Franz Kafka blumfeld

Blumfeld, ein älterer Junggeselle

„Unzählige Male in der Nacht wird er durch die Täuschung aufgeschreckt, als ob jemand an die Tür klopfe. Er weiß auch bestimmt, daß niemand klopft; wer wollte in der Nacht klopfen und an seine, eines einsamen Junggesellen Tür. Obwohl er es aber bestimmt weiß, fährt er doch immer wieder auf und blickt einen Augenblick lang gespannt zur Türe, den Mund offen, die Augen aufgerissen und die Haarsträhnen schütteln sich auf seiner feuchten Stirn.“

Kafkas berühmte Erzählung „Blumfeld, ein älterer Junggeselle“ entstand 1915 und wurde erstmals nach seinem Tod veröffentlicht. Die Geschichte zählt zu den außergewöhnlich humorvollen Texten Kafkas: Der Junggeselle Blumfeld verfolgt in slapstickartiger Manier zwei Tischtennisbälle, die sich in seinem Zimmer verselbstständigt haben. Der Text beeinflusste auch die die Band „Blumfeld“, die sich 1990 nach ihm benannte, und zählt bis heute zu den meistgelesenen Erzählungen Kafkas.

Blumfeld – Zusammenfassung des Inhalts

Blumfeld, ein älterer Junggeselle“ ist eine unvollendete Erzählung von Franz Kafka, die vermutlich zwischen 1915 und 1917 geschrieben und erst posthum veröffentlicht wurde. Die Geschichte folgt dem Alltag von Herrn Blumfeld, einem älteren Junggesellen und Angestellten, dessen Leben durch ein ungewöhnliches Ereignis aus dem Gleichgewicht gebracht wird.

Die Erzählung beginnt damit, dass Blumfeld abends in seiner Wohnung von zwei kleinen Bällen überrascht wird, die aus unerklärlichen Gründen zu ihm gekommen sind und ihn durch ihr ununterbrochenes Hüpfen und Kollidieren belästigen. Blumfeld ist irritiert und fasziniert zugleich von diesen Bällen, findet jedoch keine logische Erklärung für ihr Erscheinen und ihr Verhalten. Trotz aller Versuche, sie loszuwerden oder zu ignorieren, folgen ihm die Bälle hartnäckig, auch als er sich auf den Weg zur Arbeit macht.

Im Büro setzt sich Blumfelds Frustration fort, da er sich mit den alltäglichen Herausforderungen seines Berufslebens auseinandersetzen muss, darunter die Konfrontation mit seinen jüngeren Untergebenen, die ihn nicht respektieren, und die monotone Routine seiner Büroarbeit. Die Bälle, die ihn weiterhin begleiten, werden zu einem Symbol für die Störung seiner gewohnten Ordnung und die unerwünschte Invasion des Privaten in die öffentliche Sphäre seines Lebens.

Die Geschichte bricht abrupt ab, ohne dass eine Auflösung der Situation mit den Bällen oder eine weiterführende Entwicklung von Blumfelds Charakter stattfindet. Kafkas Erzählung lässt viele Fragen offen.

Blumfeld – Analyse und Interpretation

Die Erzählung „Blumfeld, ein älterer Junggeselle“ von Franz Kafka bietet reichlich Stoff für Analyse und Interpretation, insbesondere durch die Darstellung der Absurdität des Alltags und die tiefe Einsamkeit des Protagonisten. Die Geschichte ist geprägt von Kafkas charakteristischem Stil, der die Absurdität und oft kafkaeske Bürokratie des modernen Lebens hervorhebt.

Die Absurdität des Alltags

Eines der zentralen Themen der Erzählung ist die Absurdität des Alltags, die durch das unerklärliche Auftauchen der Bälle in Blumfelds Wohnung symbolisiert wird. Diese Bälle, die ohne ersichtlichen Grund erscheinen und Blumfeld belästigen, stellen eine Störung seiner gewohnten Ordnung dar und zwingen ihn, sich mit einer Situation auseinanderzusetzen, die außerhalb seiner Kontrolle liegt. Die Absurdität dieser Situation reflektiert Kafkas Sicht auf das Leben, in dem Individuen häufig mit unerklärlichen und unüberwindbaren Kräften konfrontiert sind.

Einsamkeit und Isolation

Ein weiteres wichtiges Thema der Erzählung ist die Einsamkeit und Isolation des Protagonisten. Blumfeld, ein älterer Junggeselle ohne nahe Freunde oder Familie, verkörpert die tiefgreifende Einsamkeit, die viele Menschen in der modernen Gesellschaft erleben. Seine Interaktionen mit den Bällen und später mit seinen Untergebenen im Büro unterstreichen seine soziale Isolation und sein Unvermögen, bedeutungsvolle Verbindungen zu anderen Menschen herzustellen.

Die Unmöglichkeit der Kommunikation

Eng verbunden mit dem Thema der Einsamkeit ist die Unmöglichkeit der Kommunikation. Blumfelds Versuche, den Bällen zu entkommen oder sie loszuwerden, scheitern, was seine Frustration und sein Gefühl der Machtlosigkeit verstärkt. Diese erfolglosen Versuche symbolisieren die Schwierigkeiten der Kommunikation und des Verständnisses zwischen Individuen sowie die oft vergeblichen Bemühungen, die eigene Position in der Welt zu verstehen oder zu verändern.

Konformität und Bürokratie

Die Erzählung bietet auch eine Kritik an der Konformität und Bürokratie der Arbeitswelt. Blumfelds monotone Routine im Büro und seine Konflikte mit jüngeren Angestellten, die ihn nicht respektieren, beleuchten die Entfremdung und Entmenschlichung, die in bürokratischen Systemen auftreten können. Kafkas Darstellung des Bürolebens reflektiert seine tiefgreifende Skepsis gegenüber gesellschaftlichen Strukturen, die Individuen in Rollen zwingen, die ihre menschlichen Bedürfnisse und Wünsche ignorieren.

Fazit

Insgesamt ist „Blumfeld, ein älterer Junggeselle“ eine tiefgründige Untersuchung der menschlichen Existenz, die Themen der Absurdität, Einsamkeit, der Schwierigkeiten der Kommunikation und der Kritik an gesellschaftlichen Strukturen behandelt. Durch die unvollendete Natur der Geschichte lässt Kafka viele Fragen offen und regt die Leser dazu an, über die Bedingungen des modernen Lebens und die menschliche Suche nach Sinn und Verbindung nachzudenken. Die Erzählung bleibt ein faszinierendes Werk, das die Komplexität der menschlichen Erfahrung in einer oft unverständlichen Welt einfängt.

Häufige Fragen zu „Blumfeld, ein älterer Junggeselle“ von Kafka

Wer ist der Autor von „Blumfeld, ein älterer Junggeselle“?

Franz Kafka, ein bedeutender Autor der modernen Literatur, ist der Verfasser dieser unvollendeten Erzählung.

Wann wurde „Blumfeld, ein älterer Junggeselle“ geschrieben?

Die Erzählung wurde vermutlich zwischen 1915 und 1917 geschrieben, aber wie viele von Kafkas Werken, erst posthum veröffentlicht.

Was ist das Hauptthema der Erzählung?

Das Hauptthema umfasst die Absurdität des Alltags, Einsamkeit und Isolation des Protagonisten sowie die Herausforderungen und die Entfremdung innerhalb der modernen Arbeitswelt.

Wer ist Blumfeld?

Blumfeld ist der Protagonist der Erzählung, ein älterer Junggeselle und Büroangestellter, dessen Leben durch das unerklärliche Erscheinen zweier hüpfender Bälle in seiner Wohnung gestört wird.

Welche Rolle spielen die hüpfenden Bälle in der Geschichte?

Die Bälle symbolisieren die Störung von Blumfelds routiniertem und einsamem Leben und können als Manifestation seiner inneren Konflikte und Wünsche interpretiert werden. Sie repräsentieren die unerklärliche und oft absurde Natur der Herausforderungen, denen Menschen im Leben begegnen.

Ist „Blumfeld, ein älterer Junggeselle“ abgeschlossen?

Nein, die Erzählung bleibt unvollendet. Kafka brach die Arbeit an „Blumfeld“ ab, ohne eine Auflösung der Geschichte oder des Konflikts um die Bälle zu bieten.

Welche Bedeutung hat die Erzählung in Kafkas Gesamtwerk?

„Blumfeld, ein älterer Junggeselle“ reflektiert viele der zentralen Themen in Kafkas Werk, einschließlich der Konfrontation des Individuums mit absurden und unentrinnbaren Situationen. Es bietet Einblicke in Kafkas Auseinandersetzung mit der Einsamkeit, Entfremdung und den sozialen Konventionen.

Wie wurde „Blumfeld, ein älterer Junggeselle“ von Kritikern und Lesern aufgenommen?

Obwohl nicht so bekannt wie einige seiner anderen Werke, wird „Blumfeld, ein älterer Junggeselle“ von Kritikern und Lesern für seine tiefgründige Darstellung der menschlichen Natur und der modernen Gesellschaft geschätzt. Die Erzählung wird oft als ein faszinierendes Beispiel für Kafkas Fähigkeit angesehen, komplexe Themen aufzugreifen und tief in die Psyche seiner Charaktere einzutauchen.

Gibt es Interpretationen oder Analysen der Erzählung?

Ja, es gibt zahlreiche Interpretationen und Analysen von „Blumfeld, ein älterer Junggeselle“, die sich mit den verschiedenen Themen und Symbolen der Geschichte auseinandersetzen. Akademiker und Kafka-Enthusiasten haben die Erzählung aus verschiedenen Blickwinkeln untersucht, um die vielschichtigen Bedeutungen und die künstlerische Komplexität des Textes zu erörtern.

Buchausgabe

Franz Kafka.
Blumfeld, ein älterer Junggeselle.
Entstanden 1915. Durchgesehener Neusatz, diese Ausgabe folgt:
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1970.

EAN: 9783965423169
ISBN: 3965423169
Paperback.
LIWI Literatur- und Wissenschaftsverlag
Mai 2020 – 24 Seiten

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„Blumfeld, ein älterer Junggeselle, stieg eines abends zu seiner Wohnung hinauf, was eine mühselige Arbeit war, denn er wohnte im sechsten Stock. Während des Hinaufsteigens dachte er, wie öfters in der letzten Zeit, daran, daß dieses vollständig einsame Leben recht lästig sei, daß er jetzt diese sechs Stockwerke förmlich im Geheimen hinaufsteigen müsse, um oben in seinen leeren Zimmern anzukommen, dort wieder förmlich im Geheimen den Schlafrock anzuziehn, die Pfeife anzustecken, in der französischen Zeitschrift, die er schon seit Jahren abonniert hatte, ein wenig zu lesen, dazu an einem von ihm selbst bereiteten Kirschenschnaps zu nippen und schließlich nach einer halben Stunde zu Bett zu gehn, nicht ohne vorher das Bettzeug vollständig umordnen zu müssen, das die jeder Belehrung unzugängliche Bedienerin immer nach ihrer Laune hinwarf. Irgendein Begleiter, irgendein Zuschauer für diese Tätigkeiten wäre Blumfeld sehr willkommen gewesen. Er hatte schon überlegt, ob er sich nicht einen kleinen Hund anschaffen solle. Ein solches Tier ist lustig und vor allem dankbar und treu; ein Kollege von Blumfeld hat einen solchen Hund, er schließt sich niemandem an, außer seinem Herrn, und hat er ihn ein paar Augenblicke nicht gesehn, empfängt er ihn gleich mit großem Bellen, womit er offenbar seine Freude darüber ausdrücken will, seinen Herrn, diesen außerordentlichen Wohltäter wieder gefunden zu haben. Allerdings hat ein Hund auch Nachteile. Selbst wenn er noch so reinlich gehalten wird, verunreinigt er das Zimmer. Das ist gar nicht zu vermeiden, man kann ihn nicht jedesmal, ehe man ihn ins Zimmer hineinnimmt, in heißem Wasser baden, auch würde das seine Gesundheit nicht vertragen. Unreinlichkeit in seinem Zimmer aber verträgt wieder Blumfeld nicht, die Reinheit seines Zimmers ist ihm etwas Unentbehrliches, mehrmals in der Woche hat er mit der in diesem Punkte leider nicht sehr peinlichen Bedienerin Streit. Da sie schwerhörig ist, zieht er sie gewöhnlich am Arm zu jenen Stellen des Zimmers, wo er an der Reinlichkeit etwas auszusetzen hat. Durch diese Strenge hat er es erreicht, daß die Ordnung im Zimmer annähernd seinen Wünschen entspricht. Mit der Einführung eines Hundes würde er aber geradezu den bisher so sorgfältig abgewehrten Schmutz freiwillig in sein Zimmer leiten. Flöhe, die ständigen Begleiter der Hunde, würden sich einstellen. Waren aber einmal Flöhe da, dann war auch der Augenblick nicht mehr fern, an dem Blumfeld sein behagliches Zimmer dem Hund überlassen und ein anderes Zimmer suchen würde. Unreinlichkeit war aber nur ein Nachteil der Hunde. Hunde werden auch krank und Hundekrankheiten versteht doch eigentlich niemand. Dann hockt dieses Tier in einem Winkel oder hinkt herum, winselt, hüstelt, würgt an irgendeinem Schmerz, man umwickelt es mit einer Decke, pfeift ihm etwas vor, schiebt ihm Milch hin, kurz, pflegt es in der Hoffnung, daß es sich, wie es ja auch möglich ist, um ein vorübergehendes Leiden handelt, indessen aber kann es eine ernsthafte, widerliche und ansteckende Krankheit sein. Und selbst wenn der Hund gesund bleibt, so wird er doch später einmal alt, man hat sich nicht entschließen können, das treue Tier rechtzeitig wegzugeben, und es kommt dann die Zeit, wo einen das eigene Alter aus den tränenden Hundeaugen anschaut. Dann muß man sich aber mit dem halbblinden, lungenschwachen, vor Fett fast unbeweglichen Tier quälen und damit die Freuden, die der Hund früher gemacht hat, teuer bezahlen. So gern Blumfeld einen Hund jetzt hätte, so will er doch lieber noch dreißig Jahre allein die Treppe hinaufsteigen, statt später von einem solchen alten Hund belästigt zu werden, der, noch lauter seufzend als er selbst, sich neben ihm von Stufe zu Stufe hinaufschleppt.“

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Verfasst von Thomas Löding, LIWI Blog, zuletzt aktualisiert am 25. März 2024