Die Welt von Gestern - Stefan Zweig

Ich sehe dich in tausend Bildern – Geistliche Lieder

„Ich sehe dich in tausend Bildern,
Maria, lieblich ausgedrückt,
Doch keins von allen kann dich schildern,
Wie meine Seele dich erblickt.

Ich weiß nur, daß der Welt Getümmel
Seitdem mir wie ein Traum verweht,
Und ein unnennbar süßer Himmel
Mir ewig im Gemüte steht.“

(Zitat S. 31 in diesem Buch – Geistliches Lied Nr. XV)

Geistliche Lieder – Novalis

Ein Buch mit klassischen geistlichen Liedern ist das Achtliederbuch von 1523

Geistliche Lieder ist eine Sammlung von Gedichten, die Friedrich von Hardenberg, besser bekannt als Novalis, verfasst hat. Diese Sammlung wurde 1802 postum veröffentlicht und hat seither eine bedeutende Rolle in der Literaturgeschichte gespielt.

Das Werk

Die Bezeichnung „Lieder“ in diesem Kontext bezieht sich auf den geistlichen Ton, der die Gedichte durchdringt. Novalis selbst hat keine Melodien zu seinen Gedichten komponiert. Die fünfzehn Lieder, die in dieser Sammlung enthalten sind, wurden nicht von Novalis als eine geschlossene Einheit konzipiert, sondern später von Herausgebern unter diesem Titel zusammengefasst. Die Entstehung der Lieder erstreckt sich von Herbst 1799 bis August 1800, parallel zur Arbeit an den „Hymnen an die Nacht“ und dem Roman „Heinrich von Ofterdingen“. Die Gedichte X, XIV und XV waren ursprünglich für eine Fortsetzung des „Ofterdingen“ vorgesehen.

Der Hintergrund für die Entstehung dieser Gedichte war die protestantische Gesangbuchreform Ende des 18. Jahrhunderts. Novalis strebte danach, mehr Lebendigkeit, Innigkeit und Mystik in die Kirchenlieder zu bringen, und lehnte die didaktischen und dogmatischen Elemente der traditionellen Kirchenlieder ab. Er wollte den religiösen Sinn der Menschen ansprechen und vertiefen, indem er ihre Herzen berührte. Seine Lieder sollten der Gemeinde helfen, sich zu sammeln und ihren Glauben zu intensivieren. Daher bemühte er sich um einen einfachen, stillen und metaphernarmen Ton.

Ein bemerkenswertes Gedicht dieser Sammlung ist das siebte Lied, betitelt „Hymne“. Es hebt sich in seiner zeitlichen, formalen und inhaltlichen Gestaltung von den anderen Liedern ab und steht dem Stil der „Hymnen an die Nacht“ nahe. Dieses Gedicht entstand vermutlich schon 1798 und behandelt das Mysterium des Abendmahls, dargestellt als Hochzeit zwischen Himmel und Erde. Novalis beschreibt die Verbindung von physischem Körper und mystischem Geist-Leib und thematisiert die Annäherung des Menschen an Gott durch das Verzehren des göttlichen Geistes in Form des Brotes.

Einige der geistlichen Lieder von Novalis wurden in verschiedene protestantische Gesangbücher des 19. Jahrhunderts aufgenommen, insbesondere die Lieder I, V, VI und IX. Allerdings wurden diese Lieder bei ihrer Aufnahme stark verändert, wobei die für Novalis typischen Elemente oft gestrichen und pietistische Elemente beibehalten wurden. Diese Veränderungen zeigen, dass Novalis‘ frühromantische Dichtungen nicht einfach mit den traditionellen Vorstellungen von Kirchenliedern vereinbar waren.

Novalis‘ Gedichte formulieren die Vorstellung einer höheren Welt, eines wiedergekehrten goldenen Zeitalters, religiös. Christus wird als Bringer dieses goldenen Zeitalters dargestellt, da sein Tod neues Leben bedeutet. Das romantische Triadenmodell, typisch für Novalis, findet sich auch in diesem Werk, wobei sowohl Christus als auch Maria als Mittler zwischen Mensch und Göttlichem fungieren.

Der Ton der Lieder ist kindlich, schlicht und vertrauensvoll, und das Verhältnis zu Christus wird als innig und freundschaftlich dargestellt. Trotz der scheinbaren Einfachheit zeigen Novalis‘ Notizen zu dieser Zeit eine tiefgehende intellektuelle Auseinandersetzung mit den Themen seiner Lieder. Er machte zahlreiche Notizen, die oft als „unfromm“ bezeichnet werden könnten, wie etwa Überlegungen zur Verbindung von Wollust, Religion und Grausamkeit oder zur Zeugung Jesu durch einen römischen Soldaten. Diese Notizen verdeutlichen, dass Novalis auch im religiösen Bereich gestaltend tätig sein wollte und nicht bereit war, bloße Überlieferungen hinzunehmen.

Im Laufe des 19. Jahrhunderts drifteten sakrale und profane Dichtung immer weiter auseinander, und Dichter eines Bereichs erhielten wenig Anerkennung im anderen. Novalis war einer der letzten großen Dichter, dessen Werke in kirchliche Gesangbücher aufgenommen wurden. Heute findet sich jedoch keines seiner Werke mehr im aktuellen protestantischen Gesangbuch.

Novalis wurde am 2. Mai 1772 geboren und starb am 25. März 1801. Aus Anlass des Novalis-Jubiläums (250. Geburtstag des Dichters am 2. Mai 2022) liegt die Sammlung der „Geistlichen Lieder“ hier in einer Taschenbuch-Neuausgabe vor.

Novalis.
Ich sehe dich in tausend Bildern – Geistliche Lieder.
Erstdruck (nur Nr. I – Nr. VII) in: Musenalmanach auf das Jahr 1802, Cotta, Tübingen, 1801;
Erstdruck (vollständig Nr. I – Nr. XV) in: Schriften, hg. v. F. Schlegel und L. Tieck, Realschulbuchhandlung, Berlin 1802.
Durchgesehener Neusatz, der Text dieser Ausgabe folgt: Reclam Verlag, Stuttgart 1997.

Neuausgabe, LIWI Verlag, Göttingen 2022.

Buch-ISBN: 9783965425514

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Verfasst von Thomas Löding, LIWI Blog, zuletzt aktualisiert am 15. Juni 2024