Innere Emigration, Minimalismus, Natur, nature writing

Die Jeromin-Kinder

»Die meisten von uns«, sagte Jakob Jeromin zu seinem Sohn, »bleiben wie Fallholz, das der Sturm und Schnee von den Bäumen brachen. Sie liegen, wo sie gefallen sind, und werden wieder zu Erde. Die Armen haben keine Flügel. Und einige sind wie der Rauch, der aus dem Meiler steigt. Die Menschen sehen ihnen nach, aber der Wind verweht sie. Aber einige sind wie das Holz, das dort unter der Erde glüht. Sie werden Kohle, und sie bewegen die Welt.«
(Zitat S. 9 in diesem Buch)

Mit wundervoller Sprache erzählt Ernst Wiechert die Geschichte des Jons Jeromin, welcher als erster Einwohner das abgelegene Walddorf Sowirog verlässt, um eine höhere Schule und später auch die Universität zu besuchen. Ebenso eindringlich wie poetisch beschreibt Wiechert, wie den Jungen die einfachen Weisheiten der Dorfbewohner, seines Großvaters und Vaters, in der Kindheit geprägt haben. »Nur der Großvater konnte noch so sprechen, aber bei ihm wußte man nicht, ob er nicht im Traume spreche, denn seine Augen waren oft geschlossen, und seine Worte fielen so langsam wie die Nebeltropfen vom Ahorn im Herbst.«

Jons Jeromin entscheidet sich schließlich gegen eine wohlbezahlte Karriere als Mediziner in der Stadt und kehrt in seine ostpreußische Heimat zurück, um für die Menschen als Armenarzt zu arbeiten. Denn: »(…) nur wer die Herzen bewegt, bewegt die Welt.«
Hier liegt das 1945 erstmals erschienene Werk in einer Taschenbuchausgabe vor. Vollständige Neuausgabe beider Teile in einem Band. LIWI Verlag, Göttingen 2022.

Ernst Wiechert.
Die Jeromin-Kinder.
Roman.
Erstdruck: Zinnen-Verlag Desch, München 1945.
Durchgesehener Neusatz, der Text dieser Ausgabe folgt der zweibändigen Ausgabe
in Band 3 und 4 der Gesammelten Werke; Langen-Müller Verlag, München 1980.
LIWI Literatur- und Wissenschaftsverlag

Buch-ISBN: 9783965425699

Ernst Wiechert – Biographie & wichtige Werke

Ernst Wiechert um 1949
Copyright: Internationale Ernst – Wiechert – Gesellschaft e.V., ErnstWiechert, CC BY-SA 3.0 DE

Ernst Wiechert wurde am 18. Mai 1887 in Kleinort, Ostpreußen, geboren und starb am 24. August 1950 in Stäfa, Schweiz. Er war ein deutscher Schriftsteller und bedeutender Vertreter der Inneren Emigration während der Zeit des Nationalsozialismus. Wiecherts Werke zeichnen sich durch eine tiefgründige Auseinandersetzung mit der Natur, der menschlichen Seele und moralischen Fragen aus.

Frühes Leben und Bildung

Ernst Wiechert wuchs in einer Försterfamilie auf, was seine tiefe Verbundenheit mit der Natur prägte. Er besuchte das Gymnasium in Königsberg und studierte anschließend Germanistik und Philosophie an der Universität Königsberg. Seine frühen Erlebnisse und die ostpreußische Landschaft beeinflussten nachhaltig seine literarische Arbeit.

Literarische Karriere

Seine Karriere als Schriftsteller begann Wiechert mit lyrischen und erzählerischen Werken. Sein erster Gedichtband erschien 1911. Im Ersten Weltkrieg diente er als Offizier und wurde mehrfach verwundet. Die Kriegserfahrungen und ihre Auswirkungen auf die menschliche Psyche wurden zu zentralen Themen in seinen späteren Werken.

Nach dem Krieg arbeitete Wiechert als Lehrer und widmete sich intensiv dem Schreiben. Seine Romane und Erzählungen fanden schnell ein breites Publikum und machten ihn zu einem der bekanntesten Autoren seiner Zeit.

Zeit des Nationalsozialismus und Innere Emigration

Während der Zeit des Nationalsozialismus zog sich Wiechert innerlich zurück und schrieb Werke, die sich kritisch mit der politischen Situation auseinandersetzten, ohne offen oppositionell zu sein. Er wurde 1938 von der Gestapo verhaftet und ins KZ Buchenwald gebracht, weil er gegen das NS-Regime gesprochen hatte. Nach seiner Freilassung im selben Jahr zog er sich noch weiter zurück und lebte bis zum Ende des Krieges in Bayern.

Späteres Leben und Tod

Nach dem Zweiten Weltkrieg zog Ernst Wiechert in die Schweiz, wo er bis zu seinem Tod 1950 lebte. Seine späten Werke widmen sich weiterhin den Themen Natur, Menschlichkeit und moralische Fragen. Wiechert wurde für seine literarischen Beiträge mehrfach ausgezeichnet und bleibt eine bedeutende Figur der deutschen Literaturgeschichte.

Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel über seinen 60. Geburtstag 1947

„Man feierte den Dichter, dessen Weg in dem masurischen Forsthaus Kleinort, in der Einsamkeit ostpreußischer Wälder begann, als einen der ‚wesentlichsten Rufer gegen die drohende Entseelung des Menschengeschlechts‘. Man feierte ihn als ‚starken und tiefen dichterischen Geist‘, einen ‚Epiker von eminentem Naturgefühl‘ und ‚erlebnishafter dichterischer Darstellung‘, als einen ‚Gottsucher von Ernst und Leidenschaft‘. […] Und erinnerte daran, ein wie großer Trost für viele der Dichter war, der, unter Gestapobewachung stehend, seine Manuskripte im Garten vergraben mußte. […] Auch jenes Interview wurde erwähnt, in dem er 1947 schwedischen Journalisten gesagt hatte, er habe den Glauben an die Zukunft des deutschen Volkes verloren. […] In Erinnerungen und Würdigungen, Gedichten und Grüßen bekennen sich hier Dichter und Gelehrte, bekannte und unbekannte Menschen, Jugend und Alter zu Ernst Wiechert. Ricarda Huch, Johannes R. Becher, Hermann Hesse, Otto Flake, Max Picard, Werner Bergengruen, Eduard Spranger, Reinhold Schneider, Hans Carossa und Kasimir Edschmid sind unter ihnen. […] Sie grüßen in ihm den Menschen und Dichter, sie sind ihm dankbar für das, was sie von ihm empfingen und empfangen.“

Zitat aus: Der Spiegel v. 24. Mai 1947

Wichtige Werke von Ernst Wiechert

Das einfache Leben (1939)

Dieser Roman erzählt die Geschichte eines Mannes, der nach persönlichen und beruflichen Enttäuschungen ein einfaches und naturnahes Leben auf dem Land sucht. Das einfache Leben ist ein Plädoyer für die Rückkehr zu natürlichen und einfachen Lebensweisen als Antwort auf die Komplexität und Hektik der modernen Welt.

Der Totenwald (1939)

In Der Totenwald verarbeitet Wiechert seine Erlebnisse im KZ Buchenwald. Das Buch ist ein bewegendes Zeugnis des Leidens und der Grausamkeit des NS-Regimes, aber auch ein Appell für Menschlichkeit und Widerstand. Der Titel steht symbolisch für die Schrecken des Krieges und die Dunkelheit, die über Deutschland lag.

Die Jeromin-Kinder (1945)

Dieser Roman erzählt die Geschichte einer Familie in Ostpreußen und ihre Erlebnisse während der beiden Weltkriege. Die Jeromin-Kinder beleuchtet das Schicksal der Menschen in dieser Zeit und den Verlust ihrer Heimat. Es ist ein umfassendes Werk, das die Zerrissenheit und den Schmerz einer ganzen Generation darstellt.

Missa sine nomine (1950)

Missa sine nomine ist ein tiefgründiger Roman, der das Schicksal von Menschen in einer kleinen Stadt während und nach dem Zweiten Weltkrieg schildert. Der Titel, der übersetzt „Messe ohne Namen“ bedeutet, verweist auf das universelle Leid und die namenlosen Opfer des Krieges. Wiechert verwendet religiöse Motive, um die Suche nach Erlösung und Vergebung darzustellen.

Wälder und Menschen (1936)

In Wälder und Menschen beschreibt Wiechert seine innige Beziehung zur Natur und insbesondere zu den Wäldern seiner Heimat. Das Werk ist eine Sammlung von Essays und Reflexionen, die die Schönheit und den Frieden der Natur feiern und ihre Bedeutung für das menschliche Leben und die Seele betonen.

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Verfasst von Thomas Löding, LIWI Blog, zuletzt aktualisiert am 18. Mai 2024