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Die besten Bücher von E. T. A. Hoffmann
Ernst Theodor Amadeus Hoffmann, geboren am 24. Januar 1776 als jüngster Sohn des Hofgerichtsadvokaten Christoph Ludwig Hoffmann und seiner Frau Lovisa, war einer der bedeutendsten deutschen Autoren der Romantik und der Schauerliteratur, auch Gothic genannt. Nicht umsonst trug er den Beinamen “Grusel-Hoffmann”.
Seine Werke verbinden Elemente der Realität und des Phantastischen und erlauben Leser*innen das Eintauchen in das psychologische Innere der Protagonist*innen. Dabei hält Hoffmann seine eigenen Perspektiven zurück und lässt die Leser*innen selbst entscheiden, was real passiert und welche Ereignisse fiktiv sind.
„Es gibt eine innere Welt und die geistige Kraft, sie in voller Klarheit, in dem vollendetsten Glanze des regesten Lebens zu schauen, aber es ist unser irdisches Erbteil, daß eben die Außenwelt, in der wir eingeschachtet, als der Hebel wirkt, der jene Kraft in Bewegung setzt.“ (E. T. A. Hoffmann in Die Serapions-Brüder)
Hoffmann zählt zu den wichtigsten Vertretern der Romantik und der Schauerliteratur im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert. Die Themen der Romantik beruhten auf der Innenschau einzelner Figuren – deren Gefühlswelt und Weltverständnis. Empathie, Mitgefühl und Transzendenz sind hier von besonderer Bedeutung. Anders in der Schauerliteratur: in dieser Strömung ging es darum die Leser*innen durch Grusel und Horror zu fesseln und das Geschriebene in Frage zu stellen.
Was geschieht wirklich? Wird ein Traum geschildert, oder passieren die Ereignisse real? Was ist wahr, was ist falsch? Weitere berühmte Vertreter dieser Strömung in der englischen Sprache sind Mary Shelley mit Frankenstein (1818) und R. L. Stevenson mit Strange Case of Dr Jekyll and Mr Hyde (1886).
Die fünf wichtigsten Werke Hoffmanns stellen wir im Folgenden vor:
1. Der goldne Topf – Ein Märchen aus der neuen Zeit
E.T.A. Hoffmann konstruiert in seinen Texten Gegenwelten, um Grenzen überschreiten und verwischen zu können, so auch in der 1819 entstandenen Novelle Der goldne Topf. Die beiden Welten, die einander gegenübergestellt werden, sind die phantastische Welt, bestehend aus Märchen und Mythen, und die reale Welt des schrift-kopierenden Studenten Anselmus.
Hoffmann verbindet dabei verschiedene Weltanschauungen, welches unterstützt wird durch die Form des Textes. Die Novelle ist aufgeteilt in 12 Vigilien, welche aus der Liturgie stammen und das Nachtgebet im Stundengebet darstellen. Dies trägt ebenfalls zu der Atmosphäre des Textes bei: die Assoziation mit dem Nachtgebet in einer Geschichte, welche zwischen Realität und Übernatürlichen schwankt, bereichert die Erzählung in ihrer Reichweite und Wirkungskraft.
Die männliche Hauptperson, Anselmus, versucht zwischen den beiden Welten sein Leben zu bestreiten und seinen Anforderungen gerecht zu werden. Hoffmann zeigt in diesem Werk die Möglichkeiten, aber auch die Gefahren, die im Unbekannten und Übernatürlichen liegen.
„Und immer inniger und inniger versunken in den Blick des herrlichen Augenpaars, wurde heißer die Sehnsucht, glühender das Verlangen. Da regte und bewegte sich alles, wie zum frohen Leben erwacht. Blumen und Blüten dufteten um ihn her, und ihr Duft war wie herrlicher Gesang von tausend Flötenstimmen, und was sie gesungen, trugen im Widerhall die goldenen vorüberfliehenden Abendwolken in ferne Lande.“ (Zitat aus der ersten Vigilie)
2. Nußknacker und Mausekönig
In diesem Märchen werden zwei Geschichten ineinander verschachtelt. In der Rahmenerzählung von Nußknacker und Mausekönig bekommen die Kinder am Weihnachtstag Geschenke und spielen mit diesen; in der Binnengeschichte wird das Märchen der Spielfiguren erzählt und der Kampf zwischen dem Nußknacker und dem Mausekönig offenbart
Hoffmann veröffentlichte sein Werk zweifach, erstmalig im November 1816 in dem Band Kinder-Mährchen, und ein zweites Mal 1819 im ersten Band der Serapions-Brüder. Erneut spielt Hoffmann mit verschiedenen Weltkonzeptionen, diesmal mit dem Zusatz der Kindererzählung.
Zur Zeit der Entstehung wurde das Märchen kritisiert, in dem behauptet wurde, es sei nicht „kindgerecht“: „Nußknacker und Mausekönig […] ist vollends widerlich und verdorben durch die hier unpasslich eingestreuten Spässe, ganz in der Art und Weise, wie der Vf. der Teufels-Elixiere zu lieben pflegt, der diessmal nicht bedacht zu haben scheint, für wen er eigentlich geschrieben, und ob seine Dichtung für die Fassungskraft junger Kinder sich eigne oder nicht.“ (Jenaische Allgemeine Literaturzeitung 1816, Bd. 2, No. 65)
Spätere Adaptionen in Film, Musik und Ballett zeigen allerdings eine gegenteilige Auffassung. Die wohl bekannteste Adaption ist Pjotr Iljitsch Tschaikowskis Ballett Der Nußknacker, welches 1892 seine Uraufführung in Sankt Petersburg feierte.
3. Der Sandmann
Einen Klassiker der „Schauerromane“ und der „Schwarzen Romantik“ schrieb Hoffmann 1816 mit Der Sandmann, welcher in der Sammlung „Nachtstücke“ erschien. Erneut ist ein Student, Nathanael, der Protagonist der Erzählung und ist hin- und hergerissen zwischen dem Realen und dem Übernatürlichen. Hoffmann lässt es offen, ob die übernatürlichen Ereignisse nur Hirngespinste Nathanaels sind, oder real passieren.
Ein wiederkehrendes Element stellen dabei die Augen damit dazugehörigen Assoziationen dar: als das Tor zur Seele, als „Wahrheitserkenner“, oder das Schließen der Augen als Flucht vor der Wahrheit. Erneut spielt Hoffmann mit verschiedenen Weltkonzeptionen:
Nathanael steht für die romantisch-verklärte, und seine Geliebte, Clara, für die aufgeklärte-wissenschaftliche Weltsicht. Hoffmann hält es offen, welche die Richtige ist und überlässt es den Leser*innen selbst zu entscheiden.
Dieser Konflikt zwischen Vernunft und Phantasie ist gängig in der Literatur dieser Epoche und wird von Hoffmann effektiv genutzt – die Leser*innen erhalten keine klare Einsicht in das Geschehen, da die meisten Informationen durch Figurenperspektive geschildert werden.
4. Die Elixiere des Teufels – Autobiographie eines Mönches
In seinem ersten Roman Die Elixiere des Teufels, der 1815 veröffentlicht wurde, entwirft Hoffmann ein Spiel aus Irrungen, Wirrungen und Intrigen, die sich in dem Bild des Mönches Medardus bündeln. In zwei Teilen wird von seinem Leben berichtet: seiner Arbeit im Kloster, seinen Liebschaften, seinem Doppelgänger und schließlich von seinem traurigen Ende.
Hoffmann schafft eine Figur zwischen Realität und dem Übernatürlichen, verwischt Grenzen und spielt mit den Assoziationen der Leser*innen.
„Dich umwehen die geheimnisvollen Schauer der wunderbaren Sagen und Legenden, […], dir ist, als geschähe alles vor deinen Augen, und willig magst du daran glauben. In dieser Stimmung liesest du die Geschichte des Medardus, und wohl magst du auch dann die sonderbaren Visionen des Mönchs für mehr halten als für das regellose Spiel der erhitzten Einbildungskraft“ (Vorwort des fiktiven Herausgebers)
Lewis` Roman The Monk, und Friedrich Schillers Romanfragment Der Geisterseher haben Hoffmann in seinem Schreiben beeinflusst. Die Elixiere des Teufels wiederum hat Fjodor Dostojewski in seinem Werk Die Brüder Karamasow nachwirkend inspiriert.
5. Lebensansichten des Katers Murr
In diesem 1819 erschienen Werk, Lebensansichten des Katers Murr, sind zwei Autobiographien ineinander verwoben: die des Katers Murr und die des Kapellmeisters Johannes Kreisler. Die Figur des „Kreislers“ tritt vermehrt in Hoffmanns Werken auf, so zum Beispiel in der „Kreisleriana“ 1814. Allerding tritt er im Murr nur als Randfigur auf und als Gegenfigur zum Kater, anders wird er in der „Kreisleriana“ ein Exzentriker.
Hoffmann baut sich so eine komplexe Figur auf, die verschiedene Assoziationen bei den Leser*innen aufwirft – die Figur des Kreislers enthält verschiedene Facetten, die sich durch die Wiederverwendung derselben fortwährend bereichert.
Eine weitere spannende Facette dieses Romans ist die Metathematik, die Hoffmann einbringt: er beschreibt den Publikationsprozess eines Buch in einem bereits publizierten Buch. Einen weiteren Kniff seines Genies wird in der Namensgebung des Katers offenbar: Hoffmann benannte diesen nach seinem eigenen Kater Murr.
Berühmte Zitate von E. T. A. Hoffmann
Ich bin das, was ich scheine, und scheine das nicht, was ich bin, mir selbst ein unerklärlich Räthsel, bin ich entzweit mit meinem Ich!
„[…] aber nur wenige, erweckt aus dem Traume, steigen empor und schreiten durch das Reich der Träume – sie kommen zur Wahrheit – der höchste Moment ist da: die Berührung mit dem Ewigen, Unaussprechlichen!“
Ritter Gluck, In: Fantasiestücke in Callot’s Manier
„Welcher tausend und abermal tausend Nuancen ist der musikalische Ausdruck fähig! Und das ist ja eben das wunderbare Geheimniß der Tonkunst, daß sie da, wo die arme Rede versiegt, erst eine unerschöpfliche Quelle der Ausdrucksmittel öffnet!“
Die Serapions-Brüder
„Ha es ist was göttliches um die Kunst, denn die Kunst, mein Herr, ist eigentlich nicht sowohl die Kunst von der man so viel spricht, sondern sie entsteht vielmehr erst aus dem Allen, was man die Kunst heißt!“
Die Elixiere des Teufels
„Im Ernste geredet, die Wochentage bin ich Jurist, und höchstens etwas Musiker, Sonntags am Tage wird gezeichnet, und Abends bin ich ein sehr witziger Autor bis in die späte Nacht.“
Brief an Theodor Gottlieb Hippe, Königsberg, 23. Januar 1796
Biografie und weitere Empfehlungen
Bevor E. T. A. Hoffmann zu dem gefeierten Autor wurde, der er war, studierte er Jura an der Albertus-Universität Königsberg und lernte dort auch den Dozierenden Immanuel Kant kennen. Neben seinem Studium war Hoffmann am Ästhetischen interessiert und widmete sich den schönen Künsten: Schreiben, Musizieren und Zeichnen.
Nach erfolgreicher Beendigung seines Studiums zog er nach 1789 Berlin und nahm dort eine Stelle am Kammergericht an. 1800 legte er sein drittes juristisches Staatsexamen ab und zog anschließend nach Posen. Seit dieser Zeit war Hoffmann wechselnd in Posen und Berlin zu treffen – er liebte die Großstadt fand aber bessere Anstellungen in Posen.
Neben seiner Arbeit als Anwalt komponierte er in seiner Zeit in Posen, ehemaliges preußisches Reich, seine eigene Musik, die vom Publikum gern gehört wurde. 1800 wurde sein musikalisches Werk Kantate zur Feier des neuen Jahrhunderts uraufgeführt und anschließend vermehrt im Zusammenhang mit Goethes Singspiel Scherz, List und Rache auf die Bühnen gebracht.
Mit seinen zeichnerischen Fähigkeiten beteiligte er sich bei einem Karnevalsscherz, der 1802 auf Kosten autoritärer Persönlichkeiten gespielt wurde. Es wurden Karikaturen ebendieser angefertigt, die zur allgemeinen Belustigung verteilt wurde. Seine Liebe zur Musik ist ebenfalls in seinem Namen erkennbar: auf Grund der Bewunderung Mozarts gab er sich 1805 den Drittnamen „Amadeus“ – so wurde aus dem ursprünglichen E. T. W. (Wilhelm), E. T. A. Hoffmann.
Ebenfalls 1805 brachte seine Frau Michalina Rorer-Trzcinska, Mischa, seine Tochter Caecilia auf die Welt – benannt wurde sie nach der Schutzpatronin für Musik. Leider wurde diese nicht alt und verstarb 1807.
Hoffmanns musikalische Begeisterung erlaubte es ihm 1808 die Rolle des Kapellmeisters und Musikdirektors in Bamberg anzunehmen. Aus dieser Position entstand seine wiederkehrende Romanfigur Kapellmeister Johannes Kreisler, das romantische Genie.
Am 25. Juni 1822 verstarb E. T. A. Hoffmann in seiner Berliner Wohnung.
E. T. A. Hoffmann – Häufige Fragen
Wer war E. T. A. Hoffmann?
Ernst Theodor Amadeus Hoffmann (1776–1822) war ein deutscher Schriftsteller, Komponist, Zeichner und Jurist der Romantik. Er zählt zu den bedeutendsten Vertretern der deutschen Romantik und ist besonders für seine fantastischen und märchenhaften Erzählungen bekannt, in denen er häufig die Grenze zwischen Realität und Übernatürlichem verschwimmen lässt.
Was sind die bekanntesten Werke von E. T. A. Hoffmann?
Zu Hoffmanns bekanntesten Werken gehören „Der Sandmann“, „Die Elixiere des Teufels“, „Klein Zaches genannt Zinnober“ und „Nußknacker und Mausekönig“. Diese Erzählungen und Romane zeichnen sich durch ihre komplexe Erzählstruktur, ihre tiefgründige Charakterzeichnung und die Verwebung von fantastischen Elementen mit psychologischen Einsichten aus.
Was macht E. T. A. Hoffmanns Stil aus?
Hoffmanns Stil ist geprägt durch seine Fähigkeit, die Leser*innen in eine Welt voller Wunder und Schrecken zu entführen, in der das Übernatürliche auf das Alltägliche trifft. Er verwendet eine reiche, bildhafte Sprache und schafft durch detaillierte Beschreibungen eine dichte Atmosphäre. Seine Werke sind oft mehrschichtig und enthalten Ironie und Satire, die gesellschaftliche Normen und menschliche Schwächen hinterfragen.
Inwiefern beeinflusste E. T. A. Hoffmann die Musik?
Neben seiner Tätigkeit als Schriftsteller war Hoffmann auch ein talentierter Komponist und Musikkritiker. Er komponierte Opern, Lieder und Instrumentalstücke. Sein musikalisches Schaffen und seine theoretischen Schriften hatten Einfluss auf spätere Komponisten wie Robert Schumann, Richard Wagner und Johannes Brahms. Hoffmanns tiefe Leidenschaft für Musik spiegelt sich auch in seinen literarischen Werken wider, in denen Musik oft eine zentrale Rolle spielt.
Wie hat E. T. A. Hoffmann die Literatur beeinflusst?
E. T. A. Hoffmann gilt als einer der Wegbereiter der fantastischen Literatur und hat das Genre maßgeblich geprägt. Seine Werke inspirierten zahlreiche Schriftstellerinnen und Künstlerinnen nach ihm, darunter Edgar Allan Poe, Nikolai Gogol, Fjodor Dostojewski und Franz Kafka. Hoffmanns Fähigkeit, psychologische Tiefe mit fantastischen Elementen zu verbinden, hat die Entwicklung der Literatur nachhaltig beeinflusst.
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Weiterführende Literatur
- Detlef Kremer (Hrsg.): E. T. A. Hoffmann. Leben – Werk – Wirkung. Walter de Gruyter, Berlin/New York 2009
- E. T. A. Hoffmann-Gesellschaft (Hrsg.): E. T. A. Hoffmann-Jahrbuch. Erich-Schmidt-Verlag, Berlin, Band 1.1992/93 ff.
- Peter Braun: E. T. A. Hoffmann. Dichter, Zeichner, Musiker. Biographie. Artemis und Winkler, Düsseldorf u. a. 2004
- Rüdiger Safranski: E. T. A. Hoffmann. Das Leben eines skeptischen Phantasten. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2000
- Johannes Harnischfeger: Die Hieroglyphen der inneren Welt. Romantikkritik bei E. T. A. Hoffmann. Westdeutscher Verlag, Opladen 1988
- Alexander Kupfer: Porträt des Künstlers als Spalanzanische Fledermaus. Rausch und Vision bei ETAH. In: dsb: Die künstlichen Paradiese. Rausch und Realität seit der Romantik. Ein Handbuch. Metzler, Stuttgart 2006
- Peter von Matt: Die Augen der Automaten. E. T. A. Hoffmanns Imaginationslehre als Prinzip seiner Erzählkunst. Tübingen 1971
- Jörn Steigerwald: Die fantastische Bildlichkeit der Stadt. Zur Begründung der literarischen Fantastik im Werk E. T. A. Hoffmanns . Würzburg 2001.
Links
- E.T.A. Hoffmann Portal Staatsbibliothek zu Berlin
- E.T.A.-Hoffmann-Archiv Staatsbibliothek zu Berlin
- E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft Bamberg
- E. T. A. Hoffmanns „Elixiere des Teufels“ (Reihe: Klassiker der Weltliteratur, ARD alpha)
Beispiel für von E.T.A. Hoffmann komponierte Musik:
Verfasst von Christiane Gocke, LIWI Blog, zuletzt aktualisiert am 29. November 2023