John Galsworthy - Auf Englands Pharisäerinsel

Auf Englands Pharisäerinsel

„Plötzlich traf ihn der Streifblick eines anderen Augenpaares; diese Augen, hervorstehend blau, starrten mit einer Art durchtriebener Verschmitztheit über einer dünnen, schiefhängenden Nase und waren im Nu wieder abgewandt. Sie machten auf Schelton den Eindruck, daß er beurteilt, verhöhnt, verführt und in irgend etwas eingeweiht werde.“

(Zitat aus dem Anfang des Romans)

John Galsworthys berühmter satirischer Roman über die englische Aristokratie erschien erstmals 1904 und machte seinen Autor rasch einem größeren Publikum bekannt. Hier liegt der Klassiker in einer Neuausgabe vor.

Auf Englands Pharisäerinsel – Zusammenfassung / Inhaltsangabe

Einführung in die Handlung

Die Novelle beginnt mit der Beschreibung der englischen Oberschicht und ihrer starren sozialen Normen. Der Erzähler führt uns in die Welt der Clara, einer jungen Frau, die versucht, sich den Konventionen der Gesellschaft anzupassen. Clara ist jedoch innerlich zerrissen und fühlt sich gefangen in einer Welt voller Heuchelei und Vorurteilen.

Die gesellschaftlichen Zwänge

Mr. Conder, ein Vertreter der traditionellen Werte, spielt eine zentrale Rolle in Claras Leben. Er ist ein Symbol für die rigiden Normen und Erwartungen, die auf Clara lasten. Seine strikte Haltung und seine moralische Überheblichkeit spiegeln die Grundhaltung der Gesellschaft wider, in der Clara lebt.

Zwischen Anpassung und Rebellion

Claras Begegnungen mit Mr. Balladyce und Mrs. Pendyce zeigen die Spannungen zwischen persönlichem Glück und sozialer Anpassung. Mr. Balladyce, der sich ebenfalls den gesellschaftlichen Erwartungen beugt, und Mrs. Pendyce, die versucht, ihre eigene Rolle zu definieren, verdeutlichen die unterschiedlichen Wege, die Menschen innerhalb der gesellschaftlichen Zwänge einschlagen.

Der Höhepunkt

Die Handlung erreicht ihren Höhepunkt, als Clara sich entscheidet, gegen die Heuchelei und den sozialen Druck aufzubegehren. Ihr innerer Konflikt spitzt sich zu, und sie erkennt, dass sie ihr eigenes Glück nur finden kann, wenn sie sich von den erstickenden Konventionen befreit.

Auflösung und Schluss

Die Novelle endet mit Claras Entschluss, ein neues Leben zu beginnen, losgelöst von den Zwängen der Gesellschaft. Ihre Entscheidung symbolisiert den Wunsch nach individueller Freiheit und den Bruch mit den starren sozialen Strukturen.

Durch die detaillierte Darstellung der Charaktere und ihrer Konflikte liefert John Galsworthy eine tiefgehende Kritik an der moralischen und sozialen Heuchelei der englischen Oberschicht.

Auf Englands Pharisäerinsel – Wichtige Charaktere

Clara: Die Protagonistin der Novelle, Clara, ist eine junge Frau, die sich in den starren gesellschaftlichen Normen und Erwartungen der englischen Oberschicht gefangen fühlt. Sie ist innerlich zerrissen zwischen dem Wunsch, den Erwartungen gerecht zu werden, und ihrem eigenen Bedürfnis nach Freiheit und Glück.

Mr. Conder: Ein Vertreter der traditionellen Werte und der moralischen Überheblichkeit der Gesellschaft. Mr. Conder symbolisiert die rigiden Normen und Erwartungen, die auf Clara lasten und gegen die sie schließlich aufbegehrt.

Mr. Balladyce: Ein Charakter, der ebenfalls den gesellschaftlichen Erwartungen folgt. Seine Handlungen und Einstellungen verdeutlichen die unterschiedlichen Wege, die Menschen innerhalb der gesellschaftlichen Zwänge einschlagen.

Mrs. Pendyce: Eine Frau, die versucht, ihre eigene Rolle in der Gesellschaft zu definieren. Sie steht für die Möglichkeit der individuellen Anpassung und Veränderung innerhalb der sozialen Strukturen.

Auf Englands Pharisäerinsel – Aufbau

Die Novelle ist in eine strukturierte Erzählweise unterteilt, die sich durch folgende Elemente auszeichnet:

  • Einführung: Die Erzählung beginnt mit einer Beschreibung der englischen Oberschicht und der Einführung der Hauptfigur Clara.
  • Exposition: Die gesellschaftlichen Zwänge und die rigiden Normen werden dargestellt, die Claras Leben beeinflussen.
  • Konflikt: Clara erlebt innere und äußere Konflikte, die durch Begegnungen mit anderen Charakteren verstärkt werden.
  • Höhepunkt: Clara entscheidet sich, gegen die gesellschaftlichen Zwänge aufzubegehren.
  • Auflösung: Clara trifft eine endgültige Entscheidung, ihr eigenes Leben frei von den gesellschaftlichen Erwartungen zu führen.
  • Schluss: Die Novelle endet mit Claras neuem Entschluss, der ihre Befreiung und den Bruch mit den starren sozialen Strukturen symbolisiert.

Auf Englands Pharisäerinsel – Analyse von Sprache und Stil

John Galsworthy verwendet in „Auf Englands Pharisäerinsel“ eine detailreiche und prägnante Sprache, die die sozialen und moralischen Themen der Novelle hervorhebt.

  • Bildhafte Sprache: Galsworthy nutzt Metaphern und bildhafte Beschreibungen, um die moralische Heuchelei und die gesellschaftlichen Zwänge zu verdeutlichen.
  • Dialoge: Die Dialoge zwischen den Charakteren sind präzise und reflektieren die gesellschaftlichen Normen und individuellen Konflikte.
  • Erzählperspektive: Die Novelle wird aus einer auktorialen Erzählperspektive erzählt, die es dem Leser ermöglicht, einen umfassenden Blick auf die inneren und äußeren Konflikte der Charaktere zu bekommen.
  • Symbolik: Galsworthy setzt Symbole ein, um die tiefere Bedeutung der Handlungen und Entscheidungen der Charaktere zu unterstreichen. Die Figur der Clara selbst wird zu einem Symbol des Aufbegehrens gegen die gesellschaftliche Heuchelei.
  • Ironie: Die Novelle ist durchzogen von einer subtilen Ironie, die die Widersprüche und die moralische Überheblichkeit der Gesellschaft bloßstellt.

Durch diese sprachlichen und stilistischen Mittel gelingt es Galsworthy, eine scharfsinnige und kritische Darstellung der englischen Oberschicht zu schaffen, die die moralischen und sozialen Themen der Edwardianischen Ära reflektiert.

Auf Englands Pharisäerinsel – Interpretation

In „Auf Englands Pharisäerinsel“ präsentiert John Galsworthy eine kritische Interpretation der englischen Oberschicht zur Zeit der Edwardianischen Ära. Die Novelle thematisiert die moralische und soziale Heuchelei, die innerhalb dieser Gesellschaftsschicht vorherrscht. Galsworthy kritisiert insbesondere die rigiden Normen und Erwartungen, denen die Menschen unterliegen, sowie die Konsequenzen, die entstehen, wenn sie sich diesen Zwängen nicht fügen. Durch die Figur der Clara und ihre inneren Konflikte veranschaulicht Galsworthy den Druck, der auf Einzelpersonen lastet, um den gesellschaftlichen Erwartungen zu entsprechen. Die Entscheidung von Clara, sich gegen diese Zwänge aufzulehnen, symbolisiert den Wunsch nach individueller Freiheit und Selbstbestimmung. Insgesamt bietet die Novelle eine tiefgründige Analyse der sozialen und moralischen Strukturen der englischen Gesellschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Auf Englands Pharisäerinsel – Epoche und historischer Hintergrund

Die Novelle „Auf Englands Pharisäerinsel“ von John Galsworthy wurde im Jahr 1904 veröffentlicht und spielt in der Zeit der Edwardianischen Ära. Diese Epoche war geprägt von einem starken gesellschaftlichen Wandel, der durch politische, wirtschaftliche und soziale Veränderungen gekennzeichnet war. In Großbritannien herrschte eine rigide Klassengesellschaft, in der die Oberschicht einen hohen Status und Einfluss hatte. Gleichzeitig begannen jedoch erste Ansätze zur sozialen Reform und die Frauenbewegung gewann an Bedeutung. Galsworthys Novelle reflektiert die sozialen Spannungen und Konflikte dieser Zeit und kritisiert insbesondere die Heuchelei und die starren gesellschaftlichen Normen der englischen Oberschicht.

Vergleich mit anderen Werken von Galsworthy

John Galsworthy ist bekannt für seine kritischen Darstellungen der englischen Gesellschaft und ihrer moralischen und sozialen Strukturen. Ein Vergleich von Auf Englands Pharisäerinsel mit anderen Werken wie Das Herrenhaus, Der Pachtvertrag, Die Insel der Phantome und Der freie Weg zeigt die Vielfalt und Tiefe seiner literarischen Auseinandersetzungen mit diesen Themen.

Vergleich mit Das Herrenhaus (The Man of Property)

Thema des Besitzes und der sozialen Normen

In Das Herrenhaus untersucht Galsworthy das Besitzdenken und die materialistischen Werte der Forsyte-Familie. Soames Forsyte betrachtet seine Frau Irene als Besitz, was zu tiefen persönlichen Konflikten führt. Ähnlich in Auf Englands Pharisäerinsel kritisiert Galsworthy die rigiden gesellschaftlichen Normen und die moralische Heuchelei der englischen Oberschicht. Beide Werke thematisieren den Konflikt zwischen individuellen Wünschen und gesellschaftlichen Erwartungen, jedoch liegt in Das Herrenhaus der Fokus stärker auf den materiellen Aspekten des Besitzes, während Auf Englands Pharisäerinsel mehr die moralischen und sozialen Zwänge beleuchtet.

Charakterentwicklung und soziale Kritik

In beiden Werken sind die Protagonisten gefangen in ihren jeweiligen sozialen Strukturen. Clara in Auf Englands Pharisäerinsel und Irene in Das Herrenhaus repräsentieren den Kampf um individuelle Freiheit innerhalb einer erstickenden Gesellschaft. Galsworthy verwendet beide Figuren, um die sozialen und moralischen Engpässe ihrer Zeit zu kritisieren, wobei Clara eher als Symbol für den Aufbruch und die Rebellion steht, während Irene den langen und schmerzhaften Prozess der persönlichen Emanzipation durchlebt.

Vergleich mit Der Pachtvertrag (The Country House)

Ländliche Gesellschaft vs. städtische Oberschicht

Der Pachtvertrag konzentriert sich auf die ländliche Oberschicht und deren Interaktion mit der Natur und der lokalen Bevölkerung. Im Gegensatz dazu spielt Auf Englands Pharisäerinsel hauptsächlich in einem städtischen Kontext und untersucht die starren Normen der städtischen Oberschicht. Beide Werke thematisieren den Konflikt zwischen Tradition und Modernität, jedoch aus unterschiedlichen Perspektiven.

Umwelt und Natur

Der Pachtvertrag betont die Verbindung zwischen Mensch und Natur und die Auswirkungen der Besitzansprüche auf die Umwelt. In Auf Englands Pharisäerinsel ist die Natur weniger präsent, da der Fokus auf den menschlichen und sozialen Konflikten liegt. Trotzdem wird in beiden Werken deutlich, wie Galsworthy die Beziehung zwischen den Menschen und ihren Lebensumständen kritisch betrachtet.

Vergleich mit Der freie Weg (Fraternity)

Soziale Ungleichheit und moralische Fragen

Der freie Weg beschäftigt sich intensiv mit sozialer Ungleichheit und den Spannungen zwischen verschiedenen sozialen Schichten. Auf Englands Pharisäerinsel hingegen fokussiert sich auf die moralische Heuchelei der Oberschicht, bietet jedoch ebenfalls Einblicke in die sozialen Spannungen dieser Zeit. Beide Werke reflektieren Galsworthys Interesse an den sozialen Reformen und den ethischen Fragen, die sich aus der sozialen Ungerechtigkeit ergeben.

Moralische Komplexität

Während in Auf Englands Pharisäerinsel die Hauptfigur Clara gegen die moralischen Zwänge der Oberschicht kämpft, wird in Der freie Weg die gesamte Gesellschaft auf moralische und ethische Fragen untersucht. Galsworthy verwendet beide Werke, um die Leser zu ermutigen, die sozialen Normen und moralischen Prinzipien ihrer Zeit zu hinterfragen.

Über den Autor: John Galsworthy

John Galsworthy (1867-1933) war ein britischer Schriftsteller und Dramatiker, der für seine Werke über soziale und moralische Themen bekannt ist. Er wurde vor allem durch seine Romanreihe „Die Forsyte-Saga“ berühmt, die das Leben einer wohlhabenden englischen Familie im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert porträtiert. Galsworthy war ein Vorreiter des literarischen Realismus und setzte sich in seinen Werken kritisch mit den gesellschaftlichen Verhältnissen seiner Zeit auseinander. Seine Novelle „Auf Englands Pharisäerinsel“ ist ein Beispiel für sein scharfes soziales Bewusstsein und seine Fähigkeit, komplexe moralische Fragen zu behandeln.

Auf Englands Pharisäerinsel – Die häufigsten Fragen

1. Was ist das Hauptthema von „Auf Englands Pharisäerinsel“?

Das Hauptthema der Novelle ist die kritische Darstellung der moralischen und sozialen Heuchelei in der englischen Oberschicht zur Zeit der Edwardianischen Ära.

2. Wer sind die Hauptcharaktere in der Novelle?

Die Hauptcharaktere sind Clara, Mr. Conder, Mr. Balladyce und Mrs. Pendyce. Clara ist die Protagonistin, die mit den gesellschaftlichen Normen und Erwartungen kämpft, während die anderen Charaktere verschiedene Aspekte der englischen Oberschicht repräsentieren.

3. Wie wird die Sprache und der Stil in der Novelle beschrieben?

Die Sprache und der Stil in der Novelle sind prägnant und detailreich. John Galsworthy verwendet eine bildhafte Sprache, Dialoge und Symbolik, um die moralische Heuchelei und die gesellschaftlichen Zwänge zu verdeutlichen.

4. Welche Bedeutung hat die Handlung in Bezug auf die Edwardianische Ära?

Die Handlung reflektiert die sozialen und politischen Spannungen der Edwardianischen Ära, insbesondere die rigiden Klassenschranken und die wachsende Unzufriedenheit mit den gesellschaftlichen Normen und Erwartungen.

5. Was ist das Ende der Novelle und welche Bedeutung hat es?

Das Ende der Novelle zeigt Clara’s Entschluss, sich gegen die gesellschaftlichen Zwänge aufzulehnen und ein neues Leben in Freiheit zu beginnen. Dies symbolisiert den Wunsch nach individueller Selbstbestimmung und den Bruch mit den starren sozialen Strukturen.

Auf Englands Pharisäerinsel – Buch

John Galsworthy - Auf Englands PharisäerinselJohn Galsworthy.
Auf Englands Pharisäerinsel.
Übersetzt von Luise Wolf.
Originaltitel: The Island Pharisees, W. Heinemann, London 1904.
Durchgesehener Neusatz, diese Ausgabe folgt:
Anzengruber-Verlag / Brüder Suschitzky, Wien / Leipzig 1916.

EAN: 9783965423558
ISBN: 396542355X
Paperback.
LIWI Literatur- und Wissenschaftsverlag
Juli 2020 – 200 Seiten

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Verfasst von Thomas Löding, LIWI Blog, zuletzt aktualisiert am 02. Juni 2024