Theodor Fontane Der Stechlin

Der Stechlin

Im Norden der Grafschaft Ruppin, hart an der mecklenburgischen Grenze, zieht sich von dem Städtchen Gransee bis nach Rheinsberg hin (und noch darüber hinaus) eine mehrere Meilen lange Seenkette durch eine menschenarme, nur hie und da mit ein paar Dörfern, sonst aber ausschließlich mit Förstereien, Glas- und Teeröfen besetzte Waldung. Einer der Seen, die diese Seenkette bilden, heißt »der Stechlin«.

(Zitat aus dem Anfang des Romans)

Fontanes berühmter Roman „Der Stechlin“ erschien als Buchausgabe erstmals 1889, kurz nach dem Tod des Autors. Er zählt bis heute zu den meistgelesenen Werken des Autors.

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Der Stechlin – Zusammenfassung / Inhaltsangabe

Der Roman beginnt mit einer Einführung in die Familie von Stechlin, die in der Mark Brandenburg lebt. Dubslav von Stechlin ist ein alter, respektabler Gutsherr, der in seinem Schloss am Stechlinsee lebt. Sein Sohn Woldemar ist ein Offizier, der seine Freizeit meist in der Hauptstadt verbringt.

Dubslavs Leben auf dem Gut

Dubslav führt ein ruhiges und beschauliches Leben auf seinem Gut. Er ist bekannt für seine Weisheit und seinen Humor, und er pflegt enge Beziehungen zu seinen Nachbarn und Dorfbewohnern. Dubslav ist ein Mann von altem Adel, der die Veränderungen in der Gesellschaft mit einer Mischung aus Skepsis und Wohlwollen betrachtet.

Woldemars Rückkehr und die gesellschaftlichen Veränderungen

Woldemar kehrt nach längerer Abwesenheit auf das Gut zurück. Er bringt neue Ideen und Ansichten mit, die im Kontrast zu den traditionellen Werten seines Vaters stehen. Woldemar repräsentiert die jüngere Generation, die mit den Veränderungen der Moderne konfrontiert ist.

Die Begegnung mit den Schwestern von Barby

Während eines Aufenthalts in Berlin lernt Woldemar die Schwestern Melusine und Armgard von Barby kennen. Melusine ist eine moderne und unabhängige Frau, während Armgard zurückhaltender und traditioneller ist. Woldemar fühlt sich zu beiden Schwestern hingezogen, was zu inneren Konflikten führt.

Der Besuch der Schwestern auf dem Gut

Die Schwestern von Barby besuchen das Gut der Stechlins. Dubslav begrüßt sie herzlich und schätzt ihre Anwesenheit sehr. Die Begegnung führt zu einer Reihe von Gesprächen und Reflexionen über die Werte und Traditionen der alten und der neuen Zeit.

Konflikte und Entscheidungen

Woldemar muss sich entscheiden, welche der beiden Schwestern er heiraten möchte. Er wägt die Vorzüge und Nachteile jeder Entscheidung ab und reflektiert über seine eigenen Werte und Ziele. Diese Entscheidung spiegelt den größeren Konflikt zwischen Tradition und Moderne wider.

Dubslavs Krankheit und Tod

Dubslavs Gesundheitszustand verschlechtert sich im Laufe des Romans. Er bleibt jedoch bis zuletzt ein weiser und humorvoller Mann, der sich um das Wohl seiner Familie und seines Gutes sorgt. Sein Tod markiert das Ende einer Ära und den Übergang zu einer neuen Zeit.

Schluss: Ein neuer Anfang

Nach Dubslavs Tod entscheidet sich Woldemar schließlich für Melusine. Die beiden beginnen ein neues Leben, das die Werte der alten Zeit mit den Herausforderungen und Möglichkeiten der Moderne vereint. Der Roman endet mit einem optimistischen Ausblick auf die Zukunft.

Der Stechlin – Figurenkonstellation

Dubslav von Stechlin

  • Rolle: Protagonist, alter Gutsherr
  • Charakter: Weise, humorvoll, traditionell, respektiert
  • Beziehungen zu anderen Figuren:
    • Woldemar von Stechlin: Vater-Sohn-Beziehung, Dubslav schätzt Woldemars moderne Ansichten, obwohl er selbst traditionell ist
    • Melusine von Barby: Schätzt ihre moderne und unabhängige Art
    • Armgard von Barby: Respektiert ihre traditionelle und zurückhaltende Natur

Woldemar von Stechlin

  • Rolle: Dubslavs Sohn, Offizier
  • Charakter: Modern, reflektiert, innerlich zerrissen zwischen Tradition und Moderne
  • Beziehungen zu anderen Figuren:
    • Dubslav von Stechlin: Sohn, bringt neue Ideen und Ansichten, die im Kontrast zu den traditionellen Werten seines Vaters stehen
    • Melusine von Barby: Fühlt sich zu ihrer modernen und unabhängigen Art hingezogen
    • Armgard von Barby: Hat ebenfalls Interesse an ihrer traditionellen und zurückhaltenden Natur

Melusine von Barby

  • Rolle: Eine der Schwestern von Barby, moderne und unabhängige Frau
  • Charakter: Unabhängig, selbstbewusst, modern
  • Beziehungen zu anderen Figuren:
    • Woldemar von Stechlin: Fühlt sich zu ihm hingezogen, repräsentiert die moderne und unabhängige Frau
    • Armgard von Barby: Schwester, stellt einen Kontrast zu ihrer eigenen modernen Art dar

Armgard von Barby

  • Rolle: Eine der Schwestern von Barby, traditionell und zurückhaltend
  • Charakter: Zurückhaltend, traditionell
  • Beziehungen zu anderen Figuren:
    • Woldemar von Stechlin: Repräsentiert die traditionellen Werte, zu denen Woldemar ebenfalls eine Anziehungskraft verspürt
    • Melusine von Barby: Schwester, stellt einen Kontrast zu ihrer eigenen traditionellen Art dar

Czako

  • Rolle: Freund von Woldemar
  • Charakter: Lebendig, weltoffen
  • Beziehungen zu anderen Figuren:
    • Woldemar von Stechlin: Freund, repräsentiert die Freuden und Herausforderungen der modernen Welt

Lorenzen

  • Rolle: Geistlicher und Freund der Familie
  • Charakter: Besonnen, philosophisch
  • Beziehungen zu anderen Figuren:
    • Dubslav von Stechlin: Freund und Ratgeber, vertritt moralische und philosophische Ansichten
    • Woldemar von Stechlin: Mentor, bietet moralische und spirituelle Unterstützung

Der Stechlin – Aufbau

Erzählstruktur: „Der Stechlin“ von Theodor Fontane ist in 36 Kapitel unterteilt und folgt einer linearen Erzählstruktur. Die Geschichte wird in der dritten Person erzählt, wobei der Erzähler häufig Kommentare und Reflexionen einstreut.

Kapiteleinteilung: Die Kapitel sind unterschiedlich lang und folgen dem Lebensalltag der Hauptfiguren. Jedes Kapitel trägt zur Weiterentwicklung der Handlung bei und vertieft das Verständnis der Charaktere und ihrer Beziehungen.

Einführung: Die ersten Kapitel stellen die Hauptfiguren und das Setting vor. Dubslav von Stechlin und sein Gut am Stechlinsee werden detailliert beschrieben. Der Leser erhält Einblicke in Dubslavs Leben, seine Ansichten und die Dorfgemeinschaft.

Mittelteil: Die Handlung konzentriert sich auf Woldemars Rückkehr und die damit verbundenen gesellschaftlichen Veränderungen. Seine Begegnung mit den Schwestern von Barby und die Besuche auf dem Gut Stechlin sind zentrale Elemente. Der Mittelteil behandelt die inneren Konflikte der Figuren und die sich entwickelnden Beziehungen.

Höhepunkt: Der Höhepunkt des Romans liegt in den Konflikten und Entscheidungen, die Woldemar hinsichtlich seiner Heirat treffen muss. Er wägt die Vorzüge und Nachteile einer Verbindung mit Melusine und Armgard ab, was die zentralen Themen des Romans – Tradition vs. Moderne – widerspiegelt.

Schluss: Der Roman endet mit Dubslavs Krankheit und Tod. Woldemar entscheidet sich schließlich für Melusine und beginnt ein neues Leben. Der Schluss markiert den Übergang von der alten zur neuen Zeit und reflektiert die Veränderungen, die die Gesellschaft durchmacht.

Der Stechlin – Analyse von Sprache und Stil

Sprache:

1. Realistische Darstellung: Fontane verwendet eine präzise und klare Sprache, die typisch für den Realismus ist. Die Beschreibungen der Landschaft, der sozialen Verhältnisse und der Charaktere sind detailliert und lebensnah. Der Realismus Fontanes zeigt sich in der akkuraten Darstellung der Gesellschaft und ihrer Konventionen.

2. Dialoge: Die Dialoge sind lebendig und authentisch. Fontane nutzt Dialoge, um die Charaktere zu entwickeln und ihre Beziehungen zueinander zu verdeutlichen. Die Gespräche spiegeln die soziale und intellektuelle Atmosphäre der Zeit wider.

3. Ironie und Humor: Ein charakteristisches Merkmal von Fontanes Stil ist die subtile Ironie und der feine Humor. Diese Elemente werden verwendet, um gesellschaftliche Konventionen zu hinterfragen und die Figuren zu charakterisieren. Dubslavs humorvolle und ironische Kommentare sind ein gutes Beispiel dafür.

4. Poetische Elemente: Trotz der realistischen Darstellung gibt es in Fontanes Sprache auch poetische Passagen. Diese Passagen, insbesondere die Naturbeschreibungen, verleihen dem Text eine zusätzliche ästhetische Dimension. Sie reflektieren die innere Welt der Charaktere und tragen zur Stimmung des Romans bei.

Stil:

1. Erzählperspektive: Der Erzähler ist allwissend, aber nicht allgegenwärtig. Fontane verwendet eine personalisierte Erzählweise, die es dem Leser ermöglicht, tief in die Gedanken und Gefühle der Hauptfiguren einzutauchen. Der Erzähler kommentiert und reflektiert oft die Ereignisse, was dem Roman eine philosophische Tiefe verleiht.

2. Wechsel zwischen Szenen und Reflexionen: Der Roman wechselt geschickt zwischen szenischen Darstellungen und erzählerischen Reflexionen. Dieser Wechsel ermöglicht es Fontane, sowohl die äußeren Ereignisse als auch die inneren Zustände der Figuren darzustellen. Die Reflexionen des Erzählers bieten dem Leser Einblicke in die größeren gesellschaftlichen Zusammenhänge.

3. Detailgenauigkeit: Fontane ist bekannt für seine detailgenauen Beschreibungen. Er schildert die Umgebung, die Kleidung der Figuren und die gesellschaftlichen Rituale mit großer Präzision. Diese Detailgenauigkeit trägt zur Authentizität und Lebendigkeit des Romans bei.

4. Gesellschaftskritik: Ein zentrales Merkmal von Fontanes Stil ist die feine Gesellschaftskritik. Durch die Darstellung der sozialen Strukturen und das Verhalten der Figuren hinterfragt Fontane die Konventionen und Werte seiner Zeit. Diese Kritik ist subtil und wird oft durch Ironie und Humor vermittelt.

Der Stechlin – Interpretation

1. Konflikt zwischen Tradition und Moderne: Ein zentrales Thema des Romans ist der Konflikt zwischen Tradition und Moderne. Dubslav von Stechlin steht für die traditionellen Werte und Lebensweisen des alten preußischen Adels. Er repräsentiert eine vergangene Ära, in der Ehre, Pflichtbewusstsein und konservative Werte von großer Bedeutung waren. Im Gegensatz dazu steht sein Sohn Woldemar, der die Veränderungen und Herausforderungen der modernen Welt repräsentiert. Dieser Generationenkonflikt spiegelt die gesellschaftlichen Umbrüche und den Übergang in eine neue Zeit wider.

2. Die Rolle des Adels: Fontane thematisiert die Rolle des Adels in der sich wandelnden Gesellschaft des 19. Jahrhunderts. Dubslav von Stechlin ist ein Vertreter des alten Adels, der seine Privilegien und Pflichten sehr ernst nimmt. Er ist sich der gesellschaftlichen Veränderungen bewusst und sieht den Niedergang des Adels mit einer Mischung aus Bedauern und Akzeptanz. Der Roman zeigt, wie der Adel versucht, seinen Platz in einer sich rasch verändernden Gesellschaft zu finden.

3. Natur und Landschaft: Die Natur und die Landschaft um den Stechlinsee spielen eine zentrale Rolle im Roman. Sie symbolisieren Beständigkeit und Kontinuität, im Gegensatz zu den schnelllebigen Veränderungen der Gesellschaft. Fontanes detaillierte Naturbeschreibungen schaffen nicht nur eine stimmungsvolle Kulisse, sondern dienen auch als Spiegel für die inneren Zustände der Figuren.

4. Gesellschaftskritik: Fontane übt durch seine detaillierte und realistische Darstellung feine Gesellschaftskritik. Er beschreibt die sozialen Strukturen, die Machtverhältnisse und die oft rigiden Konventionen der preußischen Gesellschaft. Durch die Figuren und ihre Interaktionen beleuchtet er die Stärken und Schwächen dieser Gesellschaft. Besonders durch die Figur des Dubslav zeigt Fontane eine respektvolle, aber auch kritische Sicht auf die traditionellen Werte des Adels.

5. Die Bedeutung von Entscheidungen: Der Roman thematisiert die Bedeutung von persönlichen Entscheidungen und deren Konsequenzen. Woldemars Entscheidung, welche der beiden Schwestern von Barby er heiraten möchte, symbolisiert die Wahl zwischen Tradition und Moderne. Diese Entscheidung beeinflusst nicht nur sein eigenes Leben, sondern auch die Zukunft seiner Familie und ihres Ansehens.

6. Ironie und Humor: Fontane nutzt Ironie und Humor, um die Absurditäten und Widersprüche der Gesellschaft darzustellen. Dubslavs humorvolle und ironische Kommentare bieten eine tiefere Einsicht in die gesellschaftlichen Normen und Werte seiner Zeit. Diese Elemente tragen dazu bei, die Gesellschaftskritik auf eine subtile und effektive Weise zu vermitteln.

7. Reflexion über das Alter: Der Roman reflektiert auch über das Alter und das Ende eines Lebens. Dubslav von Stechlin, der alte Gutsherr, sieht sich am Ende seines Lebens mit den Veränderungen und dem nahenden Tod konfrontiert. Sein Tod markiert nicht nur das Ende einer Ära, sondern auch den Übergang zu einer neuen Zeit, in der sein Sohn Woldemar die Verantwortung übernehmen muss.

8. Der Stechlinsee als Symbol: Der Stechlinsee selbst hat eine symbolische Bedeutung im Roman. Er steht für Tiefe, Klarheit und Beständigkeit. In einer Welt des Wandels und der Unsicherheit bietet der See eine Konstante, die den Figuren Halt und Orientierung gibt. Der See spiegelt auch die inneren Zustände der Figuren wider und dient als Metapher für das Unveränderliche in einer sich wandelnden Welt.

Der Stechlin – Epoche und historischer Hintergrund

Epoche: Realismus

1. Merkmale des Realismus: Der Realismus, eine literarische Epoche, die etwa von 1848 bis 1890 dauerte, ist gekennzeichnet durch eine genaue und objektive Darstellung der Wirklichkeit. Die Autoren des Realismus bemühten sich, das Alltägliche und das Typische des menschlichen Lebens darzustellen, ohne dabei zu idealisieren. Wichtige Merkmale des Realismus, die auch in „Der Stechlin“ zu finden sind, umfassen:

  • Detailgenaue Beschreibungen: Die präzise Darstellung der Umwelt, der sozialen Verhältnisse und der Charaktere.
  • Alltägliche Themen: Die Fokussierung auf das alltägliche Leben und die realistischen Probleme der Menschen.
  • Objektivität: Eine sachliche und nüchterne Erzählweise, die die Realität so darstellt, wie sie ist, ohne moralische Wertung.
  • Psychologische Tiefe: Eine genaue Darstellung der inneren Zustände und Motive der Charaktere.

2. Historischer Hintergrund:

Industrialisierung und gesellschaftliche Veränderungen: Die Zeit des Realismus war geprägt von großen gesellschaftlichen Veränderungen. Die Industrialisierung führte zu einem Wandel in der Arbeitswelt und den sozialen Strukturen. Diese Veränderungen und ihre Auswirkungen auf die Menschen und ihre Lebensweise sind häufige Themen in realistischer Literatur. In „Der Stechlin“ spiegeln sich diese Veränderungen in den Kontrasten zwischen der ländlichen Adelswelt und der modernen Gesellschaft wider.

Das Deutsche Kaiserreich: Der Roman spielt in der Zeit des Deutschen Kaiserreichs, das von 1871 bis 1918 bestand. Diese Ära war geprägt von einem starken Nationalismus, einer raschen Industrialisierung und sozialen Umbrüchen. Die aristokratischen Werte und Traditionen, die Dubslav von Stechlin verkörpert, stehen im Spannungsfeld mit den neuen Ideen und dem gesellschaftlichen Wandel, den Figuren wie Woldemar repräsentieren.

Preußische Tugenden und Werte: Die preußischen Tugenden wie Pflichtbewusstsein, Ehre und Disziplin sind zentrale Themen in Fontanes Werk. Diese Werte werden durch die Figur von Dubslav von Stechlin dargestellt, der versucht, diese Ideale in einer sich verändernden Welt aufrechtzuerhalten.

Über den Autor: Theodor Fontane

Biografie:

  • Geburtsdatum: 30. Dezember 1819
  • Geburtsort: Neuruppin, Königreich Preußen
  • Sterbedatum: 20. September 1898
  • Sterbeort: Berlin, Deutsches Kaiserreich

Familie und Kindheit: Theodor Fontane wurde als Sohn eines Apothekers geboren. Seine Kindheit verbrachte er in Neuruppin und Swinemünde. Die preußische Landschaft und die Städte, in denen er aufwuchs, prägten seine späteren literarischen Werke maßgeblich.

Ausbildung und berufliche Laufbahn: Fontane begann eine Ausbildung als Apotheker, folgte aber bald seiner Leidenschaft für das Schreiben. Er arbeitete zunächst als Journalist und Korrespondent in England, wo er viel über die dortige Gesellschaft und Literatur lernte. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland begann er, sich als Schriftsteller einen Namen zu machen.

Literarisches Schaffen: Theodor Fontane ist vor allem als Romanautor und Lyriker bekannt. Seine Werke zeichnen sich durch eine realistische Darstellung der preußischen Gesellschaft und eine tiefe psychologische Einsicht aus. Fontane gilt als einer der bedeutendsten Vertreter des poetischen Realismus.

Hauptwerke:

  • „Effi Briest“ (1895): Ein Roman über die tragische Geschichte einer jungen Frau, die an den gesellschaftlichen Konventionen scheitert.
  • „Irrungen, Wirrungen“ (1888): Die Liebesgeschichte zwischen einer bürgerlichen Frau und einem Adligen, die an den Standesunterschieden zerbricht.
  • „Der Stechlin“ (1897): Ein Alterswerk Fontanes, das die Veränderungen in der Gesellschaft und die Konflikte zwischen Tradition und Moderne thematisiert.
  • Gedichte und Balladen: Fontane verfasste auch zahlreiche Gedichte und Balladen, die seine Beobachtungsgabe und sein Gefühl für Sprache und Rhythmus zeigen.

Stil und Themen:

  • Realistische Darstellung: Fontanes Werke zeichnen sich durch eine genaue und präzise Darstellung der Realität aus.
  • Psychologische Tiefe: Die Charaktere sind komplex und vielschichtig, ihre inneren Konflikte und Entwicklungen werden detailliert beschrieben.
  • Gesellschaftskritik: Fontane hinterfragt oft die sozialen Strukturen und Konventionen seiner Zeit, insbesondere die starren Klassenunterschiede und die Stellung der Frau.
  • Naturbeschreibungen: Seine detaillierten Beschreibungen der Landschaft und der Natur spiegeln oft die inneren Zustände der Charaktere wider.

Einfluss und Rezeption: Theodor Fontane beeinflusste zahlreiche Schriftsteller und Dichter des 19. und 20. Jahrhunderts. Seine Werke wurden vielfach rezipiert und sind fester Bestandteil des deutschen Literaturkanons. „Der Stechlin“ gilt als eines seiner Meisterwerke und wird bis heute in Schulen und Universitäten gelesen und analysiert.

Privatleben: Fontane war verheiratet mit Emilie Rouanet-Kummer, mit der er sieben Kinder hatte. Sein Privatleben und seine Erfahrungen als Vater und Ehemann flossen oft in seine literarischen Werke ein.

Leseprobe:

„Im Norden der Grafschaft Ruppin, hart an der mecklenburgischen Grenze, zieht sich von dem Städtchen Gransee bis nach Rheinsberg hin (und noch darüber hinaus) eine mehrere Meilen lange Seenkette durch eine menschenarme, nur hie und da mit ein paar Dörfern, sonst aber ausschließlich mit Förstereien, Glas- und Teeröfen besetzte Waldung. Einer der Seen, die diese Seenkette bilden, heißt »der Stechlin«. Zwischen flachen, nur an einer einzigen Stelle steil und kaiartig ansteigenden Ufern liegt er da, rundum von alten Buchen eingefaßt, deren Zweige, von ihrer eignen Schwere nach unten gezogen, den See mit ihrer Spitze berühren. Hie und da wächst ein weniges von Schilf und Binsen auf, aber kein Kahn zieht seine Furchen, kein Vogel singt, und nur selten, daß ein Habicht drüber hinfliegt und seinen Schatten auf die Spiegelfläche wirft. Alles still hier. Und doch, von Zeit zu Zeit wird es an ebendieser Stelle lebendig. Das ist, wenn es weit draußen in der Welt, sei’s auf Island, sei’s auf Java zu rollen und zu grollen beginnt oder gar der Aschenregen der hawaiischen Vulkane bis weit auf die Südsee hinausgetrieben wird. Dann regt sich’s auch hier, und ein Wasserstrahl springt auf und sinkt wieder in die Tiefe. Das wissen alle, die den Stechlin umwohnen, und wenn sie davon sprechen, so setzen sie wohl auch hinzu: »Das mit dem Wasserstrahl, das ist nur das Kleine, das beinah Alltägliche; wenn’s aber draußen was Großes gibt, wie vor hundert Jahren in Lissabon, dann brodelt’s hier nicht bloß und sprudelt und strudelt, dann steigt statt des Wasserstrahls ein roter Hahn auf und kräht laut in die Lande hinein.«

Das ist der Stechlin, der See Stechlin.

Aber nicht nur der See führt diesen Namen, auch der Wald, der ihn umschließt. Und Stechlin heißt ebenso das langgestreckte Dorf, das sich, den Windungen des Sees folgend, um seine Südspitze herumzieht. Etwa hundert Häuser und Hütten bilden hier eine lange, schmale Gasse, die sich nur da, wo eine von Kloster Wutz her heranführende Kastanienallee die Gasse durchschneidet, platzartig erweitert. An ebendieser Stelle findet sich denn auch die ganze Herrlichkeit von Dorf Stechlin zusammen; das Pfarrhaus, die Schule, das Schulzenamt, der Krug, dieser letztere zugleich ein Eck- und Kramladen mit einem kleinen Mohren und einer Girlande von Schwefelfäden in seinem Schaufenster. Dieser Ecke schräg gegenüber, unmittelbar hinter dem Pfarrhause, steigt der Kirchhof lehnan, auf ihm, so ziemlich in seiner Mitte, die frühmittelalterliche Feldsteinkirche mit einem aus dem vorigen Jahrhundert stammenden Dachreiter und einem zur Seite des alten Rundbogenportals angebrachten Holzarm, dran eine Glocke hängt. Neben diesem Kirchhof samt Kirche setzt sich dann die von Kloster Wutz her heranführende Kastanienallee noch eine kleine Strecke weiter fort, bis sie vor einer über einen sumpfigen Graben sich hinziehenden und von zwei riesigen Findlingsblöcken flankierten Bohlenbrücke haltmacht. Diese Brücke ist sehr primitiv. Jenseits derselben aber steigt das Herrenhaus auf, ein gelbgetünchter Bau mit hohem Dach und zwei Blitzableitern.

Auch dieses Herrenhaus heißt Stechlin, Schloß Stechlin.

Etliche hundert Jahre zurück stand hier ein wirkliches Schloß, ein Backsteinbau mit dicken Rundtürmen, aus welcher Zeit her auch noch der Graben stammt, der die von ihm durchschnittene, sich in den See hinein erstreckende Landzunge zu einer kleinen Insel machte. Das ging so bis in die Tage der Reformation. Während der Schwedenzeit aber wurde das alte Schloß niedergelegt, und man schien es seinem gänzlichen Verfall überlassen, auch nichts an seine Stelle setzen zu wollen, bis kurz nach dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms I. die ganze Trümmermasse beiseite geschafft und ein Neubau beliebt wurde. Dieser Neubau war das Haus, das jetzt noch stand. Es hatte denselben nüchternen Charakter wie fast alles, was unter dem Soldatenkönig entstand, und war nichts weiter als ein einfaches Corps de logis, dessen zwei vorspringende, bis dicht an den Graben reichende Seitenflügel ein Hufeisen und innerhalb desselben einen kahlen Vorhof bildeten, auf dem, als einziges Schmuckstück, eine große blanke Glaskugel sich präsentierte. Sonst sah man nichts als eine vor dem Hause sich hinziehende Rampe, von deren dem Hofe zugekehrten Vorderwand der Kalk schon wieder abfiel. Gleichzeitig war aber doch ein Bestreben unverkennbar, gerade diese Rampe zu was Besonderem zu machen, und zwar mit Hilfe mehrerer Kübel mit exotischen Blattpflanzen, darunter zwei Aloes, von denen die eine noch gut im Stande, die andre dagegen krank war. Aber gerade diese kranke war der Liebling des Schloßherrn, weil sie jeden Sommer in einer ihr freilich nicht zukommenden Blüte stand. Und das hing so zusammen. Aus dem, sumpfigen Schloßgraben hatte der Wind vor langer Zeit ein fremdes Samenkorn in den Kübel der kranken Aloe geweht, und alljährlich schossen infolge davon aus der Mitte der schon angegelbten Aloeblätter die weiß und roten Dolden des Wasserliesch oder des Butomus umbellatus auf. Jeder Fremde, der kam, wenn er nicht zufällig ein Kenner war, nahm diese Dolden für richtige Aloeblüten, und der Schloßherr hütete sich wohl, diesen Glauben, der eine Quelle der Erheiterung für ihn war, zu zerstören.

Und wie denn alles hier herum den Namen Stechlin führte, so natürlich auch der Schloßherr selbst. Auch er war ein Stechlin.“

Der Stechlin – Die häufigsten Fragen

1. Worum geht es in „Der Stechlin“?

Der Roman erzählt die Geschichte des alten Gutsherrn Dubslav von Stechlin, dessen Sohn Woldemar und ihre Interaktionen mit der sich verändernden Gesellschaft des späten 19. Jahrhunderts. Im Zentrum stehen die Konflikte zwischen Tradition und Moderne sowie die persönlichen Entscheidungen der Hauptfiguren.

2. Was sind die zentralen Themen des Romans?

  • Konflikt zwischen Tradition und Moderne: Der Gegensatz zwischen den alten Werten, die Dubslav verkörpert, und den neuen Ideen, die Woldemar mitbringt.
  • Gesellschaftskritik: Eine subtile Kritik an den sozialen Strukturen und Konventionen der preußischen Gesellschaft.
  • Die Rolle des Adels: Die Veränderungen in der Stellung und den Pflichten des Adels in einer sich wandelnden Gesellschaft.
  • Natur und Landschaft: Die symbolische Bedeutung der Natur und des Stechlinsees als Beständigkeit und Kontinuität.
  • Persönliche Entscheidungen und deren Konsequenzen: Woldemars Entscheidung, welche der Schwestern von Barby er heiraten soll, und die damit verbundenen Überlegungen über persönliche und gesellschaftliche Werte.

3. Welche Bedeutung hat der Stechlinsee im Roman?

Der Stechlinsee hat eine symbolische Bedeutung im Roman. Er steht für Tiefe, Klarheit und Beständigkeit. In einer Welt des Wandels und der Unsicherheit bietet der See eine Konstante, die den Figuren Halt und Orientierung gibt. Der See reflektiert auch die inneren Zustände der Figuren und dient als Metapher für das Unveränderliche in einer sich wandelnden Welt.

4. Wie wird der Konflikt zwischen Tradition und Moderne dargestellt?

Der Konflikt wird hauptsächlich durch die Figuren von Dubslav und Woldemar von Stechlin dargestellt. Dubslav repräsentiert die alten Werte und Traditionen des preußischen Adels, während Woldemar die jüngere Generation und die Einflüsse der Moderne verkörpert. Ihre Interaktionen und Diskussionen beleuchten die Spannungen und Herausforderungen, die dieser Generationenkonflikt mit sich bringt.

5. Welche Rolle spielt die Gesellschaftskritik in „Der Stechlin“?

Fontane übt durch seine detaillierte und realistische Darstellung feine Gesellschaftskritik. Er beschreibt die sozialen Strukturen, die Machtverhältnisse und die oft rigiden Konventionen der preußischen Gesellschaft. Durch die Figuren und ihre Interaktionen beleuchtet er die Stärken und Schwächen dieser Gesellschaft. Besonders durch die Figur des Dubslav zeigt Fontane eine respektvolle, aber auch kritische Sicht auf die traditionellen Werte des Adels.

6. Was sind die charakteristischen Merkmale von Dubslav von Stechlin?

Dubslav von Stechlin ist weise, humorvoll, traditionell und respektiert. Er ist bekannt für seine Weisheit und seinen Humor und pflegt enge Beziehungen zu seinen Nachbarn und Dorfbewohnern. Dubslav ist ein Mann von altem Adel, der die Veränderungen in der Gesellschaft mit einer Mischung aus Skepsis und Wohlwollen betrachtet.

7. Warum wird „Der Stechlin“ bis heute in der Schule gelesen?

„Der Stechlin“ wird bis heute in der Schule gelesen, weil der Roman zeitlose Themen wie den Konflikt zwischen Tradition und Moderne, die Rolle des Adels und die Gesellschaftskritik behandelt. Die detaillierten und realistischen Darstellungen der Charaktere und ihrer sozialen Umgebung bieten wertvolle Einblicke in die preußische Gesellschaft des 19. Jahrhunderts. Außerdem fördert der Roman das Verständnis für historische und soziale Entwicklungen und die Auseinandersetzung mit moralischen und ethischen Fragen.

8. Inwiefern ist „Der Stechlin“ ein Werk des Realismus?

„Der Stechlin“ ist ein Werk des Realismus, weil es eine präzise und objektive Darstellung der Wirklichkeit bietet. Der Roman beschreibt das alltägliche Leben und die sozialen Verhältnisse der Dorfgemeinschaft detailliert und realistisch. Gleichzeitig werden die psychologischen Tiefen und inneren Konflikte der Charaktere genau beleuchtet. Fontanes Erzählweise zeichnet sich durch eine sachliche und nüchterne Darstellung aus, die die Realität ohne Idealisierung wiedergibt.

9. Welche Bedeutung haben die Schwestern von Barby im Roman?

Die Schwestern Melusine und Armgard von Barby symbolisieren die beiden Pole der modernen und der traditionellen Frau. Melusine ist unabhängig und modern, während Armgard zurückhaltend und traditionell ist. Woldemars Entscheidung, welche der beiden Schwestern er heiraten möchte, spiegelt seinen inneren Konflikt zwischen den alten Werten und den neuen Möglichkeiten wider.

10. Welche Rolle spielt Ironie und Humor im Roman?

Fontane nutzt Ironie und Humor, um die Absurditäten und Widersprüche der Gesellschaft darzustellen. Dubslavs humorvolle und ironische Kommentare bieten eine tiefere Einsicht in die gesellschaftlichen Normen und Werte seiner Zeit. Diese Elemente tragen dazu bei, die Gesellschaftskritik auf eine subtile und effektive Weise zu vermitteln.

Der Stechlin – Buch

Theodor Fontane Der StechlinTheodor Fontane.
Der Stechlin.
Erste Buchausgabe: Verlag F. Fontane und Co., Berlin 1899.
Durchgesehener Neusatz, diese Ausgabe folgt: Goldmann Verlag, München 1992.

Neuausgabe, LIWI Verlag, Göttingen 2020.
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Verfasst von Thomas Löding, LIWI Blog, zuletzt aktualisiert am 18. Mai 2024