Die Nächte der Tino von Bagdad
„Ein blauer Schwan war es, auf dem ich gleitete – – eine Wunderblume war mein süßes blaues Gemach – – hei, eine Tänzerin … immer in seidenen blauen Schritten … zauberleise … und mit der Sonne hat es hellen Schattenschein getanzt und blaue Träume um die Sterne geschlungen, und hast du schon einmal ein Gemach gesehn, das blaue Haare hatte, Senna Pascha? Oh, ein Kuß war mein blaues Gemach und ich sterbe an diesem blauen, blauen Kuß.“
Zitat aus: Die Nächte der Tino von Bagdad.
Die Nächte der Tino von Bagdad – Zusammenfassung
Die Nächte der Tino von Bagdad ist ein Werk der deutschen Expressionistin Else Lasker-Schüler, das erstmals 1907 veröffentlicht wurde. Es handelt sich um eine Sammlung von kurzen Prosastücken, die in einem lyrisch-phantastischen Stil geschrieben sind und ein reiches orientalisches Panorama entfalten. Diese Geschichten verweben Elemente der orientalischen Kultur, Mythen und persönliche Phantasien zu einer poetischen Erzählung, die von der Ich-Erzählerin Tino, selbsternannte „Dichterin Arabiens“, vorgetragen wird.
Inhalt und Struktur
Die Sammlung besteht aus neunzehn Episoden, die durchweg kurz sind und eine atmosphärische, oft traumähnliche Qualität haben. Jede Episode enthüllt Aspekte von Tinos Leben und ihrer Umgebung, oft mit einem Hauch von Surrealismus und Magischer Realität.
- Ich tanze in der Moschee: Die Eröffnungsepisode stellt Tino vor, eine steinalte Mumie, die zum Leben erwacht ist und in einer Moschee am Nil tanzt. Dies symbolisiert eine Wiedergeburt oder Erneuerung, die zentrale Themen des gesamten Textes sind.
- Das blaue Gemach: Tino wird als Teil der königlichen Elite dargestellt, umgeben von Sklavinnen und unterhalten durch den Khedive mit Festen. Die wiederkehrende Farbe Blau symbolisiert hier möglicherweise das Göttliche und Erhabene.
- Plumm Pascha: In dieser Geschichte wird Tinos Sohn Pull erwähnt, der in einer bevorzugten Position bei einem ägyptischen Fürsten lebt. Tino selbst wird ironischerweise als eine von vielen Ehefrauen des Paschas enden.
- Ached Bey: Dieses Kapitel zeigt eine düstere Seite von Bagdad, wo Blutvergießen und Machtmissbrauch herrschen. Tino tanzt durch die Stadt, während im Hintergrund politische und soziale Unruhen schwelen.
- Der Tempel Jehovah: Tino errichtet einen Tempel aus Licht, was ihre spirituelle und kreative Kraft unterstreicht.
- Minn, der Sohn des Sultans von Marokko: Eine Episode, die die Grausamkeit und die strengen sozialen Regeln am Hofe des Sultans von Marokko thematisiert, wo Tino wegen eines skandalösen Tanzes mit ihrem Cousin Minn in Konflikt gerät.
- Der Fakir von Theben: Eine besonders düstere Geschichte, in der ein Fakir Frauen verflucht, was Tino zutiefst ablehnt, doch sie kann seine Macht nicht brechen.
- Der Khedive: Hier wird Tino als Favoritin des Khedive von Kairo erhoben, eine Position, die ihre temporäre Macht und ihren Einfluss verdeutlicht.
- Mein Liebesbrief, Der Magier: Diese Geschichten offenbaren Tinos romantische und emotionale Seiten sowie ihre Fähigkeit, über den Tod hinaus zu lieben und zu wirken.
Die weiteren Geschichten, darunter die Beziehung zu Apollydes und die verschiedenen tragischen und magischen Begegnungen, bauen auf dieser komplexen Welt auf, in der Tino sich bewegt.
Themen und Motive
Das Werk behandelt Themen wie Liebe, Macht, Tod und Wiedergeburt. Es erforscht die Rolle der Frau in einer von Männern dominierten Gesellschaft und stellt Tino oft als eine herausfordernde und komplexe Figur dar, die gegen traditionelle Rollen und Erwartungen ankämpft. Die orientalische Ästhetik dient nicht nur als malerischer Hintergrund, sondern auch als Medium für kulturelle und philosophische Erkundungen.
Stilistische Merkmale
Lasker-Schüler verwendet eine Sprache, die reich an Metaphern und Symbolik ist. Ihre Erzähltechnik verbindet Elemente der Poesie mit denen der Prosa, was dem Text eine rhythmische und beinahe hypnotische Qualität verleiht. Die Geschichten sind oft fragmentarisch und dreamartig, was dem Leser viel Raum für Interpretation und persönliche Reflexion lässt.
Die Nächte der Tino von Bagdad -Else Lasker-Schüler
Else Lasker-Schüler, geboren am 11. Februar 1869 in Elberfeld, heute ein Stadtteil von Wuppertal, gilt als eine der bedeutendsten deutschen Dichterinnen und ist eine Schlüsselfigur der literarischen Avantgarde und des Expressionismus. Ihre Werke, darunter Der siebente Tag und Meine Wunder, sind tiefgründig und innovativ und spiegeln ihre komplexe Persönlichkeit und ihr bewegtes Leben wider.
Frühes Leben und Ausbildung
Else wurde als Elisabeth Schüler in eine wohlhabende jüdische Familie geboren. Ihr Vater war ein angesehener Privatbankier, der später als Inspiration für das Drama Die Wupper diente. Ihre Kindheit war geprägt von kulturellem Reichtum und früher literarischer Förderung; sie konnte bereits mit vier Jahren lesen und schreiben. Nach dem Tod ihres Lieblingsbruders Paul und später ihrer Mutter erlebte Else eine tiefe emotionale Erschütterung, die ihr weiteres Leben und Schaffen beeinflusste.
Künstlerische Anfänge und erste Ehen
1894 heiratete Else den Arzt Berthold Lasker und zog mit ihm nach Berlin, wo sie in die künstlerischen Kreise der Stadt eingeführt wurde. Diese Phase war der Beginn ihrer ernsthaften Beschäftigung mit der Poesie. Ihr erster Gedichtband, Styx, erschien 1902. Die Ehe mit Lasker wurde jedoch 1903 geschieden, und im selben Jahr heiratete sie den Kunstredakteur und späteren Gründer der avantgardistischen Zeitschrift Der Sturm, Herwarth Walden, der eine zentrale Figur in ihrem Leben und ihrer Karriere wurde.
Literarische Karriere
Else Lasker-Schüler etablierte sich schnell als eine führende Stimme des Expressionismus. Ihre Gedichte und Prosawerke zeichnen sich durch ihre intensive emotionale Ausdruckskraft und ihren innovativen Stil aus. Werke wie Die Nächte der Tino von Bagdad und Der Malik zeigen ihre Fähigkeit, lyrische und dramatische Elemente zu verschmelzen und tiefgründige, oft mystische Themen zu erkunden. Ihre Texte behandeln häufig Themen wie Identität, Exil, und die Suche nach geistiger und künstlerischer Heimat.
Emigration und Exil
Die Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland und der frühe Tod ihres Sohnes Paul aus ihrer ersten Ehe waren schwere Schläge für Lasker-Schüler. 1933 emigrierte sie in die Schweiz und später nach Jerusalem. Ihre letzten Jahre waren von finanziellen Schwierigkeiten und Isolation geprägt, obwohl sie weiterhin kreativ tätig blieb. In Jerusalem schrieb sie ihre letzten Gedichte, die in der Sammlung Mein blaues Klavier veröffentlicht wurden. Dieses Werk reflektiert die tiefen Verluste und die Einsamkeit ihres Exils.
Tod und Nachwirkung
Else Lasker-Schüler starb am 22. Januar 1945 in Jerusalem. Sie hinterließ ein Werk, das für seine lyrische Intensität, seine innovative Form und seine tiefgreifende emotionale und kulturelle Einsicht geschätzt wird. Ihre Gedichte und Prosatexte bleiben ein wesentlicher Teil der deutschen Literatur und haben die Grenzen der poetischen Form und des Ausdrucks erweitert. Ihr Leben und Werk sind ein Zeugnis des künstlerischen Mutes und der Resilienz gegenüber den Widrigkeiten des Exils und der Verfolgung.
Die Nächte der Tino von Bagdad – Buch
Else Lasker-Schüler.
Die Nächte der Tino von Bagdad.
Erstdruck unter dem Titel „Die Nächte Tino von Bagdads“, Juncker Verlag, Berlin 1907.
Durchgesehener Neusatz, der Text dieser Ausgabe folgt:
Else Lasker-Schüler: Die Nächte der Tino von Bagdad; in:
Der Prinz von Theben und andere Prosa, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1986
Neuausgabe, LIWI Verlag, Göttingen 2020.
EAN: 9783965423862
ISBN: 396542386X
Paperback.
LIWI Literatur- und Wissenschaftsverlag
Oktober 2020 – 44 Seiten
Weitere Werke der Autorin
- Else Lasker-Schüler – Arthur Aronymus und seine Väter
- Else Lasker Schüler – Das Hebräerland
- Else Lasker-Schüler – Der Malik
- Else Lasker-Schüler – Der Prinz von Theben
- Else Lasker-Schüler – Die Nächte der Tino von Bagdad
- Else Lasker-Schüler – Konzert
- Die besten Bücher von Else Lasker-Schüler
Weitere Bücherlisten
Verfasst von Thomas Löding, LIWI Blog, zuletzt aktualisiert am 10. Mai 2024