Die Welt von Gestern - Stefan Zweig

Bahnwärter Thiel

„Der Wald draußen rauschte wie Meeresbrandung, der Wind warf Hagel und Regen gegen die Fenster des Häuschens.

Thiel tastete ratlos mit den Händen umher. Einen Augenblick kam er sich vor wie ein Ertrinkender – da plötzlich flammte es bläulich blendend auf, wie wenn Tropfen überirdischen Lichtes in die dunkle Erdatmosphäre herabsänken, um sogleich von ihr erstickt zu werden.

Der Augenblick genügte, um den Wärter zu sich selbst zu bringen.“

(Gerhart Hauptmann, Zitat aus „Bahnwärter Thiel“).

Zusammenfassung des Inhalts

Thiel, ein Mann von „herkulischer“ Statur und fleißiger Kirchgänger, arbeitet als Elektriker in der Nähe von Erkner, Brandenburg, Deutschland. Er heiratet eine schlanke und kränklich aussehende Frau, Minne, die nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes Tobias stirbt.

Ein Jahr später heiratet Thiel erneut, diesmal die ehemalige Magd Lene, eine große und starke, aber auch herrschsüchtige und streitsüchtige Frau, mit der er ein zweites Kind bekommt.

Thiel bemerkt Anzeichen von Misshandlung an Tobias, der von seiner Stiefmutter offen abgelehnt wird, tut aber so, als ob er sie trotz seiner Liebe zu seinem Sohn nicht sehen würde.

Er hat immer wieder Visionen von seiner toten ersten Frau; in einer davon stolpert sie über die Bahngleise und trägt etwas in blutige Tücher gewickeltes mit sich.

Eines Tages begleitet Lene Thiel mit Tobias und ihrem zweiten Kind zu seiner Arbeitsstelle, denn Thiel hat ein kleines Stück Land bekommen, das Lene als Kartoffelacker nutzen will. Durch Lenes Unachtsamkeit wird Tobias von einem Zug überrollt und stirbt später. Thiel verfällt dem Wahnsinn und verspricht Minne, Tobias‘ Tod zu rächen.

Als eine Gruppe von Arbeitern, die den toten Tobias abtransportieren, bei seinem Haus ankommt, entdecken sie die Leichen von Lene und ihrem Kind, die beide brutal ermordet wurden.

Thiel wird noch am Unfallort verhaftet und aufgrund seines Wahns in eine Nervenheilanstalt eingewiesen, während er die Pudelmütze seines Sohnes in der Hand hält.

Entstehung in der Epoche des Naturalismus

Bahnwärter Thiel wurde von Hauptmann 1887 geschrieben, als er in Erkner lebte und noch relativ unbekannt war. Der Stoff geht auf einen tatsächlichen Unglücksfall an der Bahnstrecke bei Erkner zurück.

Hauptmann bediente sich in seiner Novelle des „Sekundenstils„, einer für die Epoche des Naturalismus typischen literarischen Methode, bei der die Dauer der Beschreibung eines Ereignisses und die des beschriebenen Ereignisses identisch sind.

Der Untertitel „Novellistische Studie“ betonte die Distanz zwischen Naturalismus und bürgerlicher Literatur, zwischen Fragmentarischem und ästhetischer Vollkommenheit und bezog sich auf die unmittelbare Betrachtung des Gegenstandes in der impressionistischen Kunst.

Bahnwärter Thiel wurde 1888 in der Literaturzeitschrift „Die Gesellschaft“ veröffentlicht. Sie war damals eine der führenden deutschen Zeitschriften der naturalistischen Bewegung.

Bahnwärter Thiel

Novellistische Studie aus dem märkischen Kiefernforst.

Erstmals veröffentlicht in der Zeitschrift „Die Gesellschaft“, Verlag Wilhelm Friedrich, Leipzig 1888.
Neuausgabe, 1. Auflage, Göttingen 2018.

ISBN: 3965420518
EAN: 9783965420519
Neuausgabe 32 Seiten
LIWI Literatur- und Wissenschaftsverlag

Ein Hörbuch von Gerhart Hauptmanns „Bahnwärter Thiel“

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