„Die Portugiesin“ von Robert Musil ist eine Novelle, die 1924 veröffentlicht wurde. Musil erzählt die Geschichte des Herrn von Ketten und seiner portugiesischen Ehefrau. Die Novelle ist reich an symbolischen Elementen und spiegelt Musils Interesse an psychologischer Tiefe und moralischer Ambiguität wider.
Herr von Ketten und seine Rückkehr
Der Protagonist, Herr von Ketten, stammt aus dem Norden und hat seine Wurzeln in einer Familie, die dafür bekannt ist, sich keinen lokalen Bündnissen anzuschließen, sondern reiche Frauen aus der Ferne zu heiraten, um ihre politische und militärische Unabhängigkeit zu wahren. Er heiratet eine junge und schöne Portugiesin, was den zentralen Konflikt der Novelle einleitet. Nach einer ausgedehnten Abwesenheit kehrt er mit ihr zu seiner abgelegenen Burg zurück, die an einem unwirtlichen Ort in der Nähe eines rauschenden Flusses liegt.
Der Konflikt mit dem Bischof
Die Rückkehr des Herrn von Ketten ist überschattet von einem langwierigen und blutigen Konflikt mit dem Bischof von Trient über Landrechte, der schon seit Generationen schwelt. Die strategische Bedeutung von Ketten und seine militärischen Verpflichtungen dominieren seinen Alltag und prägen seine Beziehung zu seiner Frau, die von Anfang an unter keinem guten Stern steht. Sie wird in eine Welt geworfen, die von kriegerischen Auseinandersetzungen und männlicher Dominanz geprägt ist, was sie sowohl fasziniert als auch abstößt.
Die innere Welt der Portugiesin
Die Portugiesin, deren Name nie genannt wird, ist eine zentrale Figur, die tiefgreifende innere Konflikte und eine starke Sehnsucht nach Liebe und Zugehörigkeit erlebt. Ihre Entfremdung verstärkt sich, als sie feststellt, dass ihr neues Leben voller Härte und Entbehrungen ist, was im starken Kontrast zu ihrer ursprünglich romantischen Vorstellung steht. Ihr Mann, der in militärische Konflikte verstrickt ist und selten Zuhause ist, wird zu einer geheimnisvollen und fast mythischen Figur, was ihre Einsamkeit und Isolation weiter vertieft.
Die Schlacht und ihre Folgen
Der militärische Konflikt eskaliert, und Herr von Ketten wird schwer verletzt. Diese Verletzung führt zu einer langen Genesungsphase, während der er sich seiner Frau und dem heimischen Leben kurzzeitig nähert, doch die Kluft zwischen ihnen bleibt bestehen. Die Portugiesin durchlebt ihre eigene innere Schlacht, versucht, ihre Rolle als Frau und Herrin der Burg zu festigen und ringt mit ihrer Identität und ihrem Platz in einer fremden Welt.
Schlussbetrachtungen
Die Novelle endet mit einem nachdenklichen und offenen Schluss, der die psychologischen Wunden und die tiefen Spuren spiegelt, die der Krieg und die emotionalen Entbehrungen in den Charakteren hinterlassen haben. Die Beziehung zwischen Herrn von Ketten und der Portugiesin bleibt komplex und ungelöst, was typisch für Musils subtile Darstellung menschlicher Beziehungen ist.
Die Portugiesin – Film
Der Film Die Portugiesin, im Originaltitel A Portuguesa, ist eine filmische Adaption der Novelle von Robert Musil, inszeniert von der portugiesischen Regisseurin Rita Azevedo Gomes aus dem Jahr 2018. Der Film, der die tiefgründige Geschichte von Herrn von Ketten und seiner portugiesischen Frau aufgreift, setzt Musils komplexe Erzählung in eine visuelle Sprache um, die reich an historischem Detail und atmosphärischer Dichte ist. In einer Mischung aus Portugiesisch, Deutsch und Französisch entfaltet sich das Drama, das sowohl die persönlichen Konflikte der Charaktere als auch die kulturellen und politischen Spannungen ihrer Zeit einfängt.
Handlung und Charakterentwicklung im Film
In A Portuguesa werden die Zuschauer in das mittelalterliche Europa entführt, wo Herr von Ketten nach einer geeigneten Frau sucht, um seine dynastischen Ambitionen zu stärken. Er findet diese in Portugal und nimmt seine junge Braut mit zurück in seine Heimat in Norditalien, wo die beiden inmitten von politischen Intrigen und familiären Spannungen leben. Wie in der Novelle führt Herr von Ketten einen erbitterten Kampf gegen den Bischof von Trient, welcher die dramatische Kulisse für den Film bildet. Die Portugiesin, gespielt von Clara Riedenstein, wird dabei als starke, jedoch isolierte Figur dargestellt, deren Exil und Fremdheit in der Burg ihres Mannes tiefgreifende Fragen nach Identität und Zugehörigkeit aufwerfen.
Während der Film die langen Jahre der Kriegszüge von Ketten und seine sporadischen Rückkehr zur Burg zeigt, entwickelt sich die Portugiesin von einer hoffnungsvollen jungen Braut zu einer zentralen Figur, die trotz ihrer Einsamkeit und der kulturellen Fremdheit entscheidenden Einfluss auf das Schicksal ihres Mannes nimmt. Ihre Beziehung, obwohl durch lange Trennungen und die Brutalität des Krieges belastet, bildet das emotionale Zentrum des Films, das durch die eindringliche Filmmusik von José Mário Branco und die beeindruckende Kameraarbeit von Acácio de Almeida unterstrichen wird.
Der Film endet mit einer unerwarteten Wendung, in der die Portugiesin, konfrontiert mit dem körperlich und seelisch gebrochenen von Ketten, eine Entscheidung trifft, die ihre Resilienz und ihr tieferes Verständnis der Machtstrukturen, in denen sie lebt, zeigt. Diese Szene bildet den dramatischen Höhepunkt des Films und lässt den Zuschauer mit einer Mischung aus Bewunderung und tiefem Nachdenken zurück.
Rezeption und Bedeutung
A Portuguesa wurde bei seiner Premiere auf internationalen Filmfestivals gefeiert und zog insbesondere ein kunstinteressiertes Publikum an. Die filmische Interpretation bietet eine faszinierende Perspektive auf Musils Text und ergänzt die literarische Vorlage durch visuelle Erzähltechniken, die die zeitlose Natur der Geschichte unterstreichen. Der Film ist nicht nur eine Erkundung historischer Konflikte, sondern auch ein tiefgreifendes Porträt einer Frau, die sich in einer von Männern dominierten Welt behauptet.
Die Portugiesin – Buch
Robert Musil.
Die Portugiesin.
Erstdruck: Rowohlt Verlag, Berlin 1923.
Vollständige Neuausgabe, Göttingen 2019.
LIWI Literatur- und Wissenschaftsverlag.