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Die besten Bücher von Else Lasker-Schüler
Das traditionelle Frauenbild ihrer Zeit lehnte sie konsequent ab. Als Teil der Berliner Bohème war sie von großer Bedeutung für den aufstrebenden Expressionismus.
Unkonventionell bis exzentrisch, sozial engagiert und eine einzigartige Künstlerin – Else Lasker-Schüler ist sowohl als Persönlichkeit als auch durch ihr unvergleichliches Werk interessant.
Zu Lasker-Schülers Œuvre gehören vor allem Gedichte. Doch hinterließ sie auch bemerkenswerte Prosa und Dramen.
Die Top 5 des LIWI-Verlags von Else Lasker-Schülers Prosawerken stellen wir im Folgenden vor.
1. Die Nächte der Tino von Bagdad – Realität und Fiktion verschmelzen
Prinzeß Tino von Bagdad’, so nannte Peter Hille Else Lasker-Schüler. „Tino ist der unpersönliche Name, den ich für die Freundin und den Menschen fand, die flammenden Geist und zitternde Welt wie mit Blumenkelchen umfangende Seele.“
Tino, so nannten Lasker-Schüler noch immer die wenigen verbliebenen Freunde, die sie im Januar 1945 auf dem Ölberg zu Grabe trugen. Lasker-Schüler selbst unterschrieb als Tino ihre Briefe und übernahm den Namen als literarische Ich-Figuration und Alter Ego.
1907 erschien Die Nächte der Tino von Bagdad als Lasker-Schülers zweiter Prosaband. Das Werk besteht aus 19 Episoden, die um eine orientalische Prinzessin kreisen. Damit lässt Lasker-Schüler die Grenzen von Fiktion und Realität verschmelzen.
„Spielen ist alles“, erklärte Lasker-Schüler einst. Und sie verstand zu spielen wie kaum eine andere. Sie spielte mit Worten, mit Bildern, mit Dichtung und Wirklichkeit und mit den Geschlechtern. Sie schuf Figuren, spielte Rollen, erfand sich immer wieder neu. Und wer ihre Texte liest, der möchte am liebsten mitspielen. Und für eine kurze Weile gewährt die Tino von Bagdad dem geneigten Leser einzutauchen in ihre Welt…
2. Der Prinz von Theben – ein Geschichtenbuch mit Zeichnungen
Eine weitere Ich-Figuration, die wenige Jahre nach der Tino von Bagdad in einem Buch erschien, ist Prinz Jussuf. Der Prinz von Theben ist ein Geschichtenbuch mit Zeichnungen Lasker-Schülers und Bildern ihres Freundes Franz Marc. In zwei Briefen an den Kunsthistoriker Eduard Plietzsch erklärt Lasker-Schüler die Figur des Prinzen als exilierten Traumdeuter und Briefeschreiber:
“Wenn ich an Sie schreiben werde so werden es dieselben Briefe sein, die Jussuf von Egypten Pharao schrieb mit dem Griffel auf Stein. […] Sie sind mir einmal schon in meiner Bibelzeit begegnet und Träume habe ich gedeutet, Ihre Träume […].”
Für Else Lasker-Schüler selbst war dieses männliche Alter Ego mehr als Maskerade. Jussuf war die Rüstung, in die sie jederzeit schlüpfen konnte, der Freifahrtschein in eine schönere Welt, eine freiere Welt. Jussuf entsprang einer Idee für ein Varitéprojekt, das nie aufgeführt wurde. Doch entstand im Rahmen der Arbeit an dem Projekt eines der bekanntesten Fotos der Autorin auf dem sie im Profil, mit Flöte im Mund zu sehen ist.
3. Der Malik – im Gedenken an den blauen Reiter
Else Lasker-Schüler und Franz Marc standen seit Ende 1912 in schriftlichem Kontakt. Lasker-Schüler nannte Marc den blauen Reiter oder auch den Fürst von Cana. Sie selbst unterschrieb als Jussuf ihre Briefe.
Selbst nach Marcs Einberufung in den Ersten Weltkrieg im August 1914 wurde der Briefwechsel fortgeführt. “Zweimal träumte ich hintereinander, wie du wieder aus dem Krieg kamst mit blauer Rüstung aus Stahl”, schrieb Lasker-Schüler. Doch Marc sollte diesen Krieg nicht überleben. Er fiel im März 1916 bei Verdun.
Den Briefroman Der Malik schuf Lasker-Schüler aus den Briefen Jussufs an seinen blauen Reiter. Orte, Zeiten und Namen werden in diesem avantgardistischen Werk durcheinandergewirbelt.
Wähnt man sich in einem Moment noch im Orient, so berlinert es kurz darauf gewaltig. Es wimmelt von bekannten Namen. Neben Franz Marc, an den sich die 55 Briefe des ersten Teils des Buches wenden, werden Autorenkollegen wie Gottfried Benn, Karl Kraus und Richard Dehmel erwähnt.
Der Malik wurde 1919 in Andenken an Franz Marc veröffentlicht.
4. Konzert – ein buntes Potpourri
Dieser Sammelband erschien erstmals 1932. Konzert entführt uns mit Prosa und Gedichten einmal mehr in die phantasievolle und phantastische Welt der Else Lasker-Schüler, die dieses Werk ihrer Mutter und ihrem zu diesem Zeitpunkt bereits verstorbenen Sohn Paul widmete.
Das Konzert ist eine wilde Mischung. Hier steht wundersame Lyrik neben Anekdoten, inspiriert von der eigenen Kindheit in Elberfeld. Zwischen phantasievollen Erzählungen finden sich Widmungen und im Dialekt verfasste Briefe. Es gibt eine Stellungnahme zum Abtreibungsparagraphen und einen Brief an den Finanzminister.
Melancholisch, traurig, skurril, amüsant und politisch geht es in diesem Konzert zu. In ihren Texten nimmt Lasker-Schüler uns mit auf eine Reise in ihre Vergangenheit, zu stilisierten Erinnerungen und sprechenden Pflanzen – ein wahrlich buntes Potpourri und ein einzigartiger Gruß einer einzigartigen Autorin:
“Es weinen über unsere Welt die Engel in der Nacht.
Sie läuterten mein Herz, die Fluren zu versüßen,
Und ließen euch in meinen Versen grüßen.”
5. Das Hebräerland – über einen Sehnsuchtsort
Als dieses Werk 1937 erschien, lebte Lasker-Schüler bereits seit einigen Jahren im Schweizer Exil. Noch 1932 wurde sie in Deutschland mit dem renommierten Kleist-Preis ausgezeichnet. Doch bereits ein Jahr später sah sie sich gezwungen, ins Exil nach Zürich zu flüchten.
Dort war sie zahlreichen bürokratischen Beschränkungen unterworfen und fühlte sich wenig willkommen. Das Hebräerland bedeutete für die Autorin stets Hoffnung. Es war ihr Sehnsuchtsort.
1934 unternahm Lasker-Schüler ihre erste Reise nach Palästina. Unter den Eindrücken dieser Reise aus dem Exil heraus begann sie an der Arbeit an Das Hebräerland. Es sollte ihre einzige im Exil verfasste Prosaschrift werden. Passagen mit spirituellem Inhalt wechseln mit Ortsbeschreibungen und den Erinnerungen an ihr vergangenes Leben in Deutschland.
Mit verklärtem Blick berichtet Lasker-Schüler im Hebräerland von den heiligen Städten und von den Menschen im Land ihrer jüdischen Vorfahren und zeigt sich als Träumende, als vom Schicksal geschlagene und als Mensch voller Hoffnung und Sehnsucht.
Biographie und weitere Empfehlungen
„Ich bin in Theben (Ägypten) geboren, wenn ich auch in Elberfeld zur Welt kam, im Rheinland. Ich ging bis elf Jahre zur Schule, wurde Robinson, lebte fünf Jahre im Morgenlande, und seitdem vegetiere ich.“
So beschreibt Else-Lasker Schüler selbst ihr Leben in der von Kurt Pinthus herausgegebenen expressionistischen Lyrikanthologie Menschheitsdämmerung. Tatsächlich führte Lasker-Schüler ein Leben, das man wohl am besten als unkonventionell und exzentrisch bezeichnen kann.
Else Lasker-Schüler lebte ein Leben frei von bürgerlichen Vorstellungen. Sie hatte wechselnde Liebschaften und trug ihren freien Lebensstil nicht zuletzt durch ihren für Zeit und Ort ungewöhnlichen Kleidungsstil mit weiten Hosen, bunten Gewändern und auffälligem, klimperndem Schmuck nach außen.
Bevor sie Schriftstellerin wurde, heiratete sie mit 25 Jahren den Arzt Jonathan Berthold Lasker. Das Ehepaar zog nach Berlin und Else Lasker-Schüler widmete sich dem Studium der Malerei. Kurz nach der Geburt ihres Sohnes veröffentlichte sie ihre ersten Gedichte. Es folgten Essays, Prosatexte und Dramen. Ihre Arbeit erregte einiges Aufsehen in der Berliner Künstlerszene.
1903 wurde ihre Ehe geschieden. Im gleichen Jahr heiratete sie Georg Lewin, der vielen besser unter seinem Künstlernamen Herwarth Walden bekannt ist. Doch auch diese Ehe war nicht von Dauer. Und der frühe Tod ihres Sohnes im Jahr 1927 stürzte Lasker-Schüler in eine schwere Krise.
Nach der Bedrohung ihres Lebens durch die Nationalsozialisten und nach tätlichen Angriffen emigrierte die Autorin 1933 in die Schweiz. Dort stand sie jedoch unter Arbeitsverbot. Nachdem es ihr durch den Kriegsbeginn nicht möglich war, von einer Reise nach Palästina in die Schweiz zurückzukehren, lebte sie fortan im Land ihrer jüdischen Vorfahren. Mit 75 Jahren verstarb Lasker-Schüler verarmt in Jerusalem.
FAQ: Else Lasker-Schüler
Wer war Else Lasker-Schüler?
Else Lasker-Schüler (1869–1945) war eine deutsche Schriftstellerin und Künstlerin, die zu den bedeutendsten Lyrikerinnen der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts zählt. Sie war auch für ihre dramatischen Werke und ihre Prosa bekannt und machte sich ebenso als avantgardistische Zeichnerin einen Namen. Ihre Werke sind tiefgründig, emotional und oft von ihrem jüdischen Erbe sowie ihrer unkonventionellen Persönlichkeit inspiriert.
Was sind die bekanntesten Werke von Else Lasker-Schüler?
Zu den bekanntesten Werken von Else Lasker-Schüler gehören der Gedichtband „Der siebente Tag“ (1905), die Prosasammlung „Die Nächte Tino von Bagdads“ (1907), das Gedicht „Weltende“ (1905), das Drama „Die Wupper“ (1909) und der Lyrikband „Mein blaues Klavier“ (1943).
Was macht den Stil von Else Lasker-Schüler aus?
Else Lasker-Schülers Stil ist geprägt von einer intensiven Bildsprache, emotionaler Tiefe und einer starken Verwendung symbolischer und mystischer Elemente. Ihre Werke zeichnen sich durch eine Verbindung von Traum und Wirklichkeit, eine leidenschaftliche Ausdrucksweise und eine tiefe Empathie für Außenseiter und Verfolgte aus. Sie experimentierte mit Sprache, um ihre innere Welt und ihre Sehnsüchte auszudrücken.
Wie war Else Lasker-Schülers Leben?
Else Lasker-Schüler wurde in eine jüdische Familie in Elberfeld (heute Wuppertal) geboren und zog später nach Berlin, wo sie eine zentrale Figur der literarischen Bohème wurde. Ihr Leben war geprägt von persönlichen Schicksalsschlägen, darunter die Scheidung von ihrem Mann, dem Arzt und Schachmeister Berthold Lasker, und der frühe Tod ihres Sohnes. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten emigrierte sie schließlich über die Schweiz nach Palästina, wo sie bis zu ihrem Tod lebte.
Inwiefern setzte sich Else Lasker-Schüler mit ihrer jüdischen Identität auseinander?
Else Lasker-Schüler setzte sich in ihren Werken intensiv mit ihrer jüdischen Identität und den mystischen Traditionen des Judentums auseinander. Sie griff biblische Motive auf und verband diese mit zeitgenössischen Themen, um universelle Fragen von Identität, Zugehörigkeit und Exil zu erkunden. Ihre Werke tragen dazu bei, das jüdische kulturelle Erbe zu bewahren und zu reflektieren.
Wie wurde Else Lasker-Schüler von den Nationalsozialisten behandelt?
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde Else Lasker-Schüler zur Zielscheibe wegen ihrer jüdischen Herkunft und ihres avantgardistischen Schaffens. Ihre Bücher wurden verboten und verbrannt, und sie musste Deutschland verlassen. Sie fand in der Schweiz und später in Palästina Zuflucht, litt jedoch unter finanziellen Schwierigkeiten und der Trennung von ihrer künstlerischen und literarischen Gemeinschaft.
Welche Bedeutung hat Else Lasker-Schüler für die Literaturgeschichte?
Else Lasker-Schüler gilt als eine der innovativsten Stimmen der deutschen Literatur des frühen 20. Jahrhunderts. Ihre einzigartige poetische Sprache, ihr Mut zur Selbstinszenierung und ihr Engagement für kulturelle und soziale Themen machen sie zu einer wichtigen Figur der literarischen Moderne. Sie hat das Genre der Lyrik nachhaltig geprägt und inspiriert bis heute Schriftstellerinnen und Schriftsteller weltweit.
Wie beeinflusste Else Lasker-Schülers Exil ihr Schaffen?
Else Lasker-Schülers Exil prägte ihr Schaffen tiefgehend. Die Erfahrung des Verlustes ihrer Heimat, der Isolation und der Konfrontation mit der eigenen Identität in einem fremden Land spiegelt sich in vielen ihrer späteren Werke wider. In Palästina fand sie eine neue Quelle der Inspiration, was sich in einer intensiveren Auseinandersetzung mit jüdischen Themen und einer stärkeren Hinwendung zu biblischen Motiven äußerte.
Welchen Einfluss hatte Else Lasker-Schüler auf die expressionistische Bewegung?
Else Lasker-Schüler war eine Schlüsselfigur des literarischen Expressionismus. Mit ihrer expressiven Sprache, ihrer Vorliebe für metaphorische und symbolische Bilder sowie ihrer Fähigkeit, tiefgreifende emotionale Zustände auszudrücken, trug sie maßgeblich zur Entwicklung und Verbreitung expressionistischer Ideen bei. Ihre Werke wurden in führenden expressionistischen Zeitschriften veröffentlicht und beeinflussten Zeitgenossen und nachfolgende Generationen.
Gibt es Verfilmungen von Else Lasker-Schülers Werken oder Biografie?
Bislang gibt es nur wenige Verfilmungen, die direkt auf Else Lasker-Schülers Werken basieren oder ihr Leben thematisieren. Jedoch wurde ihr außergewöhnliches Leben und ihr umfangreiches literarisches Schaffen in Dokumentationen und biografischen Filmen aufgegriffen. Diese filmischen Annäherungen an Else Lasker-Schüler bieten interessante Einblicke in ihr Werk und ihre Zeit.
Wie wurde Else Lasker-Schüler posthum gewürdigt?
Posthum wurde Else Lasker-Schüler durch zahlreiche Auszeichnungen, Gedenkveranstaltungen und die Benennung von Straßen und Institutionen nach ihr gewürdigt. Ihr Werk ist Gegenstand akademischer Forschung und literarischer Diskurse weltweit. Museen und Ausstellungen widmen sich regelmäßig ihrem Leben und Schaffen, um ihr Erbe lebendig zu halten und einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.
Wo findet man Else Lasker-Schülers Zeichnungen und künstlerische Arbeiten?
Else Lasker-Schülers Zeichnungen und künstlerische Arbeiten sind in verschiedenen Kunstsammlungen und Museen ausgestellt, unter anderem im Jüdischen Museum in Berlin und in der Israelischen Nationalbibliothek in Jerusalem. Einige ihrer Werke sind auch in privaten Sammlungen zu finden. Darüber hinaus wurden Reproduktionen ihrer Kunst in Büchern und Ausstellungskatalogen veröffentlicht, die ihre multidisziplinäre Kreativität unterstreichen.
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Demnächst erscheint auch eine Auswahl ihrer Gedichte im LIWI-Verlag.
Video zu Else Lasker-Schüler
Klassiker der Weltliteratur: Else Lasker-Schüler | BR-alpha
Verfasst von Thomas Löding, LIWI Blog, 18. März 2024