Selma Lagerlöf - Das Mädchen vom Moorhof

Das Mädchen vom Moorhof

„Die Klägerin hört, daß jemand an ihr vorbeigeht, und wird unruhig. Sie zwingt sich, den Blick so weit zu heben, daß sie über den Tisch hinsehen kann, und da bemerkt sie, daß der Gerichtsdiener die Bibel zurechtlegt. Noch einmal sieht es aus, als wollte sie Einspruch erheben. Aber sie hält sich wieder zurück. – Es ist ja nicht möglich, daß er den Eid ablegt. Der Richter muß ihn doch daran hindern.“

(Zitat S. 4 in diesem Buch)

Das Mädchen vom Moorhof – Zusammenfassung

„Das Mädchen vom Moorhof“, eine Novelle von Selma Lagerlöf, veröffentlicht im Jahr 1908, erzählt die Geschichte von Helga, einer jungen Magd, die aufgrund ihrer Umstände als Mutter eines unehelichen Kindes von ihrer dörflichen Gemeinschaft gemieden wird. Die Novelle spielt in einem Dorf in Värmland im frühen 19. Jahrhundert und ist ein eindrucksvolles Beispiel für Lagerlöfs Fähigkeit, tiefgründige menschliche Emotionen und soziale Ungerechtigkeiten zu beschreiben.

Kapitel 1: Die Anklage

Die Geschichte beginnt mit Helga, der Tochter eines Häuslers, die auf dem Sternhof als Magd gearbeitet hat. Während ihrer Zeit dort wird sie von Per Martensson, dem Bauern des Hofes, geschwängert. Nach der Geburt ihres Kindes zieht Helgas Mutter das Kind groß, als wäre es ihr eigenes. Auf Drängen ihrer Eltern geht Helga vor Gericht, um Unterhaltszahlungen von Per zu fordern. Als dieser die Vaterschaft leugnet und sich anschickt, seine Lüge durch einen Meineid zu bekräftigen, zieht Helga ihre Klage zurück, um Pers Seelenheil zu schützen – sie liebt ihn immer noch. Dieser selbstlose Akt wird vom Richter erkannt, der ihr öffentlich die Hand reicht, was zu einer Art Rehabilitation Helgas führt.

Kapitel 2: Die Begegnung mit Gudmund

Unter den Zuschauern des Gerichts befindet sich Gudmund Erlandsson, der attraktive Sohn eines Kleinbauern, der von den Frauen des Dorfes bewundert wird. Er ist sogar von Hildur Erikstochter, der Tochter eines reichen Amtmanns, als Bräutigam auserkoren worden. Gudmund und Helga begegnen sich zufällig am Morgen des Gerichtstages. Zunächst zeigt Gudmund Verachtung, doch nachdem er Helgas wahre Natur und die Ungerechtigkeit ihrer Situation erkennt, ändert sich seine Meinung über sie.

Kapitel 3: Helgas neues Leben

Gudmund, beeindruckt von Helgas moralischer Stärke, bietet ihr eine Stelle als Pflegerin seiner kranken Mutter Ingeborg an. Helga gewinnt schnell das Herz der Familie Erlandsson und der anderen Dorfbewohner. Ihre Vergangenheit und das Heimweh nach dem Moorhof überwindet sie durch ein Ritual, bei dem sie Asche von ihrem elterlichen Herd nach Närlunda trägt.

Kapitel 4: Konflikt und Entscheidung

Die Verlobung zwischen Gudmund und Hildur rückt näher. Hildur besteht jedoch darauf, dass Helga Närlunda verlassen muss, da sie nicht mit einer unehelichen Mutter unter einem Dach leben will. Widerwillig stimmen die Erlandssons zu, und Helga kehrt zum Moorhof zurück.

Kapitel 5: Gudmunds Geständnis

Kurz vor der Hochzeit gerät Gudmund in eine Schlägerei und glaubt am nächsten Tag, er könnte einen Mord begangen haben, da er Beweise an sich findet. In seiner Verzweiflung gesteht er seinem Vater und später auch Hildurs Vater, dass er der Täter sein könnte. Die Hochzeit wird abgesagt, und Gudmund findet Frieden in seinem Geständnis, auch wenn es bedeutet, dass er möglicherweise für ein Verbrechen bestraft wird, das er nicht erinnern kann.

Kapitel 6: Helgas Auflösung

Helga, die Gudmunds wahre Unschuld erkennt – das Messer war zuvor beschädigt worden, als sie es ausgeliehen hatte – entscheidet, diese Information für sich zu behalten, um Hildur und Gudmund zu versöhnen. Trotz ihrer Gefühle für Gudmund besteht sie darauf, dass sie immer noch Per liebt, um Gudmund nicht in ihr eigenes Schicksal zu verwickeln.

Die Novelle endet mit einer Versöhnung zwischen Gudmund und Helga, nachdem beide erkennen, dass sie ihre Liebe nicht leugnen können. Helgas stille Stärke und ihr unerschütterlicher moralischer Kompass führen sie schließlich zu einem versöhnlichen und hoffnungsvollen Ende.

Das Mädchen vom Moorhof – Wirkung und Adaptionen

Die Novelle „Das Mädchen vom Moorhof“ von Selma Lagerlöf hat über die Jahre hinweg eine tiefgreifende Wirkung auf Leser und Kultur ausgeübt und inspirierte mehrere filmische und dramatische Adaptionen. Die Geschichte, die das Thema soziale Stigmatisierung und die Überwindung von Vorurteilen durch persönliche Integrität behandelt, hat eine universelle Resonanz gefunden.

Literarische Bedeutung

Selma Lagerlöf, die erste Frau, die den Nobelpreis für Literatur erhielt, ist bekannt für ihre tiefgehenden psychologischen Einblicke und ihre Fähigkeit, menschliche Emotionen und Konflikte eindrucksvoll darzustellen. „Das Mädchen vom Moorhof“ zeigt Lagerlöfs Engagement für soziale Gerechtigkeit und ihre Fähigkeit, komplexe Charaktere zu erschaffen, die sowohl von ihrer Umgebung geformt werden als auch darauf einwirken. Ihre Werke, einschließlich dieser Novelle, sind dafür gelobt worden, dass sie moralische und ethische Fragen in einer zugänglichen und berührenden Weise aufwerfen.

Filmische Adaptionen

Die Novelle wurde häufig verfilmt, was ihre breite Anziehungskraft und zeitlose Relevanz unterstreicht. Jede Adaption bietet eine unterschiedliche Interpretation der Geschichte, wobei die kulturellen und zeitgenössischen Kontexte variieren:

  1. 1917: „Das Mädchen vom Moorhof“, Schweden, Regie: Victor Sjöström. Diese frühe Stummfilmversion war bahnbrechend in der Darstellung von emotionaler Tiefe ohne Worte.
  2. 1935: „Das Mädchen vom Moorhof“, Deutschland, Regie: Detlef Sierck.
  3. 1940: „Suotorpan tyttö“, Finnland, Regie: T. J. Särkkä. Diese finnische Adaption zeigt die Geschichte vor dem Hintergrund der finnischen Kultur und gesellschaftlichen Normen.
  4. 1947: „Tösen från Stormyrtorpet“, Schweden, Regie: Gustaf Edgren. Eine Nachkriegsversion, die die Themen von Vergebung und Nachkriegserholung einfängt.
  5. 1952: „Husmandstøsen“, Dänemark, Regie: Alice O’Fredericks. In dieser Version wird der dänische Kontext betont, wobei die zentralen Themen der Novelle beibehalten werden.
  6. 1958: „Das Mädchen vom Moorhof“, Deutschland, Regie: Gustav Ucicky.

Weitere mediale Adaptionen

Die Geschichte wurde auch in Hörspielen in Deutschland und Österreich adaptiert, was ihre Eignung für verschiedene Erzählformen unterstreicht. Diese Adaptionen erlauben es den Zuhörern, die inneren Konflikte der Charaktere und die sozialen Spannungen, die die Handlung antreiben, intensiv zu erleben.

Das Mädchen vom Moorhof – Selma Lagerlöf

Selma Lagerlöf wurde am 20. November 1858 in Mårbacka, Schweden, geboren und starb am 16. März 1940 ebenda. Sie war eine der bedeutendsten schwedischen Schriftstellerinnen und die erste Frau, die den Nobelpreis für Literatur erhielt. Lagerlöfs Werke zeichnen sich durch ihre lebendige Erzählweise, tiefgründige Charaktere und eine enge Verbindung zur schwedischen Landschaft und Kultur aus.

Frühes Leben und Bildung

Selma Lagerlöf wuchs in einer wohlhabenden Familie auf dem Gut Mårbacka in Värmland auf. Schon früh zeigte sie eine Leidenschaft für das Lesen und Schreiben. Aufgrund einer Hüftgelenkserkrankung war sie körperlich eingeschränkt, was sie jedoch nicht davon abhielt, sich geistig intensiv weiterzubilden. Sie besuchte die Lehrerseminare in Stockholm und Landskrona und arbeitete anschließend als Lehrerin.

Literarische Karriere

Ihre literarische Karriere begann Lagerlöf mit dem Roman Gösta Berling, der 1891 veröffentlicht wurde. Der Erfolg des Romans ermöglichte ihr, sich ganz dem Schreiben zu widmen. Ihre Werke wurden von den traditionellen schwedischen Erzählungen, Mythen und der Folklore inspiriert und brachten ihr nationale und internationale Anerkennung ein.

1909 erhielt Selma Lagerlöf als erste Frau den Nobelpreis für Literatur, was ihre Stellung als bedeutende Schriftstellerin weiter festigte. Ihr literarisches Schaffen umfasst eine breite Palette von Genres, darunter Romane, Kurzgeschichten und Kinderbücher.

Engagement und Späteres Leben

Neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit engagierte sich Lagerlöf auch politisch und sozial. Sie setzte sich für Frauenrechte und die schwedische Unabhängigkeitsbewegung ein. Während des Ersten Weltkriegs und in den folgenden Jahren engagierte sie sich zudem für humanitäre Projekte.

In den 1930er Jahren zog sie sich zunehmend auf ihr Gut Mårbacka zurück, wo sie bis zu ihrem Tod 1940 lebte. Ihr Zuhause wurde später zu einem Museum, das ihr Leben und Werk würdigt.

Wichtige Werke von Selma Lagerlöf

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgänsen (1906–1907)

Dieses Buch ist Lagerlöfs bekanntestes Werk und wurde ursprünglich als Schulbuch konzipiert, um schwedischen Kindern die Geografie ihres Landes näherzubringen.

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgänsen erzählt die Geschichte des Jungen Niels, der in einen Winzling verwandelt wird und mit einem Schwarm Wildgänse durch Schweden reist. Das Buch verbindet Märchenmotive mit realistischen Landschaftsbeschreibungen und ist ein Klassiker der Kinderliteratur.

Aus meinen Kindertagen (1930)

In Aus meinen Kindertagen schildert Lagerlöf ihre Kindheitserinnerungen und gibt Einblicke in das Leben auf dem Gut Mårbacka.

Die autobiografischen Skizzen zeichnen ein lebendiges Bild ihrer frühen Jahre und ihrer Familie. Das Werk ist eine wertvolle Quelle für das Verständnis ihrer späteren literarischen Themen und Motive.

Jerusalem (1901–1902)

Der zweiteilige Roman Jerusalem basiert auf einer wahren Begebenheit und erzählt die Geschichte einer Gruppe schwedischer Bauern, die im 19. Jahrhundert nach Jerusalem auswandern.

Lagerlöf thematisiert religiösen Eifer, Gemeinschaft und den Konflikt zwischen Tradition und Moderne. Jerusalem wurde sowohl in Schweden als auch international hochgelobt.

Gösta Berling (1891)

Gösta Berling ist Lagerlöfs Debütroman und erzählt die Geschichte des charismatischen, aber gescheiterten Priesters Gösta Berling, der nach seiner Entlassung durch Värmland streift und zahlreiche Abenteuer erlebt.

Der Roman ist eine Mischung aus Romantik und Realismus und wurde später mehrfach verfilmt.

Gösta Berling etablierte Lagerlöf als herausragende Erzählerin und bleibt ein bedeutendes Werk der schwedischen Literatur.

Das Mädchen vom Moorhof (1908)

Das Mädchen vom Moorhof ist eine bewegende Erzählung über eine junge Frau, die aufgrund ihrer unehelichen Schwangerschaft stigmatisiert wird und sich in der Gesellschaft behaupten muss.

Lagerlöf setzt sich in diesem Werk mit Themen wie Ehre, Schande und sozialer Gerechtigkeit auseinander und zeigt ihre Fähigkeit, komplexe gesellschaftliche Probleme sensibel zu behandeln.

Der Fuhrmann des Todes (1912)

In Der Fuhrmann des Todes (auch bekannt als Der Todeswagen) wird die Geschichte eines alkoholkranken Mannes erzählt, der in der Silvesternacht dem Fuhrmann des Todes begegnet.

Der Roman verbindet Elemente des Übernatürlichen mit moralischen und spirituellen Fragen und wurde später von Victor Sjöström erfolgreich verfilmt.

Der Fuhrmann des Todes ist ein eindrucksvolles Beispiel für Lagerlöfs Fähigkeit, Spannung und tiefgründige Themen zu verknüpfen.

Das Mädchen vom Moorhof – Buch

Selma Lagerlöfs berühmte Erzählung „Das Mädchen vom Moorhof“ erschien erstmals 1908 und zählt bis heute zu ihren meistgelesenen Werken. Nicht zuletzt die insgesamt sieben Verfilmungen machten ihre Novelle immer wieder populär. Hier wird der zeitlose Klassiker ungekürzt in der vielgelesenen Übersetzung von Marie Franzos frisch aufgelegt.

Selma Lagerlöf.
Das Mädchen vom Moorhof.
Übersetzt von Marie Franzos.
Erstdruck des Originals: Tösen från Stormyrtorpet, Albert Bonniers förlag, Stockholm 1908.
Erstdruck der Übersetzung von Marie Franzos: Insel Verlag, Insel-Bücherei Nr. 285 [a], Leipzig 1927.
Durchgesehener Neusatz, der Text dieser Ausgabe folgt: Insel Verlag, Leipzig 1940.

Vollständige Neuausgabe, LIWI Verlag, Göttingen 2021.

EAN: 9783965424197
ISBN: 396542419X
Übersetzt von Marie Franzos. Ungekürzte Neuausgabe. Paperback.
LIWI Literatur- und Wissenschaftsverlag
Januar 2021 – 44 Seiten

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Verfasst von Thomas Löding, LIWI Blog, zuletzt aktualisiert am 18. Mai 2024