Hotel Savoy
„Ein großer Haufen Einsamkeit hat sich in mir angesammelt, sechs Jahre großer Einsamkeit. (…) Hier stand eine schöne Frau und wartete auf ein gutes Wort, und ich sagte es nicht, wie ein verstockter Schulknabe. (…) Nun weiß ich, daß die Frauen alles ahnen, was in uns vorgeht, aber dennoch auf Worte warten.“
Joseph Roth.
Hotel Savoy.
Erstdruck in einer Zeitung: Frankfurter Zeitung, 9. Februar bis 16. März, 1924.
Erstdruck als Buch: Verlag Die Schmiede, Berlin 1924.
Vollständige Neuausgabe, LIWI Verlag, Göttingen 2019.
LIWI Literatur- und Wissenschaftsverlag
Das Wichtigste in Kürze
- Autor: Joseph Roth
- Veröffentlichung: 1924
- Genre: Roman
- Setting: Hotel Savoy in einer nicht näher benannten Stadt in Osteuropa, nach dem Ersten Weltkrieg
- Hauptfigur: Gabriel Dan, ein heimkehrender Kriegsgefangener
- Thematik: Die Rückkehr aus dem Krieg, die Suche nach Identität und Zugehörigkeit in einer sich verändernden Welt
- Handlung:
- Gabriel Dan kehrt nach dem Ersten Weltkrieg heim und nimmt im Hotel Savoy Quartier.
- Er trifft auf eine Vielzahl von Figuren: verarmte Aristokraten, entwurzelte Kriegsveteranen, Revolutionäre und Exilanten.
- Das Hotel dient als Mikrokosmos für die gesellschaftlichen Umbrüche und die Atmosphäre der Unsicherheit und des Wandels in der Nachkriegszeit.
- Symbolik:
- Das Hotel Savoy symbolisiert die Vergänglichkeit und die sozialen Schichten der Gesellschaft.
- Die Kontraste zwischen den reichen Bewohnern der oberen Etagen und den armen Bewohnern der unteren Etagen spiegeln die Klassenunterschiede wider.
- Stil:
- Charakteristisch für Roth ist eine klare, bildreiche Sprache und eine präzise Beobachtungsgabe.
- Die Atmosphäre des Romans ist von Melancholie und einer tiefen Sehnsucht nach Ordnung geprägt.
- Rezeption:
- „Hotel Savoy“ gilt als eines der bedeutenden Werke Roths und der deutschen Literatur der Zwischenkriegszeit.
- Der Roman wird für seine Darstellung der Nachkriegsrealität und der menschlichen Kondition gelobt.
„Hotel Savoy“ Joseph Roth – Zusammenfassung / Inhaltsangabe
Die Ankunft
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs kehrt Gabriel Dan aus der Kriegsgefangenschaft zurück. Sein Weg führt ihn in das Hotel Savoy, wo er zunächst Unterschlupf findet. Das Hotel liegt in einer anonymen Stadt in Osteuropa und dient als Übergangsort für die verschiedensten Schicksale.
Das Hotel als Mikrokosmos
Das Hotel Savoy entpuppt sich schnell als Mikrokosmos der Nachkriegsgesellschaft, in dem die oberen Etagen von reichen Bürgern und die unteren von armen Einwanderern und Heimkehrern bewohnt werden. Diese räumliche Trennung spiegelt die sozialen und ökonomischen Spannungen der Zeit wider.
Begegnungen und Geschichten
Gabriel begegnet einer Vielzahl von Charakteren, darunter der mysteriöse Dr. Sándor, der Zirkusartist Kaan, und der Revolutionär Zwonimir. Jeder von ihnen bringt seine eigene Geschichte, Hoffnungen und Enttäuschungen mit sich, die Gabriel tiefer in das Gewebe des Hotels und seiner Bewohner ziehen.
Die Suche nach Sinn
Gabriel, der nach Sinn und Zugehörigkeit sucht, findet sich in der schwebenden Welt des Hotels wieder, die zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen Entwurzelung und der Suche nach einem neuen Leben balanciert. Seine Beobachtungen und Reflexionen enthüllen die Zerrissenheit der Nachkriegsgesellschaft.
Aufstand und Ausgang
Die Spannungen innerhalb des Hotels und der Stadt eskalieren schließlich in einem Arbeiteraufstand, der das soziale Gefüge kurzzeitig auf den Kopf stellt. Gabriel entscheidet sich, die Stadt und das Hotel zu verlassen, angetrieben von der Hoffnung auf einen Neuanfang und der Einsicht in die Unmöglichkeit, in dieser Welt einen festen Platz zu finden.
Abschied vom Hotel Savoy
Mit Gabriels Abreise endet der Roman, hinterlässt jedoch ein tiefes Nachdenken über Themen wie Identität, Heimatlosigkeit und die Unbeständigkeit des Lebens. „Hotel Savoy“ bleibt ein eindringliches Porträt einer Generation, die nach dem Krieg nach Wegen sucht, die Brüche ihrer Welt zu überwinden.
„Hotel Savoy“ – Charakterisierung der Personen
Gabriel Dan
Gabriel Dan ist der Protagonist des Romans, ein heimkehrender Soldat, der die Schrecken des Ersten Weltkriegs überlebt hat. Seine Figur steht für die Verlorenheit und Suche nach Identität in der Nachkriegszeit. Gabriel ist ein Beobachter, dessen innere Zerrissenheit und Hoffnung auf Neubeginn die zentralen Themen des Romans widerspiegeln.
Dr. Sándor
Dr. Sándor ist eine geheimnisvolle Gestalt im Hotel, die Gabriels Interesse weckt. Er verkörpert die intellektuelle Elite der untergegangenen Monarchie und repräsentiert damit eine vergangene Ära. Seine Persönlichkeit ist geprägt von Melancholie und einer tiefen Desillusionierung über die gegenwärtige Lage.
Kaan
Der Zirkusartist Kaan repräsentiert die Flüchtigkeit und Exotik des Lebens im Hotel. Er steht für die künstlerische Freiheit und das Streben nach persönlichem Ausdruck in einer Welt, die von Unsicherheit und Umbrüchen gezeichnet ist.
Zwonimir
Zwonimir ist ein Revolutionär, der die politischen Spannungen und den Wunsch nach sozialer Veränderung innerhalb der Hotelgesellschaft und darüber hinaus verkörpert. Seine Figur steht für den Kampf gegen die bestehende Ordnung und die Hoffnung auf eine gerechtere Gesellschaft.
Die Hotelbewohner
Die Hotelbewohner repräsentieren ein breites Spektrum der Gesellschaft nach dem Krieg, von verarmten Adeligen bis hin zu arbeitssuchenden Massen. Ihre Geschichten und Schicksale verleihen dem Roman Tiefe und Vielschichtigkeit, indem sie die verschiedenen Facetten der menschlichen Erfahrung in der Nachkriegszeit beleuchten.
„Hotel Savoy“ – Analyse von Aufbau und Sprache
Aufbau und Struktur
Der Roman ist gekennzeichnet durch eine episodenhafte Struktur, die es Roth ermöglicht, ein vielfältiges Panorama von Charakteren und Geschichten zu entfalten. Diese Struktur spiegelt die Fragmentierung und Unbeständigkeit der Zeit wider und unterstreicht die Atmosphäre der Unsicherheit und des Übergangs.
Sprachstil
Roths Sprachstil im „Hotel Savoy“ ist präzise und bildreich, mit einem besonderen Gespür für Atmosphäre und Stimmung. Die Beschreibungen des Hotels und seiner Bewohner sind von einer tiefen Melancholie durchzogen, die die Sehnsucht nach einer verlorenen Welt und die Unbehaustheit der Charaktere einfängt.
Symbolik und Motive
Die Symbolik des Hotels als Ort der Begegnung und des Abschieds durchzieht den ganzen Roman. Es steht für die Vergänglichkeit des Lebens und die sozialen Gegensätze der Zeit. Weitere wiederkehrende Motive sind die Reise, die Suche und die Konfrontation mit dem Fremden, die die existentiellen Fragen der Charaktere widerspiegeln.
Erzählperspektive
Der Roman wird aus der Perspektive von Gabriel Dan erzählt, dessen reflektierende und beobachtende Haltung dem Leser einen tiefen Einblick in die innere Welt der Figuren und die Atmosphäre des Hotels ermöglicht. Diese Perspektive verstärkt die subjektive Erfahrung der Nachkriegswelt und ihre Auswirkungen auf das Individuum.
„Hotel Savoy“ – Epoche
Historischer Hintergrund
„Hotel Savoy“ entstand in der Weimarer Republik, einer Zeit großer politischer, sozialer und wirtschaftlicher Umbrüche in Deutschland und Europa. Die Nachkriegsjahre nach dem Ersten Weltkrieg waren geprägt von Unsicherheit, Revolutionen und dem Zerfall alter Ordnungen.
Literarische Moderne
Der Roman gehört zur literarischen Moderne, einer Bewegung, die durch ein tiefes Unbehagen an der modernen Welt, Experimentierfreudigkeit in Form und Stil sowie eine intensive Auseinandersetzung mit dem Subjektiven und der Psychologie der Charaktere gekennzeichnet ist. Roths Werk spiegelt die Desillusionierung der Zeit wider und erforscht die existentiellen Fragen des Individuums in der modernen Gesellschaft.
Zeitgeist der Zwischenkriegszeit
„Hotel Savoy“ fängt den Zeitgeist der Zwischenkriegszeit ein, indem es die Brüche und die Suche nach Identität in einer sich rapide wandelnden Welt thematisiert. Die Charaktere repräsentieren verschiedene Aspekte und Antworten auf die Herausforderungen der Zeit, von nostalgischer Sehnsucht bis hin zu revolutionärem Elan.
„Hotel Savoy“ – Interpretation
Mikrokosmos Hotel
Das Hotel Savoy dient als Mikrokosmos, der die gesellschaftlichen Schichtungen und Gegensätze der Nachkriegsgesellschaft abbildet. Es steht symbolisch für die Vergänglichkeit, die Flüchtigkeit des Daseins und die sozialen Spannungen der Epoche.
Die Suche nach Heimat und Identität
Gabriel Dans Reise und Aufenthalt im Hotel spiegeln die Suche nach Heimat und Identität in einer zerbrochenen Welt. Der Roman thematisiert das Gefühl der Entwurzelung und die Frage, wie und wo das Individuum in der modernen, von Konflikten erschütterten Welt einen Platz finden kann.
Gesellschaftlicher Wandel und Unsicherheit
„Hotel Savoy“ veranschaulicht den gesellschaftlichen Wandel und die Unsicherheit der Nachkriegszeit. Die unterschiedlichen Bewohner und ihre Geschichten verdeutlichen die Vielfältigkeit der individuellen Antworten auf die Herausforderungen dieser Umbruchszeit.
Nostalgie und Kritik
Roths Darstellung von Nostalgie und Kritik an der Gegenwart bietet eine doppelte Interpretation: Einerseits die nostalgische Sehnsucht nach einer geordneten, verständlichen Welt, andererseits eine kritische Reflexion über die Unmöglichkeit, zur alten Ordnung zurückzukehren. Die Charaktere bewegen sich in diesem Spannungsfeld, versuchen, ihrem Leben Sinn und Richtung zu geben, und stehen dabei stellvertretend für die kollektive Erfahrung der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg.
„Hotel Savoy“ von Joseph Roth ist somit nicht nur eine erzählerische Reise durch ein Hotel und seine Bewohner, sondern auch eine tiefgründige Auseinandersetzung mit den zentralen Themen der Moderne: der Suche nach Identität, der Konfrontation mit dem Fremden und der Sehnsucht nach einem festen Platz in der Welt.
„Hotel Savoy“ – Über den Autor Joseph Roth
Lebensweg Joseph Roths
Joseph Roth wurde 1894 in Brody, einem kleinen Städtchen in der heutigen Ukraine, geboren. Sein Leben und Werk wurden tiefgreifend von den Umbrüchen seiner Zeit beeinflusst, insbesondere vom Untergang der österreichisch-ungarischen Monarchie und den Folgen des Ersten Weltkriegs. Roth war Zeuge und Chronist einer Epoche, die von Verlust, Exil und der Suche nach Identität geprägt war.
Literarisches Schaffen
Roth war ein produktiver Schriftsteller und Journalist, der für seine scharfe Beobachtungsgabe und seine Fähigkeit bekannt war, die Stimmungen und Schicksale seiner Zeit einzufangen. Seine bekanntesten Werke, darunter „Hotel Savoy“, „Die Flucht ohne Ende“ und „Radetzkymarsch“, thematisieren oft den Verfall der alten Welt und die Sehnsucht nach Ordnung in einer zunehmend entfremdeten Moderne.
Bedeutung und Vermächtnis
Roths Werke zeichnen sich durch ihren lyrischen Realismus, ihre empathische Charakterzeichnung und ihre tiefgründige Auseinandersetzung mit sozialen und politischen Themen aus. Er hinterließ ein reiches literarisches Erbe, das bis heute für seine zeitlose Relevanz und seinen tiefen Einblick in die menschliche Seele geschätzt wird.
Häufige Fragen
Was ist das Hauptthema von „Hotel Savoy“?
Das Hauptthema von „Hotel Savoy“ ist die Suche nach Identität und Heimat in der unsicheren, von Umbrüchen geprägten Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Das Hotel dient als Schauplatz, an dem sich Geschichten von Verlust, Hoffnung und dem Streben nach einem Neubeginn kreuzen.
Warum wählt Roth ein Hotel als zentralen Ort des Romans?
Das Hotel bietet einen perfekten Mikrokosmos für die Darstellung der gesellschaftlichen Verhältnisse und individuellen Schicksale der Nachkriegszeit. Die Flüchtigkeit und Anonymität des Hotels spiegeln die allgemeine Lebensunsicherheit und die sozialen Spannungen der Epoche wider.
Wie spiegelt „Hotel Savoy“ die politischen und sozialen Umbrüche seiner Zeit wider?
„Hotel Savoy“ fängt die politischen und sozialen Umbrüche der Zwischenkriegszeit ein, indem es die vielfältigen Perspektiven seiner Charaktere darstellt – von entwurzelten Kriegsheimkehrern über verarmte Adlige bis hin zu aufstrebenden Revolutionären. Die im Roman dargestellten Spannungen und Konflikte veranschaulichen die tiefgreifenden Veränderungen in der Gesellschaft.
Inwiefern ist „Hotel Savoy“ auch heute noch relevant?
„Hotel Savoy“ bleibt aufgrund seiner universellen Themen wie Entwurzelung, Identitätssuche und der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichem Wandel relevant. Roths sensible Darstellung menschlicher Erfahrungen und Emotionen spricht auch moderne Leser an, die sich mit Fragen der Zugehörigkeit und der Bewältigung von Krisenzeiten auseinandersetzen.
Literatur und Links
Helmuth Kiesel: Geschichte der deutschsprachigen Literatur 1918 bis 1933. C. H. Beck, München 2017
Ulrike Steierwald: Leiden an der Geschichte. Zur Geschichtsauffassung der Moderne in den Texten Joseph Roths. Diss. München 1992. 198 Seiten
Seite „Hotel Savoy“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 21. Februar 2024, 23:31 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Hotel_Savoy&oldid=242439620 (Abgerufen: 27. März 2024)
Buchausgabe
Joseph Roth.
Hotel Savoy.
Erstdruck in einer Zeitung: Frankfurter Zeitung, 9. Februar bis 16. März, 1924.
Erstdruck als Buch: Verlag Die Schmiede, Berlin 1924.
Vollständige Neuausgabe, LIWI Verlag, Göttingen 2019.
LIWI Literatur- und Wissenschaftsverlag
EAN: 9783965421769
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Verfasst von Thomas Löding, LIWI Blog, zuletzt aktualisiert am 27. März 2024
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