Else Lasker-Schüler - Arthur Aronymus und seine Väter

Arthur Aronymus und seine Väter

„…selig die, welche ihr Leben hängen an kindliche Freuden“

Zitat aus: Arthur Aronymus und seine Väter.

„(…)eine der schönsten Kinderfiguren in der deutschen Literatur (…)“

Zitat von Sigrid Bauschinger

Arthur Aronymus und seine Väter – Zusammenfassung

Arthur Aronymus und seine Väter ist ein tiefgründiges Schauspiel von Else Lasker-Schüler, das eindrucksvoll familiäre und historische Themen verwebt. Geschrieben im Jahr 1932 und basierend auf einer Prosavorlage, wurde das Stück am 19. Dezember 1936 im Schauspielhaus Zürich uraufgeführt. Es verkörpert eine kritische Auseinandersetzung mit Antisemitismus und religiöser Toleranz innerhalb einer deutschen Kleinstadtgesellschaft.

Kontext und Hintergrund

Das Stück ist tief in Lasker-Schülers eigener Familiengeschichte verwurzelt sowie in realen historischen Ereignissen, die sich in der Stadt Geseke abspielten. Die Autorin verbindet persönliche Familienerzählungen mit einem kritischen Blick auf die gesellschaftlichen Spannungen ihrer Zeit. Dieses Werk wurde in einer Zeit geschrieben, als der Antisemitismus in Deutschland zunahm und Lasker-Schüler selbst von Verfolgung betroffen war.

Handlung

Die Geschichte spielt in Geseke, einer kleinen Stadt nahe Paderborn, und konzentriert sich auf den jungen Arthur Aronymus und seine Familie. Der Titelheld und seine Schwester Lenchen stehen im Zentrum der Handlung, die sich mit dem Konflikt zwischen der jüdischen Gemeinschaft und der christlichen Mehrheit beschäftigt. Im Stück wird Arthur als „eine der schönsten Kinderfiguren in der deutschen Literatur“ beschrieben und steht symbolisch für Unschuld und die Möglichkeit der Versöhnung zwischen den Religionen.

Zentrale Themen

Das Stück behandelt tiefgreifende Themen wie Toleranz, Identität und Religionskonflikte. Es zeigt, wie durch Unwissenheit und Hass Vorurteile geschürt werden und wie diese Spannungen das Leben unschuldiger Menschen beeinträchtigen können. Zentral ist die Darstellung, wie die Familie Aronymus versucht, mit der zunehmenden Feindseligkeit ihrer nicht-jüdischen Nachbarn umzugehen.

Dramatische Wendepunkte

Ein Schlüsselmoment im Stück ist der Tod des Großvaters Uriel, der als Landesrabbiner fungiert und eine Schlüsselrolle in der Vermittlung zwischen den Gemeinschaften spielen sollte. Sein Tod symbolisiert das Scheitern diplomatischer und friedlicher Lösungen in einem von Vorurteilen geprägten Umfeld. Arthur erlebt auch persönliche Konflikte und Demütigungen, die seine Entwicklung und sein Verständnis von seiner eigenen Identität prägen.

Symbolik und Allegorie

Lasker-Schüler nutzt die Figur des Arthur, um größere Fragen der jüdischen Identität und der menschlichen Moral zu erforschen. Das Stück ist reich an symbolischen Elementen, die das jüdische Erbe und die spirituellen Überzeugungen der Figuren hervorheben. Es stellt auch die Frage, inwiefern Individuen ihre Geschichte und Kultur in Zeiten sozialer Unruhen bewahren können.

Abschluss und Botschaft

Vierter Kaufmann (leidenschaftlich): Unsere Töchter wird man verbrennen auf Scheiterhaufen!

Zweiter Kaufmann: Nach mittelalterlichem Vorbild.

Dritter Kaufmann: Und Greueln.

Erster Kaufmann: Der Hexenglauben ist auferstanden.

Dritter Kaufmann: Aus dem Schutt der Jahrhunderte.

Zweiter Kaufmann: Die Flamme wird unsere unschuldigen jüdischen Schwestern verzehren.

Erster Kaufmann (fragend): Und ihre Seelen verhindern, zu Gott zu steigen? Rabbi?

Der alte Kern: Wohl erheben sich aufgeklärte Mönche, etliche, und predigen von der Kanzel der Kirchen und ermahnen die vom Teufel gebissene westfälische Christenheit.

Zweiter Kaufmann: Was vermag ein Hirte, und wären es etliche Wächter, gegen eine bissige Herde!

Arthur Aronymus und seine Väter endet trotz des „Unsere Töchter wird man verbrennen…“ Dialogs mit einer versöhnlichen Geste, als der Bischof das Passahfest mit der Familie Aronymus feiert und das „alte Volk Israel“ segnet. Dieser Akt der Versöhnung bildet einen Hoffnungsschimmer in einer sonst oft düsteren Erzählung. Das Stück schließt mit einer starken Botschaft der Möglichkeit von Frieden und gegenseitigem Respekt zwischen unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften.

Rezeption und Bedeutung

Das Stück wurde zu seiner Zeit wegen seiner eindringlichen Darstellung der jüdischen Erfahrung und seines Appells an die Toleranz gelobt, hatte jedoch auch mit Herausforderungen bezüglich der Aufführung und Akzeptanz zu kämpfen. Heute gilt es als ein bedeutendes Werk, das zur Reflexion über die Wurzeln von Hass und die Möglichkeiten von Versöhnung anregt.

Else Lasker-Schüler – Porträt als Dramatikerin

Else Lasker-Schüler gehört zu den bedeutendsten und einflussreichsten Figuren der deutschen Literatur des frühen 20. Jahrhunderts. Während sie vor allem für ihre lyrische Poesie bekannt ist, stellt ihr dramatisches Schaffen eine ebenso faszinierende Facette ihres literarischen Vermächtnisses dar. Ihre Stücke, die oft von persönlichen Erfahrungen, historischen Begebenheiten und tiefen emotionalen sowie sozialkritischen Themen geprägt sind, zeichnen sich durch eine intensive Sprachgewalt und innovative dramatische Strukturen aus.

Dramatische Anfänge

Lasker-Schülers frühes Drama Die Wupper (1909 uraufgeführt 1919), benannt nach dem Fluss in ihrem Heimatgebiet, offenbart bereits ihre Neigung zu symbolistischen und expressionistischen Elementen. Das Stück erforscht die sozialen Spannungen und persönlichen Tragödien in einer industriellen Gesellschaft und zeichnet sich durch seine poetische Sprache und tiefgreifende Charakterstudien aus. Diese dramatische Arbeit war ein Vorbote ihrer späteren Stücke, die weiterhin die Grenzen traditioneller Theaterformen testen sollten.

Politisches und Persönliches Theater

In den 1930er Jahren, als der Druck des aufkommenden Nationalsozialismus in Deutschland unerträglich wurde, reflektierte Lasker-Schüler diese Spannungen in ihrem kontroversen Stück Arthur Aronymus und seine Väter. Das Drama, das kurz vor seiner geplanten Premiere 1933 in Berlin von den Nationalsozialisten abgesetzt wurde, behandelt das Thema der Judenverfolgung und greift damit erschreckend präzise die kommenden Schrecken des Holocaust vorweg. Das Stück zeigt Lasker-Schülers Fähigkeit, persönliche und historische Narrative zu verweben, und demonstriert ihre tiefe Verbundenheit mit ihrer jüdischen Identität.

Exil und letzte Werke

Das vielleicht ambitionierteste und politisch brisanteste Werk Lasker-Schülers ist das Drama IchundIch, entstanden im Exil in Jerusalem. In diesem späten Werk, das als eine allegorische Fortsetzung von Goethes Faust interpretiert werden kann, setzt sich die Autorin mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus und dessen katastrophalen Folgen auseinander. In diesem Stück beobachten Faust und Mephisto von einer Unterwelt aus, wie Hitler Europa in den Abgrund treibt. Die dramatische Zuspitzung findet in einer apokalyptischen Vision statt, in der selbst Mephisto das Böse verurteilt. Dieses Stück, das posthum vollständige Anerkennung fand, war zu Lebzeiten der Autorin aufgrund seiner Komplexität und avantgardistischen Struktur umstritten.

Stil und Methodik

Lasker-Schülers dramatischer Stil ist stark von ihrer poetischen Ader beeinflusst. Ihre Dialoge sind oft lyrisch und metaphorisch dicht, ihre Charaktere tief symbolisch und ihre Plots neigen dazu, sich in Traumsequenzen oder allegorischen Szenen zu entfalten. Ihre Bühnenanweisungen sind präzise und oft so detailliert und bildhaft, dass sie fast schon eine eigene narrative Schicht innerhalb des Dramas bilden.

Vermächtnis als Dramatikerin

Else Lasker-Schülers Beiträge zum deutschen Drama waren ihrer Zeit oft voraus. Ihre Werke wurden wegen ihrer intensiven Emotionalität und ihrer tiefen ethischen und sozialen Fragen sowohl gelobt als auch kritisiert. Heute wird sie als eine Vorreiterin des modernen Theaters angesehen, deren Dramen weiterhin für ihre poetische Kraft und ihre Fähigkeit, tiefgreifende menschliche und gesellschaftliche Konflikte zu beleuchten, bewundert werden. Ihre Stücke sind nicht nur ein Fenster in die Seele einer außergewöhnlichen Dichterin, sondern auch ein Spiegel der politischen Unruhen ihrer Zeit.

Arthur Aronymus und seine Väter – Buch

Else Lasker-Schüler.
Arthur Aronymus und seine Väter.
(Aus meines geliebten Vaters Kinderjahren)
Schauspiel in fünfzehn Bildern.

Erstdruck: Fischer Verlag, Berlin 1932.
Durchgesehener Neusatz, der Text dieser Ausgabe folgt:
Else Lasker-Schüler - Arthur Aronymus und seine VäterElse Lasker-Schüler: Arthur Aronymus und seine Väter; in:
Die Wupper und andere Dramen, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1986.
Uraufführung: 19. Dezember 1936, Schauspielhaus Zürich, Regie: Leopold Lindberg.

Neuausgabe, LIWI Verlag, Göttingen 2020.

EAN: 9783965423923
ISBN: 3965423924
Schauspiel in fünfzehn Bildern. Paperback.
LIWI Literatur- und Wissenschaftsverlag
Oktober 2020 – 116 Seiten

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Verfasst von Thomas Löding, LIWI Blog, zuletzt aktualisiert am 10. Mai 2024