Gustave Flaubert - Madame Bovary (Roman)

Madame Bovary (Roman)

»Ja, eines Tages begegnet man ihm … ganz unerwartet, gerade wenn man alle Hoffnung verloren hat! Dann öffnet sich der Himmel, und es ist einem, als riefe eine Stimme: ‚Hier ist das Glück!‘ Und dem Menschen, den Sie da gefunden haben, dem müssen Sie aus innerm Drange heraus ihr Leben anvertrauen, ihm alles geben, alles opfern! Es werden keine Worte gewechselt. Alles ist nur Ahnung, Gefühl! Man hat sich ja längst im Traumland gesehen….«

Der berühmteste Roman Flauberts wurde nach seinem Erscheinen zunächst verboten und erschien unzensiert erstmals 1857. Hier liegt der Roman in der vielgelesenen Übersetzung von Arthur Schurig in einer Neuausgabe vor.

„Madame Bovary“ – Zusammenfassung / Inhalt

Einführung in Charles Bovarys Leben

Die Geschichte beginnt mit Charles Bovary, der als junger, unscheinbarer Junge beschrieben wird, der seine Schulzeit in relativer Einsamkeit und Mittelmäßigkeit verbringt.

Charles wird Arzt und heiratet auf Wunsch seiner Mutter eine Witwe, die sich bald als tyrannisch und unzufrieden herausstellt.

Nach dem Tod seiner ersten Frau begegnet Charles Emma Rouault, einer schönen, träumerischen jungen Frau, die er bald darauf heiratet.

Emma wird als charakterlich komplex und tief unzufrieden mit ihrem Leben dargestellt, voller Sehnsucht nach Leidenschaft und Romantik.

Emmas Sehnsucht und Desillusionierung

Nach ihrer Heirat ziehen Emma und Charles nach Yonville, wo Emma schnell von der Monotonie des ländlichen Lebens und ihrer Ehe desillusioniert wird.

Sie träumt von einem glamouröseren Leben, inspiriert von den sentimentalen Romanen, die sie verschlingt, und hofft auf eine Flucht aus ihrer empfundenen Gefangenschaft.

Emma versucht zunächst, ihrer Unzufriedenheit durch die Perfektionierung ihres Haushalts und die Organisation von Gesellschaften zu entkommen, findet darin aber keine Erfüllung.

Ihre Frustration wächst, als sie realisiert, dass ihr Leben nicht den idealisierten Vorstellungen entspricht, die sie aus ihren Büchern kennt.

Affären und der Versuch der Befreiung

Emma beginnt eine Affäre mit Léon Dupuis, einem jungen Rechtsgehilfen, der ihre Leidenschaft für Literatur teilt, aber ihre Beziehung endet, bevor sie zu tief wird, da Léon Yonville verlässt.

Später verfällt Emma dem charmanten Rodolphe Boulanger, einem wohlhabenden Grundbesitzer, der ihre Sehnsüchte ausnutzt und eine leidenschaftliche Affäre mit ihr beginnt.

Rodolphe verliert jedoch das Interesse und verlässt Emma, was sie in eine tiefe Depression stürzt.

Die Affären hinterlassen Emma emotional und finanziell ruiniert, während sie verzweifelt versucht, den Schein eines respektablen Lebens aufrechtzuerhalten.

Der Fall in die Schuldenfalle

Um ihre extravaganten Wünsche und die Kosten ihrer Affären zu decken, gerät Emma immer tiefer in Schulden.

Sie wird vom skrupellosen Händler Lheureux manipuliert, der ihre Situation ausnutzt, um sie in einen Zyklus von Schulden und Krediten zu verstricken.

Als ihre finanzielle Situation unhaltbar wird, versucht Emma, Geld von mehreren Bekannten zu leihen, scheitert jedoch.

In ihrer Verzweiflung und aus Angst vor Schande und Gefängnis fasst Emma den fatalen Entschluss, ihr Leben zu beenden.

Emmas Tragisches Ende

Emma nimmt Arsen zu sich und stirbt einen langsamen, qualvollen Tod, der von Flaubert detailliert beschrieben wird.

Ihr Ehemann, Charles Bovary, ist am Boden zerstört, als er von ihren Affären erfährt, bleibt aber bis zu seinem eigenen Tod in tiefer Trauer und Liebe zu ihr.

Charles stirbt verarmt und gebrochen, hinterlässt ihre Tochter Berthe, die in Armut aufwächst und in einer Baumwollspinnerei arbeiten muss.

Das Buch endet mit der ironischen Bemerkung, dass der einzige Charakter, der profitiert, der skrupellose Händler Lheureux ist, was die zynische Sicht Flauberts auf die Gesellschaft und menschliche Beziehungen unterstreicht.

„Madame Bovary“ – Charakterisierung der Personen

Emma Bovary

Emma Bovary ist die zentrale Figur des Romans, eine Frau, die von einer tiefen Unzufriedenheit mit ihrem Leben und einer unstillbaren Sehnsucht nach Leidenschaft und Romantik getrieben wird.

Ihre Persönlichkeit ist komplex und widersprüchlich; sie ist zugleich einfühlsam und selbstsüchtig, träumerisch und unpraktisch.

Emma versucht, ihre Ideale und Träume in einer Welt zu verwirklichen, die ihren Vorstellungen nicht gerecht werden kann, was zu ihrer Tragödie führt.

Ihre Charakterisierung spiegelt Flauberts Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft und den Gefahren der Illusion und Selbsttäuschung wider.

Charles Bovary

Charles Bovary ist Emmas Ehemann, ein gutmütiger, aber einfältiger Landarzt, dessen Leben von seiner Liebe zu Emma und seinem beruflichen Alltag bestimmt wird.

Er ist das vollkommene Gegenteil von Emma: bodenständig, zufrieden mit seinem Leben und unfähig, die Tiefe von Emmas Unzufriedenheit zu begreifen.

Charles‘ Unfähigkeit, Emma zu verstehen oder zu befriedigen, trägt zu ihrer Entfremdung und letztlich zu ihrer Zerstörung bei.

Seine Tragik liegt in seiner bedingungslosen Liebe zu Emma, die ihn blind macht für ihre Fehler und Untreue.

Léon Dupuis und Rodolphe Boulanger

Léon Dupuis ist der erste Mann, mit dem Emma eine romantische Verbindung eingeht; er teilt viele ihrer literarischen Interessen, aber ihre Beziehung bleibt unvollendet.

Rodolphe Boulanger ist der wohlhabende Grundbesitzer, der Emmas Verlangen nach Leidenschaft ausnutzt; er ist charismatisch, aber letztendlich selbstsüchtig und berechnend.

Beide Männer sind für Emma sowohl Verführer als auch Mittel zur Flucht, doch keine der Beziehungen erfüllt ihre tiefsten Sehnsüchte oder führt zu einem dauerhaften Glück.

Ihre Charaktere dienen dazu, Emmas Suche nach einer idealisierten Liebe zu beleuchten und gleichzeitig ihre Schwächen und den unausweichlichen Weg zu ihrem Untergang zu verdeutlichen.

„Madame Bovary“ – Analyse von Aufbau und Sprache

Aufbau und Struktur

„Madame Bovary“ ist in einem linearen Erzählstil geschrieben, der dem Leser einen tiefen Einblick in die psychologische Landschaft der Charaktere, insbesondere Emmas, ermöglicht.

Der Roman ist sorgfältig strukturiert, wobei jede Phase von Emmas Leben und jeder ihrer Entscheidungen ein Echo in der Gesamttragödie findet.

Flauberts Verwendung von Wiederholungen und Spiegelungen in der Erzählung verstärkt die zyklische Natur von Emmas Hoffnungen und Enttäuschungen.

Die Struktur des Romans ermöglicht es Flaubert, eine detaillierte Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft und ihren Werten zu formulieren, indem er das Schicksal seiner Protagonistin als exemplarisch darstellt.

Sprache und Stil

Flauberts Sprache in „Madame Bovary“ ist präzise und detailreich, mit einer besonderen Aufmerksamkeit für die sinnliche Qualität und die Atmosphäre jeder Szene.

Er verwendet eine Technik, die als „le mot juste“ (das exakte Wort) bekannt ist, um die exakteste und wirkungsvollste Beschreibung zu finden, was seine Prosa außergewöhnlich lebendig und eindringlich macht.

Die sprachliche Gestaltung trägt wesentlich zur emotionalen Tiefe und Komplexität des Romans bei und spiegelt Emmas innere Welt und die Welt um sie herum mit subtiler Nuance wider.

Flauberts Stil ist oft ironisch, besonders in seiner Darstellung der bürgerlichen Werte und Bestrebungen, was eine kritische Distanz zur Welt seiner Charaktere schafft.

„Madame Bovary“ Gustave Flaubert Epoche

Die literarische Epoche des Realismus

„Madame Bovary“ wird dem Realismus zugeordnet, einer literarischen Epoche, die sich durch eine genaue und detaillierte Darstellung der Wirklichkeit auszeichnet.

Die realistischen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts strebten danach, das Leben so authentisch und ungeschönt wie möglich darzustellen, oft mit einem kritischen Blick auf soziale Missstände und Konventionen.

Flaubert setzt sich in „Madame Bovary“ kritisch mit der bürgerlichen Gesellschaft seiner Zeit auseinander, indem er die Beschränktheiten und Heucheleien dieses Standes bloßlegt.

Die präzise Darstellung der Provinzgesellschaft und die tiefgründige Charakterisierung Emmas sind charakteristisch für die realistische Literatur, die versucht, eine umfassende Vision der menschlichen Existenz zu bieten.

Einfluss der Romantik und Kritik daran

Obwohl „Madame Bovary“ fest im Realismus verankert ist, reflektiert der Roman auch Flauberts Auseinandersetzung mit der Romantik, insbesondere in Emmas idealisierten Vorstellungen von Liebe und Leben.

Flauberts Werk kann als Kritik an der Romantik interpretiert werden, da er zeigt, wie gefährlich und zerstörerisch die Verfolgung unrealistischer Ideale sein kann.

Die Spannung zwischen der romantischen Sehnsucht und der realistischen Enttäuschung ist ein zentrales Thema des Romans, das die Konflikte und Tragödien der Hauptfigur antreibt.

Durch die Darstellung von Emmas Scheitern beleuchtet Flaubert die Kluft zwischen Ideal und Wirklichkeit, die charakteristisch für die menschliche Erfahrung in der Moderne ist.

„Madame Bovary“ Gustave Flaubert Interpretation

Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft

„Madame Bovary“ ist eine scharfe Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts, insbesondere an deren oberflächlichen Werten, moralischer Heuchelei und geistiger Beschränktheit.

Flaubert beleuchtet durch das Schicksal seiner Protagonistin die Beschränkungen und Enttäuschungen, die das bürgerliche Leben mit sich bringt, sowie die zerstörerischen Folgen der gesellschaftlichen Konventionen.

Die Charaktere des Romans, insbesondere Emma Bovary, werden gefangen in einem Netz aus sozialen Erwartungen und persönlichen Illusionen dargestellt, was zu ihrer Unzufriedenheit und Tragödie führt.

Flaubert zeigt, dass die Suche nach persönlichem Glück und Erfüllung oft im Widerspruch zu den Forderungen und Einschränkungen der Gesellschaft steht.

Die Tragödie der Emma Bovary

Emma Bovarys Leben und Tod können als tragische Konsequenz ihrer Unfähigkeit interpretiert werden, die Kluft zwischen ihren romantischen Idealen und der harten Realität ihres Lebens zu überbrücken.

Ihre fortwährende Suche nach Erfüllung außerhalb der Ehe, sei es durch Affären oder materiellen Luxus, illustriert die tiefgreifende Entfremdung und Isolation, die sie in einer unverständigen und restriktiven Welt empfindet.

Emmas Tragödie wird durch ihre eigenen Fehlentscheidungen und die unerbittlichen sozialen Kräfte, die ihr Handeln begrenzen, verschärft, was den Roman zu einem tiefgehenden Kommentar über die menschliche Natur und die Gesellschaft macht.

Die Interpretation von „Madame Bovary“ beleuchtet nicht nur die persönlichen Konflikte und das Leiden der Hauptfigur, sondern auch die größeren sozialen und kulturellen Dynamiken, die ihr Schicksal bestimmen.

Über den Autor Gustave Flaubert

Leben und Werk

Die wichtigsten Werke von Gustave FlaubertGustave Flaubert wurde am 12. Dezember 1821 in Rouen, Frankreich, geboren und ist einer der bedeutendsten französischen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts.

Er ist bekannt für seinen präzisen Stil, seine detailreiche Beschreibung und seine tiefgehende psychologische Analyse der Charaktere.

Flauberts Werk, insbesondere „Madame Bovary“, gilt als Meilenstein in der Entwicklung des literarischen Realismus.

Sein Ansatz, „le mot juste“ (das genau richtige Wort) zu finden, beeinflusste stark die Literatur und setzte neue Maßstäbe für literarische Präzision und Ausdruckskraft.

Flauberts Einfluss und Vermächtnis

Flaubert hat mit seinen Werken, vor allem mit „Madame Bovary“, tiefgreifenden Einfluss auf die Literaturgeschichte ausgeübt.

Er wurde wegen der angeblich anstößigen Inhalte von „Madame Bovary“ vor Gericht gestellt, jedoch freigesprochen, was den Roman zu einem Skandal und einem Klassiker machte.

Sein Engagement für literarische Perfektion und seine Technik der objektiven Erzählung haben nachfolgende Generationen von Schriftstellern inspiriert.

Flauberts literarisches Erbe ist geprägt von der Auseinandersetzung mit den Grenzen der Sprache und der Darstellung der Komplexität menschlicher Erfahrungen.

„Madame Bovary“ Gustave Flaubert Häufige Fragen

Warum wurde „Madame Bovary“ skandalös aufgenommen?

„Madame Bovary“ wurde bei seiner Veröffentlichung als skandalös betrachtet, vor allem wegen seiner unverblümten Darstellung von Ehebruch und Kritik an der bürgerlichen Moral.

Der Roman wurde Gegenstand eines Gerichtsverfahrens wegen Obszönität, was die öffentliche Aufmerksamkeit und den Ruhm des Buches noch steigerte.

Flauberts detailreiche und realistische Beschreibung von Emmas Affären und ihrer emotionalen Leere stellten eine direkte Herausforderung an die gesellschaftlichen Normen der Zeit dar.

Die Kontroverse trug paradoxerweise zur Popularität und zur literarischen Bedeutung von „Madame Bovary“ bei, indem sie die Grenzen dessen, was in der Literatur möglich war, erweiterte.

Was bedeutet der Titel „Madame Bovary“?

Der Titel „Madame Bovary“ bezieht sich direkt auf die Hauptfigur des Romans, Emma Bovary, und symbolisiert ihre Rolle innerhalb der Geschichte sowie ihre Stellung in der Gesellschaft.

Der Gebrauch des Titels „Madame“ betont Emmas verheirateten Status und die damit verbundenen gesellschaftlichen Erwartungen, die sie als erdrückend empfindet.

Der Titel unterstreicht die persönliche und gesellschaftliche Identität Emmas, die im Zentrum des Romans steht, und ihre Kämpfe mit den Beschränkungen, die ihr durch ihre Rolle als Ehefrau auferlegt werden.

Es ist auch eine ironische Anspielung auf die Diskrepanz zwischen Emmas romantischen Vorstellungen von ihrem Leben und der Realität ihres Daseins als „Madame Bovary“.

Was ist die Hauptbotschaft von „Madame Bovary“?

Die Hauptbotschaft von „Madame Bovary“ befasst sich mit der Kluft zwischen den romantischen Illusionen und der harten Realität des bürgerlichen Lebens.

Flaubert kritisiert die Beschränktheit und Heuchelei der bürgerlichen Gesellschaft und zeigt die tragischen Konsequenzen auf, die entstehen, wenn Individuen versuchen, den Beschränkungen ihres Lebens zu entkommen.

Der Roman beleuchtet die Gefahren der Selbsttäuschung und des unerbittlichen Strebens nach einem unerreichbaren Ideal.

„Madame Bovary“ fordert die Leser auf, die Werte und Erwartungen der Gesellschaft kritisch zu hinterfragen und reflektiert über die universelle Suche nach Sinn und Erfüllung im menschlichen Leben.

„Madame Bovary“ – Buch

Gustave Flaubert.
Madame Bovary.
Ein Sittenbild aus der Provinz.
Übersetzt von von Arthur Schurig.
Bearbeiteter und durchgesehener Neusatz, der Text dieser Ausgabe folgt
dem Erstdruck dieser Übersetzung unter dem Titel:
Frau Bovary, Insel-Verlag, Leipzig 1919.
Erstdruck des Originals: Madame Bovary. Moeurs de province, Michel Lévy Frères, Paris 1857.

Gustave Flaubert - Madame Bovary (Roman)Neuausgabe, LIWI Verlag, Göttingen 2020.

EAN: 9783965423985
ISBN: 3965423983
Ein Sittenbild aus der Provinz. Paperback.
LIWI Literatur- und Wissenschaftsverlag
November 2020 – 280 Seiten

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Verfasst von Thomas Löding, LIWI Blog, zuletzt aktualisiert am 27. März 2024