Das falsche Gewicht
„Es kam vor, während seiner fürchterlichen Dienstvisiten, daß die Frau und die Kinder eines Händlers sich vor ihm auf die Knie warfen und ihn anflehten, keine Anzeige zu machen. Sie hängten sich an seinen Pelz. Sie ließen ihn nicht gehen. (…) Der neue Eibenschütz aber sagte: Gesetz ist Gesetz, und hier steht der Wachtmeister Piotrak, und ich war selbst zwölf Jahre Soldat, und außerdem bin ich selbst sehr unglücklich. Und Herz habe ich nicht im Dienst.“
Joseph Roth.
Das falsche Gewicht.
Die Geschichte eines Eichmeisters.
Erstdruck: Querido Verlag, Amsterdam 1937.
Vollständige Neuausgabe, LIWI Verlag, Göttingen 2019.
LIWI Literatur- und Wissenschaftsverlag
EAN: 9783965421745
Das falsche Gewicht – Übersicht: Das Wichtigste in Kürze
„Das falsche Gewicht“ – Zusammenfassung / Inhaltsangabe
Anselm Eibenschütz, ein ehemaliger Unteroffizier, wird zum Eichmeister ernannt und in eine kleine Stadt in Galizien versetzt. Diese Rolle verpflichtet ihn, die Genauigkeit von Waagen und Gewichten in der Region zu überprüfen.
In seiner neuen Funktion stößt Eibenschütz schnell auf Korruption und Widerstand. Die lokalen Händler und der Salzmonopolhändler Jadlowker missachten offen die Regeln, was zu Konflikten führt.
Eibenschütz verliebt sich in Euphemia, eine Frau aus dem Dorf, deren Mann im Gefängnis sitzt. Diese Liebe bringt ihn in einen moralischen Zwiespalt, da sie gegen die gesellschaftlichen Konventionen verstößt.
Trotz der persönlichen und beruflichen Herausforderungen bleibt Eibenschütz seiner Aufgabe treu. Er versucht, die Gerechtigkeit in einer von Ungerechtigkeit geprägten Gesellschaft durchzusetzen, was ihn zunehmend isoliert.
Das Engagement für seine Pflichten und die Liebe zu Euphemia führen zu einem tragischen Ende. Eibenschütz wird von der Gesellschaft ausgestoßen und stirbt, verlassen von allen, die ihm einst nahestanden.
„Das falsche Gewicht“ – Charakterisierung der Personen
Anselm Eibenschütz
Anselm Eibenschütz ist die Hauptfigur des Romans, ein ehemaliger Unteroffizier, der zum Eichmeister ernannt wird. Seine Integrität, Pflichtbewusstsein und der Wunsch nach Gerechtigkeit prägen seinen Charakter. Trotz der Herausforderungen bleibt er seinen Prinzipien treu, auch wenn dies zu seinem sozialen Niedergang führt.
Euphemia
Euphemia ist eine junge Frau aus dem Dorf, die Eibenschütz‘ Leben tiefgreifend verändert. Ihre Schönheit und Lebensfreude ziehen ihn an, doch ihre Beziehung stellt seine moralischen Überzeugungen auf die Probe. Sie symbolisiert die Versuchung und die Komplexität menschlicher Beziehungen.
Jadlowker
Der Salzmonopolhändler Jadlowker verkörpert die Korruption und den Moralverfall innerhalb der Gesellschaft. Sein Einfluss und seine Bereitschaft, für den eigenen Vorteil zu betrügen, stehen in direktem Konflikt zu Eibenschütz‘ Bestreben nach Ehrlichkeit und Gerechtigkeit.
Die Dorfgemeinschaft
Die Dorfgemeinschaft spielt eine zentrale Rolle im Roman, da sie den sozialen und moralischen Kontext bildet, in dem sich die Handlung entfaltet. Ihre Mitglieder, die teils mit Misstrauen und Feindseligkeit auf Eibenschütz‘ Bemühungen reagieren, spiegeln die Herausforderungen und Widersprüche der menschlichen Natur wider.
„Das falsche Gewicht“ – Analyse von Aufbau und Sprache
Aufbau und Erzählstruktur
Der Roman zeichnet sich durch eine lineare Erzählstruktur aus, die sich auf die Entwicklung von Anselm Eibenschütz und seine Konflikte mit der Umwelt konzentriert. Die Chronologie der Ereignisse unterstreicht die Unvermeidlichkeit des tragischen Endes und spiegelt die Zwangsläufigkeit von Eibenschütz‘ Schicksal wider.
Sprachstil und Symbolik
Roths Sprachstil ist geprägt von einer präzisen, bildreichen Sprache, die die Atmosphäre Galiziens lebendig werden lässt. Die Symbolik des falschen Gewichts durchzieht den gesamten Text und dient als Metapher für die moralische Verderbtheit und die Suche nach Wahrheit. Die detaillierten Beschreibungen der Landschaft und des gesellschaftlichen Lebens verleihen dem Roman eine tiefgreifende Authentizität und emotionale Tiefe.
Themen und Motive
„Das falsche Gewicht“ behandelt Themen wie Moralität, Gerechtigkeit, Liebe und sozialen Verfall. Diese werden durch wiederkehrende Motive wie das Messgerät (als Symbol für Gerechtigkeit) und die Kontraste zwischen Schönheit und Verfall, Wahrheit und Täuschung hervorgehoben. Roths Fähigkeit, komplexe moralische Fragen in einer historisch und sozial präzise gezeichneten Welt zu verhandeln, macht den Roman zu einem eindrucksvollen literarischen Werk.
„Das falsche Gewicht“ – Epoche
„Das falsche Gewicht“ ist tief in der Epoche der Zwischenkriegszeit verwurzelt, einer Phase großer politischer, sozialer und wirtschaftlicher Umbrüche in Europa. Die österreichisch-ungarische Monarchie, in der der Roman spielt, war zu Roths Zeiten bereits Geschichte, doch ihr Vermächtnis und die Sehnsucht nach der verlorenen Ordnung prägen das Werk.
Joseph Roth wird oft mit der literarischen Moderne in Verbindung gebracht, obwohl seine Werke sich durch eine gewisse Zeitlosigkeit und Melancholie auszeichnen, die über spezifische literarische Strömungen hinausgehen. „Das falsche Gewicht“ reflektiert die Desillusionierung und die Suche nach Sinn in einer zunehmend entfremdeten Welt, was es zu einem repräsentativen Beispiel der Literatur dieser Epoche macht.
Der Roman bietet eine subtile Kritik an der Moderne und der damit einhergehenden sozialen und moralischen Desintegration. Roths Nostalgie für die k.u.k. Monarchie dient als Kontrast zur chaotischen Gegenwart seiner Zeit und spiegelt eine tiefgreifende Unsicherheit über die Zukunft Europas wider.
„Das falsche Gewicht“ – Interpretation
Eine zentrale Interpretation von „Das falsche Gewicht“ ist die Darstellung des unaufhörlichen Kampfes um Gerechtigkeit in einer von Grund auf ungerechten Welt. Anselm Eibenschütz‘ tragisches Schicksal symbolisiert die Zerbrechlichkeit individueller Moralvorstellungen gegenüber den überwältigenden Kräften der Gesellschaft und ihrer Korruption.
Der Roman beleuchtet die moralische Ambiguität und die Schwächen der menschlichen Natur. Die Figuren, einschließlich Eibenschütz, sind tiefgreifend fehlerhaft und ihre Entscheidungen spiegeln die Komplexität und Widersprüchlichkeit menschlichen Verhaltens wider. Dies unterstreicht Roths Sicht auf die Unmöglichkeit absoluter moralischer Reinheit.
„Das falsche Gewicht“ kann auch als Elegie auf das Ende der k.u.k. Monarchie und der damit verbundenen sozialen Ordnung interpretiert werden. Roths Beschreibung Galiziens ist durchdrungen von einer Melancholie über den Verlust einer Welt, die trotz ihrer Mängel für Stabilität und Zugehörigkeit stand.
„Das falsche Gewicht“ – Joseph Roth
Joseph Roth (1894-1939) war ein österreichischer Schriftsteller und Journalist, der für seine kritischen, oft nostalgischen Werke über das untergegangene k.u.k. Österreich bekannt ist. Geboren in der Ostgalizischen Stadt Brody, erlebte Roth den Zerfall der Habsburgermonarchie und die Turbulenzen der Zwischenkriegszeit, die seine literarische Vision tief prägten.
Literarische Bedeutung
Roths Werke, darunter Romane wie „Radetzkymarsch“, „Die Kapuzinergruft“ und „Das falsche Gewicht“, zeichnen sich durch eine tiefe Melancholie, einen elegischen Stil und eine scharfe soziale Kritik aus. Sein feines Gespür für die Verluste der Zeit und das tiefgründige Verständnis menschlicher Charaktere machen ihn zu einem bedeutenden Vertreter der literarischen Moderne.
Themen und Motive
In Roths literarischem Universum sind Themen wie Nostalgie, Identität, Exil und der Verlust von Heimat zentral. Seine Figuren sind oft verlorene Seelen, die sich nach einer Vergangenheit sehnen, die es so nicht mehr gibt, und in einer Gegenwart leben, in der sie keinen festen Platz finden.
„Das falsche Gewicht“ – Häufige Fragen
Was symbolisiert das falsche Gewicht im Roman?
Das falsche Gewicht symbolisiert die moralische und ethische Korruption der Gesellschaft. Es steht für die Diskrepanz zwischen dem Anspruch auf Gerechtigkeit und der Realität von Betrug und Selbstsucht.
In welcher Epoche spielt „Das falsche Gewicht“?
Der Roman spielt in der späten österreichisch-ungarischen Monarchie, kurz vor ihrem Zerfall. Diese historische Epoche bildet den Hintergrund für Roths Untersuchung von Ordnung, Zerfall und der Suche nach persönlicher und gesellschaftlicher Identität.
Wie endet „Das falsche Gewicht“?
Das Ende des Romans ist tragisch. Anselm Eibenschütz, der Protagonist, stirbt verlassen und gescheitert, ein Opfer seiner eigenen moralischen Prinzipien und der Unnachgiebigkeit der Gesellschaft, die er zu reformieren suchte.
Warum ist „Das falsche Gewicht“ auch heute noch relevant?
„Das falsche Gewicht“ bleibt wegen seiner zeitlosen Themen wie Suche nach Gerechtigkeit, moralische Integrität und die Konfrontation mit sozialer Korruption relevant. Es bietet Einblicke in die menschliche Natur und die Gesellschaft, die über die spezifische historische Periode hinausgehen und auch heutige Leser ansprechen.
Welche Rolle spielt die Liebe in „Das falsche Gewicht“?
Die Liebe spielt eine komplexe Rolle im Roman. Sie ist sowohl Quelle von Hoffnung und Freude für Anselm Eibenschütz als auch von Konflikt und Leid. Sie stellt seine moralischen Überzeugungen auf die Probe und bringt ihn dazu, seine Pflichten und persönlichen Wünsche gegeneinander abzuwägen.
Literatur und Links
- Wilhelm von Sternburg: Joseph Roth. Eine Biographie. Kiepenheuer & Witsch, 2. Aufl. Köln 2009
- Helmuth Nürnberger: Joseph Roth. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1981
- Seite „Das falsche Gewicht. Die Geschichte eines Eichmeisters“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 23. August 2023, 14:34 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Das_falsche_Gewicht._Die_Geschichte_eines_Eichmeisters&oldid=236677447 (Abgerufen: 27. März 2024)
Buch
Joseph Roth.
Das falsche Gewicht.
Die Geschichte eines Eichmeisters.
Erstdruck: Querido Verlag, Amsterdam 1937.
Vollständige Neuausgabe, LIWI Verlag, Göttingen 2019.
LIWI Literatur- und Wissenschaftsverlag
EAN: 9783965421745
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Verfasst von Thomas Löding, LIWI Blog, zuletzt aktualisiert am 27. März 2024
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