Die Geschichte meines Zeitgenossen
Korolenko ist eben seiner Abstammung nach Pole, Ukrainer und Russe zugleich, und schon als Kind mußte er dem Ansturm der drei »Nationalismen« stand halten, von denen jeder ihm zumutete, »irgend jemanden zu hassen und zu verfolgen«. An der gesunden Menschlichkeit des Knaben scheiterten frühzeitig alle derartigen Versuchungen. (…) Und die brutalen Methoden der offiziellen Russifizierungspolitik gegenüber den unterdrückten Polen wie (…) in der Ukraine waren eine wirksame Warnung vor dem russischen Chauvinismus für ihn, (…) der stets instinktiv zu den Schwachen und Bedrückten, nicht zu den Starken und Triumphierenden sich hingezogen fühlte. Aus dem Widerstreit der drei Nationalitäten, dessen Feld seine wolhynische Heimat war, rettete er sich in die Humanität.
(Aus der Einleitung von Rosa Luxemburg, S. 16 in diesem Buch)
Wladimir Korolenko – Über den Autor
Wladimir Korolenko wurde 1853 in Schytomyr, nördlich von Kiew in der heutigen Ukraine, geboren. Aus seiner polnischen, ukrainischen und russischen Identität heraus sah er keine Zukunft im Widerstreit der Nationalismen. Vielmehr gründete er auf einem unerschüttlichen Humanismus seine Leidenschaft und sein Engagement für die Benachteiligten wie die unterdrückten Bauern seiner Heimat. Für großes Aufsehen sorgte er beispielsweise, als er die Hungersnot der Jahre 1891-1892 bekannt machte und daraufhin zunehmend große Popularität genoß, welche auch den zaristischen Machthabern nicht verborgen blieb. Mehrfach verhaftet und nach Sibiririen verbannt kehrte er später in seine Heimat zurück und starb 1921 in der zentralukrainischen Stadt Poltawa.
Sein wichtigstes Werk, „Die Geschichte meines Zeitgenossen“, erschien in der hier vorliegenden Übersetzung von Rosa Luxemburg zuerst in zwei Bänden im Jahr 1919. Aus Anlass der russischen Invasion in die Ukraine 2022 wird seine humanistische Lebensbeschreibung in dieser Ausgabe mit beiden Teilen in einem Band frisch aufgelegt.
Frühes Leben und Bildung
Korolenko wuchs als eines von fünf Kindern eines Landrichters auf. Nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1870 zog die Familie nach Riwne, und der junge Korolenko begann, seine akademische Laufbahn zu verfolgen. Trotz der finanziellen Schwierigkeiten der Familie schloss er die Schule mit Auszeichnung ab. Er zog nach Sankt Petersburg, um an der Technischen Hochschule zu studieren, wechselte jedoch bald an die Akademie für Land- und Forstwirtschaft in Moskau.
Politische Aktivitäten und Verbannung
Während seines Studiums engagierte sich Korolenko in revolutionären Bewegungen. Seine politische Aktivität führte 1876 zu seiner Zwangsexmatrikulation und schließlich zur Festnahme und Verbannung nach Kronstadt. Nach seiner Freilassung 1877 zog er nach Sankt Petersburg, wo er begann, ernsthaft zu schreiben. Eine erneute Verhaftung 1879 führte zu einer sechsjährigen Verbannung nach Sibirien, einem Wendepunkt in seinem Leben, der seine späteren Werke stark beeinflussen sollte.
Literarische Karriere
Nach seiner Rückkehr nach Europa im Jahr 1885 ließ sich Korolenko in Nischni Nowgorod nieder. Dort begann er, Erzählungen für verschiedene Zeitschriften zu schreiben, darunter Der Traum Makars und Ohne Sprache, die seine Fähigkeit zeigen, tiefes Mitgefühl für seine Charaktere zu entwickeln. Seine Werke zeichnen sich durch eine tiefe menschliche Empathie und eine klare Kritik an sozialer Ungerechtigkeit aus. Korolenko freundete sich mit anderen russischen literarischen Größen wie Leo Tolstoi und Maxim Gorki an, was seine Perspektiven weiter prägte.
Engagement für die Gesellschaft
Während der Hungersnot 1892 engagierte sich Korolenko stark für die armen Bauern, und viele seiner Erzählungen aus dieser Zeit beleuchten deren schwierigen Alltag. Als Redakteur der Zeitschrift Russkoje Bogatstwo, die den Narodniki nahestand, setzte er sich weiterhin für soziale Veränderungen ein und kritisierte offen die Regierungspolitik.
Späte Jahre und Vermächtnis
Nach der Oktoberrevolution 1917 blieb Korolenko in Poltawa, wo er sich weiterhin wohltätig engagierte und versuchte, zwischen den Bürgerkriegsparteien zu vermitteln. Er starb am 25. Dezember 1921 an einer Lungenentzündung. Korolenko hinterließ ein bedeutendes literarisches Erbe, darunter seine autobiografische Geschichte Die Geschichte meines Zeitgenossen, die posthum vollständig veröffentlicht wurde.
Gedenken
Korolenkos Leben und Werk sind in mehreren Museen verewigt, darunter sein Sommerhaus in Gelendschik und ein weiteres Museum in Nischni Nowgorod. Sein Einfluss auf die russische und ukrainische Literatur bleibt bedeutend, und sein Engagement für soziale Gerechtigkeit und sein literarischer Stil werden weiterhin hoch geschätzt.
Die Geschichte meines Zeitgenossen – Buch
Wladimir Korolenko.
Die Geschichte meines Zeitgenossen.
Erstdruck des russischsprachigen Originals unter dem Titel:
История моего современника (Istorija moego sovremennika).
Aus dem Russischen übersetzt und mit einer Einleitung versehen von Rosa Luxemburg
Vollständige Neuausgabe: Beide Teile in einem Band.
Erstdruck dieser Übersetzung: Paul Cassirer, 2 Bände, Berlin 1919.
Durchgesehener Neusatz, der Text dieser Ausgabe folgt dem Erstdruck.
Buch-ISBN: 9783965425613
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Verfasst von Thomas Löding, LIWI Blog, zuletzt aktualisiert am 15. Juni 2024