Die Welt von Gestern - Stefan Zweig

Ein Kind unserer Zeit

„Ich bin Soldat.
Und ich bin gerne Soldat.
Wenn morgens der Reif auf den Wiesen liegt oder wenn abends die Nebel aus den Wäldern kommen, wenn das Korn wogt und die Sense blitzt, obs regnet, schneit, ob die Sonne lacht, Tag und Nacht – immer wieder freut es mich, in Reih und Glied zu stehen.“

Ödön von Horváth.
Ein Kind unserer Zeit.
Erstdruck: Verlag Allert de Lange, Amsterdam 1938.

Neuausgabe, Göttingen 2019.
LIWI Literatur- und Wissenschaftsverlag

ISBN: 3965421441
Paperback 108 Seiten

„Ein Kind unserer Zeit“ – Zusammenfassung

Ein Kind unserer Zeit ist ein Roman von Ödön von Horváth, veröffentlicht posthum im Jahr 1938. Der Roman erzählt aus der Perspektive eines anonymen Soldaten, der 1917 geboren wurde und dessen Leben stark von den politischen Unruhen seiner Zeit geprägt ist. Nach dem Tod seiner Mutter erlebt er Arbeitslosigkeit und ideologische Differenzen mit seinem Vater, was ihn schließlich dazu bringt, auszuziehen und auf die Wohlfahrt angewiesen zu sein.

Seine Entfremdung und der aufkeimende Hass gegenüber dem gemütlichen Leben anderer treiben ihn in die Arme des Nationalsozialismus. Der Protagonist sieht im Krieg eine Chance, Stärke und Gemeinschaft zu finden, und meldet sich freiwillig zum Militär. Seine Illusionen werden jedoch erschüttert, als er verletzt wird und ins Lazarett kommt, wo er beginnt, über seine Handlungen und die nationalsozialistischen Ideale nachzudenken.

Eine tragische Liebesgeschichte entfaltet sich parallel, als er sich in eine junge Frau verliebt, die er auf einem Jahrmarkt trifft, aber nicht näher kennenlernen kann, da sie später im Gefängnis landet. Diese persönliche Enttäuschung, kombiniert mit seiner physischen Verletzung und ideologischen Desillusionierung, führt zu einem weiteren Verlust der moralischen Orientierung. In einem Akt verzweifelter Wut ermordet er einen Buchhalter, der mit der Jahrmarktfirma verbunden ist.

Die Geschichte endet mit dem Soldaten, der in einem Schneesturm erfriert, symbolisch für seinen vollständigen Verlust der Menschlichkeit und Hoffnung. Der Roman ist eine tiefgreifende Kritik an der nationalsozialistischen Ideologie und ein warnendes Beispiel für die Gefahren des blinden Glaubens an politische Propaganda. Horváth verwendet eine kompakte Erzähltechnik und eine Sprache, die sowohl die Alltagssprache als auch das Vokabular des Nationalsozialismus reflektiert, um eine dringende Botschaft über die Verführungskraft des Bösen und die Tragik des menschlichen Scheiterns zu vermitteln.

Analyse von Aufbau und Sprache

Der Roman „Ein Kind unserer Zeit“ von Ödön von Horváth zeichnet sich durch einen prägnanten und wirkungsvollen Aufbau und eine durchdachte Sprachgestaltung aus, die eng mit den thematischen Schwerpunkten des Werkes verwoben sind.

Aufbau:
Horváth strukturiert die Erzählung um die innere Entwicklung des Protagonisten, einem namenlosen Soldaten. Der narrative Aufbau spiegelt die Transformation des Soldaten von einem ideologisch beeinflussten Individuum zu einem desillusionierten, kritisch denkenden Menschen wider. Die Geschichte wird chronologisch erzählt, doch durch gelegentliche zeitliche Sprünge und Rückblenden werden frühere Lebensphasen des Soldaten beleuchtet, die für sein Verständnis und seine Motivationen entscheidend sind. Diese Technik ermöglicht es Horváth, die Vergangenheit und Gegenwart seines Protagonisten zu verknüpfen und die tiefgreifenden psychologischen und sozialen Einflüsse auf ihn darzustellen.

Sprache:
Horváth nutzt eine gezielte Sprachwahl, um die Atmosphäre der Zeit und die ideologischen Konflikte darzustellen. Die Sprache des Romans ist eine Mischung aus gehobener Umgangssprache und dem spezifischen Vokabular des Nationalsozialismus. Dies reflektiert nicht nur die gesellschaftliche Realität des Protagonisten, sondern verstärkt auch die kritische Auseinandersetzung mit dem politischen System. Durch den Einsatz von kürzeren Sätzen in hektischen oder spannungsgeladenen Szenen steigert Horváth die Intensität der Erzählung und zieht den Leser tiefer in die psychologische Dynamik der Figuren hinein.

Die Erzähltechnik des Romans ist besonders bemerkenswert. Horváth verwendet einen intradiegetischen Ich-Erzähler, der die Geschichte aus seiner eigenen Perspektive schildert. Diese Erzählperspektive schafft eine unmittelbare Nähe zum Leser und ermöglicht eine introspektive Betrachtung der Ereignisse und Gedanken des Soldaten. Gleichzeitig erlaubt sie Horváth, die Grenzen zwischen Erzähler und Protagonist zu verwischen, was den Leser zwingt, die Zuverlässigkeit des Erzählten zu hinterfragen.

Insgesamt dient der Aufbau und die Sprache von „Ein Kind unserer Zeit“ dazu, die tiefgreifenden Themen des Romans – wie Identität, Macht, und individuelle versus kollektive Verantwortung – zu erforschen und zu vermitteln. Durch diese sorgfältige Gestaltung wird das Werk zu einem eindrucksvollen Kommentar über die Verführungskraft autoritärer Systeme und die Notwendigkeit, ethische Selbstständigkeit zu bewahren.

Ein Kind unserer Zeit – Wichtige Personen

In „Ein Kind unserer Zeit“ von Ödön von Horváth spielen mehrere Schlüsselfiguren eine zentrale Rolle, die die Entwicklung des Protagonisten und die Themen des Romans beeinflussen.

Der anonyme Soldat:
Die Hauptfigur des Romans, ein junger Mann, dessen Leben durch die politischen und sozialen Umstände des Nationalsozialismus geprägt ist. Er repräsentiert eine verlorene Generation, die ideologisch verführt und in die Mechanismen eines totalitären Staates verstrickt wird. Seine Reise von einem arbeitslosen Jugendlichen, der von seinem Vater ideologisch entfremdet ist, bis hin zu einem Soldaten, der schließlich an den Folgen seiner eigenen Handlungen und Überzeugungen zugrunde geht, bildet das Kernstück der Erzählung.

Der Vater des Soldaten:
Sein Vater spielt eine wichtige, wenn auch überwiegend abwesende Rolle in seinem Leben. Die ideologischen Differenzen zwischen ihnen sind ein Spiegelbild der größeren gesellschaftlichen Spaltungen der Zeit. Der Vater steht für die ältere Generation, die entweder die neuen politischen Ideale akzeptiert oder sich ihnen widersetzt, aber dennoch nicht in der Lage ist, seinen Sohn vor den destruktiven Auswirkungen dieser Ideologien zu schützen.

Die junge Frau vom Jahrmarkt:
Sie tritt kurz in das Leben des Soldaten ein und hat einen bleibenden Einfluss auf ihn. Ihre tragische Geschichte, die in einer Gefängnisstrafe endet, nachdem sie aus Verzweiflung ihr Kind abgetrieben hat, verdeutlicht die brutalen persönlichen Kosten, die das Regime den Individuen auferlegt. Sie symbolisiert die Opfer, die von einer gnadenlosen Gesellschaft gefordert werden, und die Unmöglichkeit, in einem solchen System echte menschliche Verbindungen aufzubauen.

Der Hauptmann:
Ein weiterer wichtiger Charakter ist der Hauptmann, der die vielen Kriegsverbrechen seiner Truppe satt hat und im Kampf in den Tod läuft. Er repräsentiert das Gewissen des Militärs und die innere Zerrissenheit jener, die innerhalb des Systems Dienst tun. Sein Tod verdeutlicht die Verzweiflung und den inneren Konflikt, die oft von denjenigen erlebt werden, die die wahren Kosten des Krieges und der ideologischen Kriegsführung erkennen.

Der Buchhalter der Jahrmarkt-Firma:
Seine Ermordung durch den Soldaten symbolisiert den Höhepunkt des Hasses und der Verzweiflung des Protagonisten. Der Buchhalter steht möglicherweise für das kleinliche und opportunistische Bürgertum, das das System unterstützt und von ihm profitiert, während es gleichzeitig diejenigen vernachlässigt oder ausbeutet, die am meisten leiden.

Diese Figuren verkörpern verschiedene Aspekte der deutschen Gesellschaft unter dem Nationalsozialismus und tragen dazu bei, das dunkle Bild, das Horváth von dieser Zeit zeichnet, zu vervollständigen. Jeder Charakter trägt auf seine Weise zur tiefen Tragik und den intensiven persönlichen und gesellschaftlichen Konflikten bei, die im Roman dargestellt werden.

Interpretation

Ödön von Horváths Roman „Ein Kind unserer Zeit“ zeichnet ein düsteres Bild der Verführung und Verblendung einer ganzen Generation durch die totalitäre Ideologie des Nationalsozialismus. Der Titel selbst weist darauf hin, dass die Hauptfigur exemplarisch für eine ganze Gruppe steht, die durch die sozialen und politischen Umstände ihrer Zeit geprägt wurde.

Ideologische Verblendung und Desillusionierung:
Der Roman zeigt eindringlich die Macht der Propaganda und wie sie junge Menschen in ein System hineinzieht, das ihre individuellen Ambitionen und Werte zerstört. Der anonyme Soldat verkörpert das Opfer dieses Prozesses. Zunächst überzeugt von den Versprechungen des Regimes, wird er in eine militärische Struktur eingesogen, die ihm Identität und Sinn gibt, obwohl sie ihn letztlich emotional, moralisch und körperlich zerstört.

Moralische Verantwortung:
Horváth thematisiert die individuelle Verantwortung in Zeiten gesellschaftlicher Umwälzungen. Obwohl der Protagonist durch Propaganda beeinflusst wird, bleibt seine innere Reise eine persönliche. Die Entscheidung, den Buchhalter zu ermorden, oder die schrittweise Erkenntnis der Sinnlosigkeit des Krieges, reflektieren, wie individuelle Entscheidungen trotz äußerem Druck getroffen werden. Der Roman hinterfragt dabei das Ausmaß, in dem Menschen bereit sind, persönliche Verantwortung für ihre Taten zu übernehmen.

Gesellschaftliche Kälte und Isolation:
Die Isolation des Soldaten spiegelt die Isolation wider, die durch den totalitären Staat in die Gesellschaft getragen wird. Die wiederkehrenden Motive der Kälte und des Schnees symbolisieren die Entfremdung der Individuen voneinander und die Kälte der politischen Ideologie. Die junge Frau vom Jahrmarkt, der Hauptmann und der Vater des Soldaten stehen alle für die unterschiedlichen Arten der Isolation: durch staatliche Unterdrückung, persönliche Verzweiflung oder ideologische Differenzen.

Kritik am Nationalsozialismus:
Obwohl der Roman keine spezifischen Namen oder Orte nennt, macht er deutlich, dass er auf die Realität des NS-Regimes abzielt. Horváth kritisiert scharf die Art und Weise, wie der Nationalsozialismus die Jugend militarisierte und sie zu willenlosen Werkzeugen einer menschenverachtenden Ideologie machte. Die Geschichte des Soldaten illustriert, wie Individuen durch diese Ideologie dazu gebracht werden, ihre Moral und Menschlichkeit zu opfern.

Zeitlosigkeit der Botschaft:
„Ein Kind unserer Zeit“ bleibt ein aktueller und relevanter Kommentar zu den Gefahren totalitärer Systeme und ideologischer Manipulation. Es warnt davor, wie leicht eine Gesellschaft in Gewalt und Unmenschlichkeit abgleiten kann, wenn Propaganda und Hass den Diskurs dominieren. Indem Horváth die Verzweiflung und Desillusionierung des Protagonisten darstellt, fordert er die Leser dazu auf, kritisch gegenüber Machtstrukturen zu sein, die Individualität und Mitgefühl bedrohen.

Epoche

„Ein Kind unserer Zeit“ entstand in der Epoche der Neuen Sachlichkeit und reflektiert die politisch-sozialen Spannungen der 1930er Jahre in Europa. Diese literarische Bewegung reagierte auf die Wirren und Widersprüche der Weimarer Republik und entwickelte eine realistische, ernüchterte Ausdrucksweise, um die gesellschaftlichen Probleme ihrer Zeit zu thematisieren.

Historischer Kontext:
Der Roman wurde kurz vor dem Zweiten Weltkrieg geschrieben und behandelt die Zeit unmittelbar davor, geprägt von der zunehmenden Radikalisierung des Nationalsozialismus in Deutschland. Die Besetzung des Rheinlandes, die aggressive Außenpolitik des Dritten Reiches sowie der Spanische Bürgerkrieg formten den Hintergrund für Horváths scharfe Kritik an der herrschenden Ideologie.

Neue Sachlichkeit als literarischer Stil:
Als Teil der Neuen Sachlichkeit spiegelt „Ein Kind unserer Zeit“ den nüchternen, ungeschönten Schreibstil wider, der charakteristisch für die Bewegung ist. Autoren dieser Epoche betonten präzise Beobachtungen und eine klare, realistische Darstellung der sozialen Missstände. Die Sprache in Horváths Roman ist schlicht und oft lakonisch, was die Unpersönlichkeit und Verzweiflung des Soldaten besonders deutlich macht. Sein distanziertes Erzählen verdeutlicht die emotionale Kälte, die mit seiner Ideologisierung einhergeht.

Themen und Motive der Zeit:
Der Roman befasst sich mit zentralen Themen, die die Epoche prägten. Die Massenarbeitslosigkeit und die daraus resultierende soziale Verzweiflung führten dazu, dass viele junge Menschen sich an radikale Ideologien klammerten. Die Entmenschlichung, Militarisierung und staatliche Kontrolle der Bevölkerung sind zentrale Motive, die die Brutalität und die moralische Leere des Nationalsozialismus verdeutlichen.

Relevanz in der heutigen Zeit:
Obwohl die Epoche der Neuen Sachlichkeit vor langer Zeit endete, sind ihre Themen und Motive in „Ein Kind unserer Zeit“ immer noch aktuell. Der Roman bleibt eine wichtige Mahnung an die Gefahren totalitärer Systeme und daran, wie diese die geistige und moralische Gesundheit einer ganzen Generation gefährden können.

Vergleich mit anderen Werken des Autors

Ödön von Horváth verwebt in seinen Romanen immer wieder die Themen von Individuum, Gesellschaft und Moral, doch jedes seiner Werke nähert sich diesen Themen aus unterschiedlichen Perspektiven:

  • Ein Kind unserer Zeit: Ein Roman, der die Geschichte eines jungen Soldaten erzählt, dessen Leben und Moral durch die Ideologie des Nationalsozialismus geformt und schließlich zerstört wird.
  • Sechsunddreißig Stunden: Dieses Werk beschreibt zwei Tage im Leben von Agnes Pollinger und Eugen Reithofer, die sich in einer von der Weltwirtschaftskrise geprägten deutschen Gesellschaft zurechtfinden müssen.
  • Jugend ohne Gott: Ein kritischer Roman, der sich mit der Faschisierung der Jugend im Dritten Reich auseinandersetzt und die tiefgreifenden moralischen Konflikte eines Lehrers beleuchtet.
  • Der ewige Spießer: Eine Satire über das spießbürgerliche Leben und die kleinlichen Ambitionen eines Mannes, die durch die politischen Veränderungen in Europa in den Schatten gestellt werden.

Gemeinsamkeiten:

  • Sozialkritik: Alle genannten Werke von Horváth enthalten deutliche sozialkritische Elemente. In Ein Kind unserer Zeit wird die Kritik am Nationalsozialismus und dessen destruktive Wirkung auf das Individuum dargestellt, während Sechsunddreißig Stunden die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise auf das Leben einzelner Charaktere fokussiert. Jugend ohne Gott thematisiert den moralischen Verfall in einer zunehmend faschistischen Gesellschaft, und Der ewige Spießer kritisiert die Heuchelei und Oberflächlichkeit des Bürgertums.
  • Stil und Erzähltechnik: Horváth verwendet in allen seinen Werken eine klare und direkte Sprache, die häufig von einem nüchternen und distanzierten Ton begleitet wird. Dies unterstreicht die entmenschlichenden Effekte der jeweiligen gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse.

Unterschiede:

  • Themenfokus und Perspektive: Während Ein Kind unserer Zeit und Sechsunddreißig Stunden aus der Perspektive von jungen Männern erzählt werden, die direkt unter den politischen Umständen ihrer Zeit leiden, bietet Jugend ohne Gott die Perspektive eines Lehrers, der mit den moralischen Dilemmata seines Berufs und der Beeinflussung seiner Schüler durch den Nationalsozialismus kämpft. Der ewige Spießer hingegen betrachtet die Gesellschaft aus einer satirischeren Perspektive, die das kleinbürgerliche Leben und seine Verlogenheiten aufs Korn nimmt.
  • Erzählstruktur: Ein Kind unserer Zeit und Jugend ohne Gott sind in ihrer Struktur eher zusammenhängend und folgen einer zentralen Handlungslinie, während Sechsunddreißig Stunden und Der ewige Spießer episodischer aufgebaut sind und verschiedene Aspekte des Lebens ihrer Protagonisten in unterschiedlichen Zusammenhängen beleuchten.
  • Moralische und ethische Erörterungen: In Ein Kind unserer Zeit steht die innere Zerrissenheit und letztendliche Selbstzerstörung des Protagonisten im Vordergrund. Jugend ohne Gott fokussiert auf den Konflikt zwischen individueller Moral und gesellschaftlichem Druck. In Sechsunddreißig Stunden geht es um das Überleben in einer wirtschaftlich zerrütteten Gesellschaft, und Der ewige Spießer betont die Kritik an der Doppelmoral und den trügerischen Werten des Bürgertums.

Über den Autor

oedoen-von-horvath-autorenbildÖdön von Horváth (1901-1938) war ein bedeutender Schriftsteller der literarischen Moderne, dessen Werke tief in den sozialen und politischen Unruhen Europas zwischen den Weltkriegen verwurzelt sind. Geboren in Fiume (heute Rijeka, Kroatien), lebte und arbeitete er in verschiedenen Teilen Europas, darunter Deutschland und Österreich, und wurde zu einem scharfen Beobachter der gesellschaftlichen Veränderungen seiner Zeit.

Literarisches Schaffen: Horváth gehört zu den wichtigsten Vertretern der Neuen Sachlichkeit, einer literarischen Bewegung, die in den 1920er und 1930er Jahren in Deutschland aufkam und sich durch eine nüchterne, realistische Darstellung der Realität auszeichnete. Seine Werke sind geprägt von einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Kleinbürgertum, dem aufkommenden Faschismus und den sozialen Verwerfungen der Weimarer Republik.

Bekannte Werke: Zu seinen bekanntesten Werken zählen neben den oben genannten Ein Kind unserer Zeit, Sechsunddreißig Stunden, Jugend ohne Gott, und Der ewige Spießer. Diese Werke analysieren die moralischen Dilemmata, denen Individuen in einem zunehmend totalitären gesellschaftlichen Umfeld gegenüberstehen, und kritisieren scharf die ideologische Indoktrination und die damit einhergehende Entmenschlichung.

Tod und Vermächtnis: Ödön von Horváth starb tragischerweise im Alter von nur 36 Jahren an den Folgen eines Astbruchs während eines Sturms in Paris, ein zufälliges Ende, das fast metaphorisch die Zerbrechlichkeit und die Kontingenz im Leben und in den Werken des Autors widerspiegelt. Trotz seines frühen Todes hinterließ Horváth ein beeindruckendes literarisches Erbe, das weiterhin relevant bleibt und tiefgreifende Einsichten in die Mechanismen der Macht und die psychologischen Folgen von Totalitarismus bietet. Sein Werk wird bis heute sowohl in literarischen als auch in akademischen Kreisen geschätzt und ist Gegenstand zahlreicher Studien und Interpretationen.

FAQ

Wovon handelt Ein Kind unserer Zeit?

Der Roman erzählt die Geschichte eines anonymen Soldaten, der vom Nationalsozialismus beeinflusst wird. Nach dem Tod seiner Mutter und Konflikten mit seinem Vater erlebt er Armut und Arbeitslosigkeit, was ihn anfällig für die Propaganda des Nationalsozialismus macht. Nach einer Verletzung im Krieg beginnt er, das Regime zu hinterfragen. Seine innere und moralische Entfremdung führt zu einem Gewaltverbrechen und seinem Tod in einem Schneesturm.

Welche Kritik übt Horváth in diesem Roman?

Horváth kritisiert die Verführungskraft der totalitären Propaganda, die eine ganze Generation ihrer Menschlichkeit beraubt. Er zeigt die Isolation und Entfremdung, die durch das Regime geschaffen werden, sowie die ideologische Manipulation, die zu Gewalt und moralischem Verfall führt.

Welche Figuren spielen eine wichtige Rolle im Roman?

  • Der anonyme Soldat: Die Hauptfigur, ein junger Mann, der durch die Propaganda verführt und später desillusioniert wird.
  • Der Vater des Soldaten: Vertritt die ältere Generation und die ideologischen Spaltungen seiner Zeit.
  • Die junge Frau vom Jahrmarkt: Ihre Tragödie symbolisiert die persönlichen Opfer, die das Regime fordert.
  • Der Hauptmann: Verkörpert das militärische Gewissen und innere Zerrissenheit des Systems.
  • Der Buchhalter: Seine Ermordung durch den Soldaten markiert den Höhepunkt der Verzweiflung des Protagonisten.

Welche Erzählperspektive wird genutzt?

Der Roman verwendet einen intradiegetischen Ich-Erzähler. Diese Perspektive schafft eine Nähe zum Leser und eine introspektive Betrachtung der Ereignisse.

Welche literarische Epoche repräsentiert Ein Kind unserer Zeit?

Der Roman gehört zur Neuen Sachlichkeit, einem literarischen Stil der 1920er und 1930er Jahre, der eine realistische Darstellung sozialer Missstände und die gesellschaftlichen Spannungen dieser Zeit betonte.

Wie fügt sich dieser Roman in andere Werke des Autors ein?

Ein Kind unserer Zeit verwebt Themen von Gesellschaft und Moral mit Horváths weiteren Werken, wie Jugend ohne Gott und Der ewige Spießer. Während Ein Kind unserer Zeit und Jugend ohne Gott zentralen Handlungssträngen folgen, sind Werke wie Der ewige Spießer eher episodisch aufgebaut.

Wer war Ödön von Horváth?

Ödön von Horváth (1901-1938) war ein bedeutender Schriftsteller der literarischen Moderne, dessen Werke sich kritisch mit dem Faschismus und den sozialen Spannungen Europas auseinandersetzen. Als wichtiger Vertreter der Neuen Sachlichkeit hinterließ er ein bedeutendes literarisches Erbe, das heute weiterhin geschätzt wird.

Buchausgabe

Ödön von Horváth.
Ein Kind unserer Zeit.
Erstdruck: Verlag Allert de Lange, Amsterdam 1938.

Neuausgabe, Göttingen 2019.
LIWI Literatur- und Wissenschaftsverlag

ISBN: 3965421441
Paperback 108 Seiten

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Verfasst von Thomas Löding, LIWI Blog, zuletzt aktualisiert am 03. Mai 2024