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Innere Emigration (Epoche)

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Die Innere Emigration bezieht sich auf die Haltung und die künstlerische Praxis von Schriftstellern und Künstlern, die während des Nationalsozialismus in Deutschland verblieben, sich jedoch innerlich von dem Regime distanzierten. Diese Künstler wählten, ihre Kritik versteckt in ihren Werken auszudrücken, anstatt ins Exil zu gehen.

Definition Innere Emigration

Innere Emigration bezeichnet die Entscheidung von Künstlern und Intellektuellen, trotz der persönlichen Risiken und der politischen Unterdrückung im Dritten Reich zu bleiben. Sie suchten nach Wegen, durch ihre Kunst und Literatur subtil Widerstand gegen das Regime zu leisten.

Innere Emigration – Podcast Kulturforum Erich Kästner

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Innere Emigration Epoche – geschichtlicher Hintergrund

Die Innere Emigration ist tief in der Zeit des Nationalsozialismus verwurzelt, einer Epoche, die durch die repressiven und totalitären Strukturen eines Polizeistaates gekennzeichnet war.

  • Machtergreifung: Im Jahr 1933 etablierte Adolf Hitler und die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) eine Diktatur in Deutschland, die den Grundstein für das Dritte Reich legte.
  • Gleichschaltung: Die Nazis strebten eine vollständige Kontrolle über alle gesellschaftlichen Bereiche an, einschließlich der Kunst und Literatur, was zu einer massiven Zensur und Kontrolle kultureller Ausdrucksformen führte.
  • Berufsverbote und Zensur: Viele Künstler und Schriftsteller wurden mit Berufsverboten belegt oder deren Werke wurden als „entartete Kunst“ diffamiert und verboten.
  • Reaktion der Künstler: Einige Künstler entschieden sich gegen das Exil und blieben in Deutschland. Sie praktizierten eine Form des Widerstands, indem sie ihre kritischen Ansichten und ihre Ablehnung des Regimes durch subtile Botschaften in ihren Werken zum Ausdruck brachten.
  • Rolle der inneren Emigranten: Diese Personen wählten oft das „beredte Schweigen“ oder nutzten metaphorische und symbolische Sprache, um ihre wahre Meinung zu verschleiern und gleichzeitig Kritik zu üben.

Abgrenzung zur Exilliteratur

Die Innere Emigration unterscheidet sich grundlegend von der Exilliteratur. Während Exilliteratur von Autoren geschrieben wurde, die Deutschland aufgrund der politischen Verfolgung verlassen hatten und ihre Werke oft offen gegen das Nazi-Regime gerichtet waren, blieben die Vertreter der Inneren Emigration physisch innerhalb der Grenzen des Dritten Reichs:

  • Standort: Innere Emigranten blieben in Deutschland, im Gegensatz zu Exilschriftstellern, die im Ausland lebten.
  • Ausdruck von Widerstand: Innere Emigranten mussten ihre Kritik subtil und oft metaphorisch verstecken, wohingegen Exilschriftsteller frei von Zensur offen kritisieren konnten.
  • Risiko und Isolation: Das Risiko für innere Emigranten bestand darin, entdeckt und verfolgt zu werden, während Exilschriftsteller physisch sicher, aber oft isoliert von der Heimat waren.

Abgrenzung zur Blut-und-Boden-Literatur

Die Blut-und-Boden-Literatur war eine von den Nationalsozialisten geförderte literarische Strömung, die das ländliche Leben, die Heimatverbundenheit und rassistische Ideologien verherrlichte. Im direkten Gegensatz dazu stand die Innere Emigration:

  • Ideologische Ausrichtung: Während Blut-und-Boden-Literatur die Nazi-Ideologie unterstützte und förderte, verbarg die Innere Emigration subtilen Widerstand und Kritik innerhalb ihrer Werke.
  • Inhaltliche Schwerpunkte: Blut-und-Boden-Literatur fokussierte auf das Agrarische und „rein Germanische“, wohingegen Werke der Inneren Emigration oft das Individuum in moralischen und ethischen Dilemmata thematisierten.
  • Zielsetzung: Die Zielsetzung der Blut-und-Boden-Literatur war die Stärkung des nationalsozialistischen Weltbildes, während die Innere Emigration eine kritische Reflexion der Zeitumstände anstrebte, oft verpackt in tiefgründigen, mehrdeutigen Geschichten.

Innere Emigration Merkmale – Welt- und Menschenbild

Die Innere Emigration reflektiert ein Welt- und Menschenbild, das durch eine tiefe innere Zerrissenheit und ethische Fragestellungen geprägt ist.

  • Dualität des Seins: Künstler in der Inneren Emigration lebten in einem Spannungsfeld zwischen öffentlicher Konformität und privater Ablehnung des Regimes.
  • Moralische Integrität: Die Wahrung der moralischen Integrität stand im Mittelpunkt, da die Künstler und Schriftsteller versuchten, ihre ethischen Überzeugungen unter extremen Bedingungen zu bewahren.
  • Verborgener Widerstand: Das Menschenbild umfasst oft Charaktere, die in subtilen und verdeckten Formen Widerstand leisten, ohne sich offen zu exponieren.
  • Isolation und Einsamkeit: Viele Werke thematisieren die Isolation und die Einsamkeit der Individuen, die sich von der ideologisch überformten Gesellschaft entfremdet fühlen.

Innere Emigration Merkmale – Themen und Motive

Die literarischen Werke der Inneren Emigration sind reich an Themen und Motiven, die die komplexen emotionalen und intellektuellen Reaktionen auf die Lebensbedingungen im Dritten Reich widerspiegeln.

  • Subtiler Widerstand: Die Werke enthalten oft subtile Kritik und verdeckten Widerstand gegen das Nazi-Regime, versteckt hinter Metaphern und Symbolen.
  • Moralische Dilemmata: Ein zentrales Thema ist das moralische Dilemma der Charaktere, die zwischen Anpassung und Widerstand schwanken.
  • Identitätskonflikte: Fragen der Identität und Selbstwahrnehmung unter einem autoritären Regime sind häufige Motive.
  • Verlust von Freiheit: Die Auseinandersetzung mit dem Verlust von Freiheit und Autonomie sowohl im physischen als auch im intellektuellen Sinne wird oft thematisiert.
  • Kulturelle Integrität: Die Bewahrung der kulturellen Integrität gegenüber der ideologischen Vereinnahmung durch das Regime spielt eine wesentliche Rolle in den Werken der Inneren Emigranten.

Gattungen der Inneren Emigration (Epoche)

Die Innere Emigration fand Ausdruck in verschiedenen literarischen Gattungen, wobei jede Gattung ihre eigenen Besonderheiten und Schwerpunkte aufwies.

Lyrik

Lyrik war eine wichtige Ausdrucksform der Inneren Emigration. Die Gedichte dieser Epoche sind oft von einer tiefen Melancholie und einer subtilen Kritik geprägt.

  • Symbolik und Metaphern: Dichter nutzten häufig Symbolik und Metaphern, um ihre Kritik am Regime zu verschleiern.
  • Emotionale Tiefe: Die Gedichte reflektieren die emotionale Tiefe und die innere Zerrissenheit der Autoren.
  • Knappe Ausdrucksweise: Eine knappe und prägnante Sprache war charakteristisch, um die verborgenen Botschaften effektiv zu vermitteln.

Epik

In der Epik der Inneren Emigration, bestehend aus Romanen und Erzählungen, wurden komplexe Geschichten erzählt, die oft die moralischen Dilemmata der Figuren in den Vordergrund stellten.

  • Verschlüsselte Kritik: Romane und Erzählungen nutzten oft verschlüsselte Kritik, um die repressiven Zustände unter dem NS-Regime zu thematisieren.
  • Charakterentwicklung: Die Figuren sind meist tiefgründig und vielschichtig, oft im Zwiespalt zwischen Anpassung und Widerstand.
  • Realistische Darstellungen: Eine realistische Darstellung des Alltagslebens, gepaart mit subtiler Kritik, zeichnete diese Werke aus.

Dramatik

Dramatik in der Inneren Emigration spielte eine besondere Rolle, da Theaterstücke ein direktes und kraftvolles Medium für die Auseinandersetzung mit aktuellen Themen boten.

  • Verdeckte Botschaften: Theaterstücke enthielten oft verdeckte Botschaften und subversive Elemente, die das Publikum zum Nachdenken anregen sollten.
  • Konflikte und Dilemmata: Die dramatischen Werke thematisierten häufig die inneren und äußeren Konflikte der Protagonisten.
  • Minimalistische Inszenierung: Eine minimalistische Inszenierung wurde oft gewählt, um den Fokus auf die Dialoge und die zugrunde liegenden Botschaften zu lenken.

Innere Emigration: Wichtige Autoren und Werke

  • Stefan Andres: El Greco malt den Großinquisitor (1936)
  • Erich Kästner: Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke (1936)
  • Ernst Wiechert: Das einfache Leben (1939)
  • Oskar Loerke: Gedichte (1941)
  • Ricarda Huch: Deutsche Geschichte (Sachbuch, 1934-1949)
  • Gertrud von Le Fort: Die Consolata (1943 vollendet, 1947 veröffentlicht)
  • Ernst Jünger: Auf den Marmorklippen (1939)

Quellen und Links

Siehe auch:

Verfasst von Thomas Löding, LIWI Blog, zuletzt aktualisiert am 22. Juni 2024