Buchmendel
„Gewaltsam streckte und stieß ich alle meine Sinne vor in den Raum und gleichzeitig in mich hinein – und doch, verdammt, ich konnte sie nicht erreichen, diese verschollene, in mir selbst ertrunkene Erinnerung.“
„Buchmendel“ erschien erstmals in drei Teilen in der Neuen Freien Presse, Wien, 1. bis 3. November 1929. Der Erstdruck als Buch erfolgte in: Stefan Zweig. Vier Erzählungen. Insel-Verlag, Leipzig 1929.
Hier in einer ungekürzten Neuausgabe, LIWI Verlag, Göttingen 2019.
LIWI Literatur- und Wissenschaftsverlag
EAN: 9783965421660
Buchmendel – Übersicht: Das Wichtigste in Kürze
- Autor: Stefan Zweig
- Gattung: Novelle
- Veröffentlichung: 1929
- Epoche: Moderne
- Wichtige Figuren: Jakob Mendel, der Erzähler, Florian Gurtner
- Inhalt in einem Satz: Buchmendel erzählt die tragische Geschichte von Jakob Mendel, einem genialen Buchhändler in Wien, dessen Leben durch den Ersten Weltkrieg und die darauffolgenden gesellschaftlichen Veränderungen zerstört wird.
Stefan Zweig – Ein Europäer von Welt (2015)
Buchmendel – Zusammenfassung
„Buchmendel“ ist eine Novelle von Stefan Zweig, die 1929 veröffentlicht wurde. Die Geschichte handelt von Jakob Mendel, einem außergewöhnlichen Buchhändler, der durch seine immense Kenntnis von Büchern bekannt wurde. Die Novelle untersucht die Tragödie seines Lebens, seine isolierte Existenz und die verheerenden Auswirkungen des Ersten Weltkriegs auf sein Leben.
Handlung
Die Erzählung beginnt mit einem Erzähler, der sich vor einem Regenschauer in das Café Gluck in der Wiener „obern Alserstraße“ flüchtet. Zwanzig Jahre zuvor hatte er diesen Ort als junger Mann aufgesucht, um Literatur über Mesmers „Magnetismus“ zu finden. Damals wurde er von einem Freund mit Jakob Mendel bekannt gemacht, der auch als „Buchmendel“ bekannt war. Mendel hatte seinen festen Platz an einem „mit Notizen überschmierten Marmortisch“ im Café, wo er jahrelang saß und seine Kunden bediente.
- Jakob Mendels Herkunft und Beruf: Mendel kam 1882 nach Wien, ursprünglich mit dem Wunsch, Rabbiner zu werden. Stattdessen wurde er zu einer lebenden Enzyklopädie der Bücher, das „Miraculum mundi“ aller Literatur. Er kannte nicht den Inhalt der Bücher, sondern deren antiquarische Daten und konnte Anfragen nach seltenen Werken sofort beantworten. Zu seinen Kunden zählten bedeutende Persönlichkeiten wie Buchhändler aus Paris und Sammler wie der Graf Schönberg und der Theologe Siegenfeld.
- Mendels Schicksal während des Krieges: Der Erzähler erfährt, dass Mendel durch den Krieg aus seinem gewohnten Leben gerissen wurde. Im Jahr 1915, während des Ersten Weltkriegs, wurden zwei Postkarten, die er ins Feindesland geschickt hatte, vom militärischen Zensuramt abgefangen. Mendel, der in seinen Studien vertieft war und keine Zeitungen las, war sich der politischen Situation nicht bewusst und gab im Verhör an, russischer Herkunft zu sein. Daraufhin wurde er als Feind in ein Konzentrationslager für russische Zivilgefangene bei Komorn gebracht.
- Rückkehr und Tod: Nach zwei Jahren Haft kehrte Mendel als gebrochener Mann nach Wien zurück. Seine ehemaligen Kunden hatten sich für seine Freilassung eingesetzt. Doch er konnte seine frühere Tätigkeit nicht wieder aufnehmen. Der neue Besitzer des Cafés, Florian Gurtner, warf ihn wegen angeblichen Mundraubs hinaus. Mendel starb kurz darauf in seiner ärmlichen Mansarde an einer Lungenentzündung.
Die Toilettenfrau des Cafés, die einzige verbliebene Augenzeugin, erzählt dem Erzähler von Mendels tragischem Ende. Als Mendel aus dem Café geworfen wurde, hatte er ein Buch auf seinem Marmortisch liegenlassen – Hugo Hayns „Bibliotheca Germanorum, erotica & curiosa“. Die Toilettenfrau zeigt das Buch dem Erzähler, der beschämt ist und es ihr zurückgibt, bevor er das Café verlässt.
Analyse
„Buchmendel“ ist eine ergreifende Novelle, die die Vergänglichkeit des Wissens und die Tragik des menschlichen Lebens in den Vordergrund stellt. Zweig porträtiert Jakob Mendel als eine tragische Figur, deren Leben und Leidenschaft für Bücher durch die Brutalität des Krieges zerstört werden. Die Novelle beleuchtet die Einsamkeit und die Isolation, die Mendel trotz seines umfangreichen Wissens und seiner Fähigkeiten erleidet.
Die Geschichte ist auch eine Kritik an der gesellschaftlichen Ignoranz und Gleichgültigkeit gegenüber solchen außergewöhnlichen Individuen. Mendels Schicksal zeigt, wie leicht menschliches Wissen und kulturelles Erbe im Strudel der politischen und sozialen Umwälzungen verloren gehen können.
Buchmendel – Buch
„Buchmendel“ erschien erstmals in drei Teilen in der Neuen Freien Presse, Wien, 1. bis 3. November 1929. Der Erstdruck als Buch erfolgte in: Stefan Zweig. Vier Erzählungen. Insel-Verlag, Leipzig 1929.
Hier in einer ungekürzten Neuausgabe, LIWI Verlag, Göttingen 2019.
LIWI Literatur- und Wissenschaftsverlag
EAN: 9783965421660
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Verfasst von Thomas Löding, LIWI Blog, zuletzt aktualisiert am 15. Juni 2024