Heinrich Heine - Der Doktor Faust

Der Doktor Faust

„Diese süßlich gezierte Arkadientänzelei wird plötzlich unterbrochen und verscheucht durch die Ankunft des Faust und der Mephistophela, die in ihrem Tanzkostüm und mit ihrem Gefolge von dämonischen Ballettänzerinnen, unter jauchzenden Fanfaren, ihren Siegeseinzug halten.“

(Aus dem zweiten Akt)

Aus dem Inhalt:
Einleitende Bemerkung Heinrich Heines
Der Doktor Faust, ein Tanzpoem
Erläuterungen Heinrich Heine

Zusammenfassung / Inhaltsangabe

„Der Doktor Faust. Ein Tanzpoem, nebst kuriosen Berichten über Teufel, Hexen und Dichtkunst“ ist ein literarisches Werk von Heinrich Heine, das 1851 veröffentlicht wurde. Dieses Werk ist eine einzigartige Adaption der Faust-Legende, die Heine mit Elementen des Tanzes und der Poesie neu interpretiert.

Im Zentrum der Erzählung steht Doktor Faust, ein Gelehrter, der nach ultimativem Wissen strebt und einen Pakt mit dem Teufel eingeht, um dieses Ziel zu erreichen. Heine verwendet das traditionelle Motiv des Faust-Stoffes, fügt jedoch eigene Interpretationen und Reflexionen hinzu, insbesondere in Bezug auf die Rolle der Kunst und der Poesie.

Das „Tanzpoem“ zeichnet sich durch eine Verschmelzung von Dichtung und Tanz aus, wobei Heine den Tanz als metaphorisches Mittel nutzt, um Themen wie Verführung, Wissen und moralischen Fall zu erforschen.

Neben der Geschichte von Faust und seinem Pakt mit Mephistopheles bietet das Werk auch „kuriose Berichte“ über Teufel, Hexen und die Natur der Dichtkunst, die Heines tiefgründige Auseinandersetzung mit der deutschen Literatur und Mythologie widerspiegeln.

Analyse und Interpretation

„Der Doktor Faust“ steht in der Tradition der deutschen Romantik, bietet jedoch durch Heines unverwechselbaren Zugang eine kritische und oft ironische Perspektive auf die Legende.

Heine reflektiert in seinem Werk die Grenzen der menschlichen Erkenntnis und die Gefahren der Hybris. Indem er Fausts Streben nach Wissen und Macht darstellt, thematisiert er die ewige menschliche Suche nach Bedeutung und die potenziellen moralischen Kosten dieser Suche.

Die Einbindung des Tanzes als zentrales Element des Poems unterstreicht die Dualität von Schönheit und Gefahr, die in Fausts Begegnung mit dem Übernatürlichen zum Ausdruck kommt. Der Tanz symbolisiert sowohl die Verführung durch das Böse als auch die transformative Kraft der Kunst.

Heines kritische Auseinandersetzung mit der Dichtkunst und ihrer Beziehung zur Moral und Gesellschaft reflektiert seine eigene Position als Dichter in der konfliktreichen sozialen und politischen Landschaft seiner Zeit.

Sprache und Stil

Heinrich Heine ist bekannt für seine sprachliche Virtuosität und stilistische Eleganz, die auch in „Der Doktor Faust“ deutlich zum Ausdruck kommen.

Die Lyrik des Tanzpoems ist geprägt von Heines charakteristischer Ironie und Wortspielerei, die es ihm ermöglichen, tiefgründige Themen auf eine zugleich ernste und unterhaltsame Weise zu behandeln.

Sein Stil zeichnet sich durch eine lebendige Bildsprache und metaphorische Dichte aus, die die verschiedenen Ebenen der Erzählung – von der realen Welt bis zum Reich des Übernatürlichen – lebhaft erfahrbar machen.

Die musikalische Qualität von Heines Dichtung, gepaart mit seiner Fähigkeit, komplexe philosophische und kulturelle Themen anzusprechen, macht „Der Doktor Faust“ zu einem herausragenden Beispiel für die Verbindung von Poesie und kritischem Diskurs.

Wichtige Figuren

In „Der Doktor Faust“ nimmt Doktor Faust selbst die zentrale Rolle ein, verkörpert als ein Gelehrter, dessen unersättliches Streben nach Wissen und Macht ihn zu einem Pakt mit dem Teufel führt.

Mephistopheles, der Teufel, dient als Fausts verführerischer und manipulativer Gegenspieler, der die dunklen Seiten der menschlichen Natur und die Verlockungen der Macht und des Wissens verkörpert.

Margarete, obwohl in Heines Adaption weniger zentral als in anderen Versionen der Faust-Legende, bleibt eine wichtige Figur, die menschliche Unschuld und die tragischen Konsequenzen von Fausts Handlungen symbolisiert.

Die Hexen und mythologischen Wesen, die im Verlauf des Tanzpoems auftreten, erweitern das Universum der Erzählung und repräsentieren die vielfältigen Aspekte der menschlichen Psyche sowie die kulturellen und mythologischen Traditionen, mit denen Heine spielt.

Diese Figuren tragen wesentlich zur Tiefe und Komplexität von Heines Werk bei, indem sie die vielschichtigen Themen von Verführung, Macht, Erkenntnis und Moral verkörpern.

Rezeption und Kritik

Seit seiner Veröffentlichung hat „Der Doktor Faust“ eine gemischte, aber durchweg faszinierte Reaktion von Kritikern und Lesern erfahren.

Viele bewundern Heines innovative Herangehensweise an die Faust-Legende, insbesondere seine Einführung des Tanzes als erzählerisches und symbolisches Mittel, das neue Interpretationsebenen eröffnet.

Kritiker lobten das Werk für seine lyrische Schönheit, intellektuelle Tiefe und die Fähigkeit, kritische Fragen zu Kunst, Ethik und menschlicher Erkenntnis zu stellen.

Einige Stimmen merkten jedoch an, dass die ungewöhnliche Struktur und der reiche intertextuelle Bezug des Werks es für einige Leser herausfordernd machen können, Heines komplexe Themen und Stilfiguren vollständig zu erfassen.

In der modernen Literaturwissenschaft wird „Der Doktor Faust“ oft als ein bedeutendes Werk betrachtet, das Heines Auseinandersetzung mit der deutschen Literatur und Kultur sowie seine Ansichten zur Rolle des Künstlers in der Gesellschaft reflektiert.

Häufige Fragen und Antworten

Was unterscheidet Heines „Der Doktor Faust“ von anderen Adaptionen der Faust-Legende?

Heines Adaption unterscheidet sich durch die Einbindung des Tanzes als zentrales narrative Element und seine Betonung der lyrischen und kritischen Dimensionen der Geschichte, die eine tiefere Auseinandersetzung mit den Themen der Legende ermöglicht.

Warum wählte Heine den Tanz als zentrales Motiv in „Der Doktor Faust“?

Der Tanz dient in Heines Werk als Metapher für Verführung, Transformation und die Flüchtigkeit menschlicher Existenz, was ihm erlaubt, die inneren Konflikte und die Dualität von Fausts Charakter auf eine kreative Weise zu erforschen.

Wie behandelt Heine das Thema der Verführung und des Wissens in „Der Doktor Faust“?

Heine behandelt das Thema durch die komplexe Beziehung zwischen Faust und Mephistopheles, wobei Wissen sowohl als Quelle der Macht als auch als Weg in die Verdammnis dargestellt wird, und wirft Fragen nach dem Wert und den Grenzen menschlicher Erkenntnis auf.

Welche Bedeutung hat „Der Doktor Faust“ für das Verständnis von Heines Werk und Gedankenwelt?

„Der Doktor Faust“ bietet tiefe Einblicke in Heines philosophische und ästhetische Überzeugungen, insbesondere seine Reflexionen über die Natur der Kunst, die menschliche Condition und die moralischen Implikationen des Strebens nach Wissen und Macht.

Warum ist „Der Doktor Faust“ auch heute noch relevant?

Das Werk bleibt relevant, da es zentrale menschliche Fragen und Dilemmata in einer Form behandelt, die sowohl zeitgebunden als auch zeitlos ist. Heines Auseinandersetzung mit Themen wie der Suche nach Wissen, der Verführbarkeit des Menschen und der Rolle der Kunst und des Künstlers in der Gesellschaft spricht grundlegende Fragen der menschlichen Existenz an, die auch im aktuellen Kontext ihre Gültigkeit und Dringlichkeit behalten.

Darüber hinaus bietet „Der Doktor Faust“ durch seine innovative Verschmelzung von Dichtung, Tanz und philosophischem Diskurs einen einzigartigen Zugang zu diesen Themen, der Leserinnen und Leser einlädt, die Grenzen zwischen verschiedenen Kunstformen und Wissensgebieten zu hinterfragen und neu zu bewerten.

Heines Werk regt zum Nachdenken über die Konsequenzen menschlichen Handelns, die Verantwortung des Einzelnen gegenüber sich selbst und der Gesellschaft, und die Macht der Kunst, Wandel herbeizuführen und zu inspirieren, an. In einer Welt, die zunehmend von technologischem Fortschritt und der Frage nach ethischen Grenzen dominiert wird, bleibt „Der Doktor Faust“ ein kritisches und inspirierendes Zeugnis der menschlichen Fähigkeit, durch Kreativität und Reflexion Sinn und Richtung zu suchen.

Leseprobe:

Der Herzog wendet sich endlich gegen Faust und verlangt, als eine Probe seiner Schwarzkunst, den verstorbenen König David zu sehen, wie er vor der Bundeslade tanzte. Auf solches allerhöchste Verlangen nimmt Faust den Zauberstab aus den Händen Mephistophelas, schwingt ihn in beschwörender Weise, und aus der Erde, welche sich öffnet, tritt die begehrte Gruppe hervor: Auf einem Wagen, der von Leviten gezogen wird, steht die Bundeslade, vor ihr tanzt König David, possenhaft vergnügt und abenteuerlich geputzt, gleich einem Kartenkönig, und hinter der heiligen Lade, mit Spießen in den Händen, hüpfen schaukelnd einher die königlichen Leibgarden, gekleidet wie polnische Juden in lang herabschlotternd schwarzseidenen Kaftans und mit hohen Pelzmützen auf den spitzbärtigen Wackelköpfen. Nachdem diese Karikaturen ihren Umzug gehalten, verschwinden sie wieder in den Boden unter rauschenden Beifallsbezeugungen.

Aufs neue springen Faust und Mephistophela hervor zu einem glänzenden Pas-de-deux, wo der eine wieder die Herzogin und die andere wieder den Herzog mit verliebten Gebärden anlockt, so daß das erlauchte Fürstenpaar endlich nicht mehr widersteht und seinen Sitz verlassend, sich den Tänzen jener beiden anschließt. Dramatische Quadrille, wo Faust die Herzogin noch inniger zu bestricken sucht. Er hat ein Teufelsmal an ihrem Halse bemerkt, und indem er dadurch entdeckt, daß sie eine Zauberin sei, gibt er ihr ein Rendezvous für den nächsten Hexensabbat. Sie ist erschrocken und will leugnen, doch Faust zeigt hin auf ihren güldenen Schuh, welcher das Wahrzeichen ist, woran man die Domina, die fürnehmste Satansbraut, erkennt. Verschämt gestattet sie das Rendezvous. Parodistisch gebärden sich wieder gleichzeitig der Herzog und Mephistophela, und die dämonischen Tänzerinnen setzen den Tanz fort, nachdem die vier Hauptpersonen sich in Zwiegesprächen zurückgezogen.

Auf ein erneutes Begehr des Herzogs, ihm eine Probe seiner Zauberkunst zu geben, ergreift Faust den magischen Stab und berührt damit die eben dahinwirbelnden Tänzerinnen. Diese verwandeln sich im Nu wieder in Ungetüme, wie wir sie im ersten Akte gesehen, und aus dem graziösesten Ringelreihen in die täppischste und barockste Ronde überplumpsend, versinken sie zuletzt unter sprühenden Flammen in den sich öffnenden Boden. – Rauschend enthusiastischer Beifall, und Faust und Mephistophela verbeugen sich dankbar vor den hohen Herrschaften und einem verehrungswürdigen Publiko.

Aber nach jedem Zauberstück steigert sich die tolle Lust; die vier Hauptpersonen stürzen rücksichtslos wieder auf den Tanzplatz, und in der Quadrille, die sich erneuet, gebärdet sich die Leidenschaft immer dreister: Faust kniet nieder vor der Herzogin, die in nicht minder kompromittierenden Pantomimen ihre Gegenliebe kundgibt: vor der schäkernd hingerissenen Mephistophela kniet, wie ein lüsterner Faun, der alte Herzog; – doch indem er sich zufällig umwendet und seine Gattin nebst Faust in den erwähnten Posituren erblickt, springt er wütend empor, zieht sein Schwert und will den frechen Schwarzkünstler erstechen. Dieser ergreift rasch seinen Zauberstab, berührt damit den Herzog und auf dem Haupte desselben schießt ein ungeheures Hirschgeweih empor, an dessen Enden ihn die Herzogin zurückhält. Allgemeine Bestürzung der Höflinge, die ihre Schwerter ergreifen und auf Faust und Mephistophela eindringen. Faust aber bewegt wieder seinen Stab, und im Hintergrunde der Szene erklingen plötzlich kriegerische Trompetenstöße, und man erblickt in Reih und Glied eine ganze Schar von Kopf bis zu Füßen geharnischter Ritter. Indem die Höflinge sich gegen diese zu ihrer Verteidigung umwenden, fliegen Faust und Mephistophela durch die Luft davon, auf zwei schwarzen Rossen, die aus dem Boden hervorgekommen. Im selben Augenblick zerrinnt, wie eine Phantasmagorie, auch die bewaffnete Ritterschar.

Buchausgabe

Heinrich Heine.
Der Doktor Faust.
Ein Tanzpoem, nebst kuriosen Berichten über Teufel, Hexen und Dichtkunst.
Erstdruck: Hoffmann und Campe, Hamburg 1847.
Durchgesehener Neusatz, diese Ausgabe folgt: Sämtliche Werke II, Artemis und Winkler, München 1969.

Neuausgabe, LIWI Verlag, Göttingen 2020.

Verfasst von Thomas Löding, LIWI Blog, zuletzt aktualisiert am 22. März 2024

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