Die Welt von Gestern - Stefan Zweig

Die wunderlichen Nachbarskinder

„Zwei Nachbarskinder von bedeutenden Häusern, Knabe und Mädchen, in verhältnismäßigem Alter, um dereinst Gatten zu werden, ließ man in dieser angenehmen Aussicht miteinander aufwachsen, und die beiderseitigen Eltern freuten sich einer künftigen Verbindung. Doch man bemerkte gar bald, daß die Absicht zu mißlingen schien (…) .“

Die kurze Erzählung „Die wunderlichen Nachbarskinder“ erschien erstmals 1809 in Goethes Roman „Die Wahlverwandtschaften“ und wird von Marcel Reich-Ranicki zum „Kanon der deutschsprachigen Literatur“ gezählt.

„Die wunderlichen Nachbarskinder“ – Zusammenfassung

„Die wunderlichen Nachbarskinder“ ist eine Novelle von Johann Wolfgang von Goethe, die im Rahmen seines Romans „Die Wahlverwandtschaften“ von 1809 erschienen ist. Die Geschichte erzählt von zwei Kindern aus benachbarten adligen Familien, einem Jungen und einem Mädchen, die in der Erwartung aufwachsen, eines Tages heiraten zu werden. Ihre Eltern sehen in dieser Verbindung eine vielversprechende Zukunft. Jedoch entwickelt sich zwischen den Kindern, die sich in Charakter und Temperament sehr ähneln, ein tiefgehender Widerwille und Rivalität, anstatt der erhofften Zuneigung.

Schon in ihrer Kindheit zeigt sich dieser Widerwille in gemeinsamen Spielen und setzt sich mit zunehmendem Alter fort. Besonders deutlich wird diese Feindschaft, als das Mädchen bei einem Kriegsspiel die Führung übernimmt und gegen den Jungen kämpft, was in einer heftigen körperlichen Auseinandersetzung endet. Der Junge überwältigt sie schließlich, doch das Mädchen verzeiht ihm diesen Vorfall nie und hegt fortan einen Groll gegen ihn. Die Eltern, die die gefährliche Dynamik zwischen den beiden erkennen, entscheiden sich schließlich, die Kinder voneinander zu trennen und die Pläne einer Verbindung aufzugeben.

Als Jugendliche entwickeln sich die beiden sehr unterschiedlich. Der Junge wird zum Soldaten und findet Anerkennung und Erfolg in seinen Kreisen. Das Mädchen hingegen entfernt sich von den rauen Spielen ihrer Kindheit und wird eine junge Frau, die keinen Hass mehr empfindet, sondern sich nach tieferen emotionalen Bindungen sehnt. Sie wird von einem älteren, wohlhabenden Mann umworben, der in der Gesellschaft beliebt und angesehen ist. Diese neue Beziehung, die sich ohne Leidenschaft, aber mit viel Wohlwollen und gegenseitiger Achtung entwickelt, führt schließlich zur Verlobung. Doch die Rückkehr des einstigen Kindheitsfreundes und Rivalen bringt unerwartet alte Gefühle zum Vorschein, und sie beginnt, ihn in einem neuen Licht zu sehen. Die einstige Abneigung verwandelt sich in eine starke Anziehung.

Diese plötzliche Veränderung ihrer Gefühle führt zu einer tiefen inneren Krise. Während sie anfänglich glaubt, glücklich zu sein, erkennt sie durch die Rückkehr des Jungen, dass ihre Gefühle für ihren Verlobten vielleicht doch nicht so tief sind, wie sie dachte. Die Geschichte endet mit einem dramatischen Wendepunkt, als beide bei einer Bootsfahrt über Bord gehen und der Junge sie rettet. Diese Rettungsaktion und das darauf folgende gemeinsame Überleben in einer isolierten Hütte führen dazu, dass sie ihre Liebe zueinander erkennen und beschließen, zusammenzubleiben.

Goethes Novelle ist tiefgründig und erforscht die Komplexität menschlicher Beziehungen und Emotionen. Die Erzählung thematisiert, wie Vorherbestimmung und familiäre Erwartungen das Leben der Charaktere beeinflussen und wie wahre Emotionen letztendlich den vorhergezeichneten Pfaden entgegenwirken können. Die Geschichte ist ein klassisches Beispiel für Goethes Fähigkeit, die innere Welt seiner Charaktere zu erforschen und zu enthüllen, wie äußere Umstände und innere Leidenschaften das menschliche Schicksal formen.

„Die wunderlichen Nachbarskinder“ – Zitat

Über dem Lärm erwacht der alte Schiffsmeister, will das Ruder ergreifen, der jüngere es ihm übergeben, aber es ist keine Zeit, die Herrschaft zu wechseln: das Schiff strandet, und in eben dem Augenblick, die lästigsten Kleidungsstücke wegwerfend, stürzte er sich ins Wasser und schwamm der schönen Feindin nach.

„Die wunderlichen Nachbarskinder“ – Buch

Johann Wolfgang Goethe.
Die wunderlichen Nachbarskinder.
Novelle. Erstdruck in: „Die Wahlverwandtschaften“, 2 Bde., Cotta’sche Verlagsbuchhandlung, Tübingen 1809.
Neuausgabe, Göttingen 2019.
LIWI Literatur- und Wissenschaftsverlag

ISBN: 3965421247
EAN: 9783965421240
Paperback.  24 Seiten

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Verfasst von Thomas Löding, LIWI Blog, zuletzt aktualisiert am 15. Juni 2024