Hoffnung gibt.

Dritter Teil: Die Vision der Glocken

In einem Zustand tiefer Verzweiflung und Verwirrung schläft Toby ein und träumt von den Glocken der Kirche. In seinem Traum werden die Glocken und ihre Geister lebendig. Sie führen ihn durch eine Reihe von Visionen, die die Schicksale seiner Tochter Meg und anderer armer Menschen zeigen, wenn sie von der Hoffnungslosigkeit und den negativen Überzeugungen beeinflusst werden.

Durch diese Visionen zeigt Dickens die verheerenden Auswirkungen von Verzweiflung und gesellschaftlicher Unterdrückung. Die Geister der Glocken offenbaren Toby, dass seine zuvor angenommenen Überzeugungen falsch sind und dass er und andere arme Menschen wertvoll und würdig sind.

Vierter Teil: Die Erlösung und der neue Anfang

Am Ende des Traums erkennt Toby, dass er seine Zweifel und Verzweiflung überwinden muss. Er versteht nun, dass Hoffnung und Glaube an eine bessere Zukunft der Schlüssel sind, um das Leben zu verbessern. Die Glocken ermutigen ihn, mit neuer Kraft und Zuversicht in das neue Jahr zu gehen.

Als Toby erwacht, ist er voller Hoffnung und neuer Energie. Er eilt zu seiner Tochter und Richard, um ihnen seine neu gewonnene Zuversicht mitzuteilen. Die Geschichte endet mit Tobys erneuerter Hoffnung und dem Versprechen eines besseren Lebens für ihn und seine Familie.

Über den Autor Charles Dickens

Charles Dickens (1812-1870) war ein berühmter englischer Schriftsteller und Sozialkritiker, der als einer der bedeutendsten und einflussreichsten Autoren des viktorianischen Zeitalters gilt. Seine Werke zeichnen sich durch ihre detaillierten Charaktere, sozialkritischen Themen und packenden Handlungen aus, die oft die Missstände der Gesellschaft seiner Zeit beleuchten.

Frühes Leben und Karrierebeginn

Charles Dickens wurde am 7. Februar 1812 in Portsmouth, England, geboren. Er wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf, und seine Familie geriet oft in finanzielle Schwierigkeiten. Diese Erfahrungen prägten sein späteres Werk maßgeblich. Als Dickens zwölf Jahre alt war, wurde sein Vater wegen Schulden in das Schuldgefängnis Marshalsea gebracht, und Charles musste in einer Schuhcremefabrik arbeiten, um zum Familienunterhalt beizutragen.

Aufstieg zum Ruhm

Dickens‘ literarische Karriere begann in den 1830er Jahren, als er unter dem Pseudonym „Boz“ Kurzgeschichten und Artikel für verschiedene Zeitungen schrieb. Sein erster großer Erfolg kam mit der Veröffentlichung von „Die Pickwickier“ (The Pickwick Papers) im Jahr 1836. Der humorvolle und lebendige Stil des Romans machte ihn über Nacht berühmt.

Hauptwerke

Charles Dickens schrieb zahlreiche Romane, die zu Klassikern der Weltliteratur wurden. Einige seiner bekanntesten Werke sind:

  • Oliver Twist (1837-1839): Die Geschichte eines Waisenjungen, der in die kriminellen Unterwelten Londons gerät.
  • David Copperfield (1849-1850): Ein halb-autobiografischer Roman über das Leben und die Schwierigkeiten des Titelhelden.
  • Eine Weihnachtsgeschichte (A Christmas Carol) (1843): Die Erzählung über die Wandlung des geizigen Ebenezer Scrooge durch den Besuch von Geistern.
  • Große Erwartungen (Great Expectations) (1860-1861): Die Geschichte des Waisenjungen Pip und seiner Reise zu Reichtum und Selbstfindung.
  • Bleak House (1852-1853): Ein komplexer Roman, der das britische Rechtssystem und die sozialen Ungerechtigkeiten thematisiert.

Soziale Kritik

Dickens war bekannt für seine scharfsinnige soziale Kritik. Seine Werke prangerten die Missstände der industriellen Revolution an, wie Kinderarbeit, Armut, und die Ungerechtigkeiten des Rechtssystems. Er setzte sich für soziale Reformen ein und nutzte seine schriftstellerischen Fähigkeiten, um das Bewusstsein für die Notlage der Armen und Unterdrückten zu schärfen.

Einfluss auf moderne Autoren

Charles Dickens‘ Werke haben nicht nur die Literatur seiner eigenen Zeit geprägt, sondern auch einen erheblichen Einfluss auf moderne Autoren und ihre Schreibstile ausgeübt. Seine Techniken des realistischen Erzählens, die detaillierte Charakterentwicklung und die soziale Kritik finden sich in zahlreichen Werken zeitgenössischer Schriftsteller wieder.

Einfluss auf J. K. Rowling

Eine der bekanntesten modernen Autorinnen, die stark von Charles Dickens beeinflusst wurde, ist J. K. Rowling, die Schöpferin der Harry-Potter-Serie. Rowlings Werke zeigen mehrere Parallelen zu Dickens‘ Literatur:

  • Charaktertiefe und Vielschichtigkeit: Wie Dickens legt Rowling großen Wert auf die Entwicklung ihrer Charaktere. Figuren wie Harry Potter, Severus Snape und Albus Dumbledore sind komplex und entwickeln sich im Laufe der Serie weiter, ähnlich wie Dickens‘ Charaktere, beispielsweise Pip in Große Erwartungen oder David in David Copperfield.
  • Soziale Themen und Ungerechtigkeiten: Rowling thematisiert in ihren Büchern oft soziale Ungerechtigkeiten, Vorurteile und die Kluft zwischen Arm und Reich, was stark an Dickens‘ Kritik an der viktorianischen Gesellschaft erinnert. Die Darstellung der Hauselfen in Harry Potter und ihre Unterdrückung durch magische Familien ist ein Beispiel für diese soziale Kritik.
  • Erzähltechniken und Stil: Rowling verwendet ähnlich wie Dickens eine Mischung aus Humor und Ernsthaftigkeit. Sie nutzt humorvolle Episoden und lebendige Dialoge, um die düsteren Themen ihrer Bücher auszugleichen, eine Technik, die auch Dickens meisterhaft beherrschte.
  • Einflussreiche Bösewichte und moralische Lektionen: Dickens schuf einige der denkwürdigsten Schurken der Literatur, wie Ebenezer Scrooge und Fagin. Rowling folgt diesem Beispiel, indem sie komplexe Bösewichte wie Voldemort und Dolores Umbridge erschafft, die moralische Lektionen und die Konsequenzen von Machtmissbrauch verdeutlichen.

Weitere moderne Autoren

Neben J. K. Rowling haben auch andere zeitgenössische Autoren von Dickens‘ Stil und Themen profitiert:

  • Stephen King: Der Meister des Horrors hat oft Dickens‘ Einfluss auf seine detaillierte Charakterentwicklung und die sorgfältige Konstruktion seiner Geschichten anerkannt.
  • Neil Gaiman: Gaiman, bekannt für seine phantastischen Werke wie „American Gods“ und „Coraline“, hat Dickens‘ Fähigkeit, das Alltägliche mit dem Übernatürlichen zu verweben, in seinen eigenen Geschichten reflektiert.
  • Kazuo Ishiguro: Der Nobelpreisträger hat in seinen Romanen, insbesondere in „Was vom Tage übrig blieb“, die subtile emotionale Tiefe und das präzise soziale Beobachten übernommen, die auch Dickens‘ Werke kennzeichnen.

Spätere Jahre und Tod

In seinen späteren Jahren hielt Dickens zahlreiche öffentliche Lesungen seiner Werke ab, die ihn noch populärer machten. Trotz seines Ruhms und Erfolges litt er unter gesundheitlichen Problemen, die durch seine anstrengenden Arbeitszeiten und Reisen verschärft wurden.

Charles Dickens starb am 9. Juni 1870 im Alter von 58 Jahren in Gad’s Hill Place, seinem Haus in Kent. Er wurde in der Poets‘ Corner der Westminster Abbey in London beigesetzt.

Die Silvesterglocken – Buch

Charles Dickens Die SilvesterglockenCharles Dickens.
Die Silvesterglocken.
Ein Märchen von Glocken, die ein altes Jahr aus- und ein neues Jahr einläuten.
Erstdruck im englischsprachigen Orginal: The Chimes: A Goblin Story of Some Bells that Rang an Old Year Out and a New Year, Chapman and Hall, London 1844.
Hier übersetzt von Leo Feld (1869-1924).

Vollständige Neuausgabe, LIWI Verlag, Göttingen 2019.
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Verfasst von Thomas Löding, LIWI Blog, zuletzt aktualisiert am 02. Juni 2024