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Realismus (Literatur)

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Der Realismus als literarische Epoche strebte danach, die Welt so darzustellen, wie sie wirklich ist, ohne künstlerische Verklärung oder romantische Idealisierung. Diese literarische Bewegung legte den Fokus auf eine detaillierte, objektive und ungeschönte Darstellung der gesellschaftlichen Wirklichkeiten.

Definition Realismus (Epoche)

Der Realismus zeichnet sich durch den Versuch aus, das Leben so getreu und detailliert wie möglich darzustellen.  Die Literatur dieser Zeit strebte danach, eine objektive, präzise und alltagsnahe Wiedergabe der Realität zu erreichen, wobei sie sich von überhöhten romantischen Idealen abwandte und sich stattdessen auf die Darstellung des Bürgerlichen und Alltäglichen konzentrierte.

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Realismus Epoche – geschichtlicher Hintergrund

Der Realismus entwickelte sich in einer Zeit tiefgreifender Veränderungen, die das gesellschaftliche und politische Gefüge Europas nachhaltig prägten.

Märzrevolution und ihre Folgen

Die Märzrevolution 1848 war ein Wendepunkt, der zu signifikanten gesellschaftlichen und politischen Veränderungen in Deutschland führte.

  • Märzrevolution 1848: Auslöser für tiefgreifende gesellschaftliche und politische Veränderungen in Deutschland.
  • Folgen: Einführung liberaler Verfassungen und die Stärkung des Bürgertums, was den literarischen Fokus auf das Alltagsleben und soziale Realitäten verstärkte.

Industrielle Revolution

Die Industrielle Revolution brachte eine beispiellose technologische und wirtschaftliche Entwicklung, die das tägliche Leben und die soziale Struktur grundlegend veränderte.

  • Technologischer Fortschritt: Die rasante Entwicklung der Industrie veränderte das Leben und die Landschaften dramatisch.
  • Soziale Verwerfungen: Die Kluft zwischen Arm und Reich wurde tiefer, und die sozialen Probleme dieser Zeit spiegelten sich in der Literatur wider.

Geistige und kulturelle Strömungen

Im Zuge des Realismus kam es zu einer entscheidenden kulturellen Verschiebung, die eine neue literarische Ausdrucksform mit sich brachte.

  • Ablösung der Romantik: Der Realismus wandte sich gegen die Idealisierung und Flucht in die Phantasie, die für die Romantik typisch waren.
  • Fokus auf Realität: Die Autoren des Realismus strebten nach einer authentischen Darstellung der Wirklichkeit, um den Lesern ein genaues Bild ihrer Zeit zu vermitteln.

Politische Unsicherheit und Liberalismus

Die politische Landschaft der Zeit war geprägt von Unsicherheit und den Idealen des Liberalismus, die tief in das literarische Schaffen eindrangen.

  • Politische Restauration und Liberalismus: Nach den Revolutionsjahren folgte eine Phase der politischen Restauration, doch der Liberalismus blieb eine treibende Kraft in der Gesellschaft.
  • Einfluss auf die Literatur: Die politischen Ideale und Enttäuschungen dieser Zeit beeinflussten das literarische Schaffen stark, wobei Themen wie individuelle Freiheit und soziale Gerechtigkeit in den Vordergrund rückten.

Realismus Merkmale – Welt- und Menschenbild

Der Realismus prägt ein spezifisches Welt- und Menschenbild, das sich deutlich von vorherigen literarischen Epochen abhebt. Im Zentrum steht die objektive Darstellung der Wirklichkeit, was auch eine bestimmte Auffassung von der menschlichen Natur und dem gesellschaftlichen Leben beinhaltet.

  • Objektivität und Detailgenauigkeit: Literarische Werke des Realismus streben nach einer genauen und unverfälschten Darstellung der Realität.
  • Alltagsnähe: Der Fokus liegt auf dem alltäglichen Leben und den gewöhnlichen Menschen, die in ihrer natürlichen Umgebung gezeigt werden.

Das Menschenbild des Realismus ist durch eine starke Betonung der sozialen Realitäten und der individuellen Charakterentwicklung gekennzeichnet. Die Autoren porträtieren Menschen in ihren gesellschaftlichen Kontexten und zeigen, wie externe Bedingungen das Individuum prägen.

  • Determinismus: Es herrscht eine Sichtweise, dass menschliches Verhalten stark von Umständen wie Erziehung, sozialem Milieu und historischem Kontext bestimmt wird.
  • Individualität versus Gesellschaft: Es wird oft ein Konflikt zwischen individuellen Bestrebungen und gesellschaftlichen Erwartungen dargestellt.

Die Werke des Realismus spiegeln eine Weltanschauung wider, die sich von idealisierten Darstellungen abwendet und eine pragmatische Sicht auf die menschliche Existenz bietet. Diese Herangehensweise ermöglicht eine tiefere psychologische Durchdringung der Charaktere.

  • Realitätsnahe Psychologie: Die psychologische Tiefe der Charaktere wird betont, wobei ihre Motivationen und inneren Konflikte im Kontext ihrer sozialen Umwelt erkundet werden.
  • Kritische Gesellschaftsbetrachtung: Durch die detaillierte Darstellung des sozialen Umfelds üben die Autoren oft Kritik an gesellschaftlichen Missständen und Ungerechtigkeiten.

Diese Merkmale verdeutlichen, wie der Realismus eine direkte und ungeschönte Sicht auf die Welt und den Menschen anstrebt, die sowohl die äußeren Lebensumstände als auch die inneren emotionalen Zustände der Charaktere berücksichtigt.

Realismus Literatur Merkmale – Themen und Motive

In der Literatur des Realismus lassen sich spezifische Themen und Motive identifizieren, die die Epoche charakterisieren und sich aus dem Welt- und Menschenbild dieser Zeit ableiten.

Soziale Themen und Alltagsleben

  • Darstellung der Bourgeoisie: Der Fokus liegt oft auf dem Leben des Bürgertums, seiner Kultur und seinen Problemen.
  • Kritik an sozialen Missständen: Werke des Realismus beleuchten soziale Ungerechtigkeiten und die Kluft zwischen verschiedenen Gesellschaftsschichten.

Diese Literatur strebt danach, die Alltäglichkeit und die sozialen Bedingungen ihrer Zeit realistisch darzustellen, um ein authentisches Bild der Gesellschaft zu vermitteln.

Natur und Umwelt

  • Natur als Spiegel der menschlichen Emotionen: Häufig wird die Natur genutzt, um die Stimmungen und inneren Zustände der Charaktere widerzuspiegeln.
  • Detailreiche Landschaftsbeschreibungen: Naturdarstellungen sind oft sehr detailliert und tragen zur Atmosphäre und zum Setting der Handlung bei.

Die Verbindung zwischen Mensch und Natur wird im Realismus oft genutzt, um tiefergehende psychologische und philosophische Themen zu erkunden.

Konflikte zwischen Individuum und Gesellschaft

  • Individuelle Freiheit vs. gesellschaftliche Konventionen: Ein zentrales Motiv ist der Konflikt zwischen persönlichen Wünschen und sozialen Erwartungen.
  • Darstellung von familiären Spannungen: Familiendynamiken und deren Probleme werden häufig als Spiegel größerer gesellschaftlicher Probleme dargestellt.

Diese Themen reflektieren die komplexen Beziehungen zwischen Individuen und den Strukturen, in denen sie leben, und beleuchten die psychologische und soziale Realität der Charaktere.

Historische und Bildungsromane

  • Geschichtliche Kontextualisierung: Die Literatur des Realismus integriert oft historische Ereignisse und Entwicklungen, um die Gegenwart zu kommentieren.
  • Bildungsroman: Die Entwicklung und Reifung eines Protagonisten steht im Mittelpunkt, oft in Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Bedingungen.

Diese Motive zeigen, wie historische und bildungsbezogene Aspekte genutzt werden, um tiefere Einblicke in die menschliche Erfahrung und gesellschaftliche Entwicklungen zu geben.

Realismus- Gattungen und typische Vertreter

Epik

In der Epik des Realismus stehen detaillierte Gesellschaftsportraits und eine tiefe psychologische Charakterzeichnung im Vordergrund. Die Hauptformen, Romane und Novellen, konzentrieren sich auf das bürgerliche Leben und individuelle moralische Konflikte. Theodor Fontane, Gottfried Keller, und Wilhelm Raabe sind einige der prominentesten Vertreter dieser Gattung. Ihre Werke bieten nicht nur ein lebendiges Bild der zeitgenössischen Gesellschaft, sondern erforschen auch die tiefen inneren Regungen ihrer Charaktere.

Dramatik

Die Dramatik im Realismus widmet sich oft den sozialen und ethischen Konflikten des Bürgertums. Die Stücke dieser Epoche, bekannt für ihre realitätsnahen Dialoge und eine starke Betonung der charakterlichen Entwicklung, spiegeln die Komplexität der menschlichen Natur und deren Konflikte mit den gesellschaftlichen Erwartungen wider. Zu den bedeutenden Dramatikern des Realismus zählen Friedrich Hebbel und Otto Ludwig, deren Werke die dramatischen Tiefen und moralischen Dilemmata ihrer Zeit erkunden.

Lyrik

Obwohl die Lyrik im Realismus weniger prominent ist, thematisiert sie häufig die Schönheit des Alltäglichen und reflektiert auf nüchterne Weise soziale und persönliche Themen. Die Gedichte von Theodor Storm und Conrad Ferdinand Meyer zeichnen sich durch ihre präzise Sprache und tiefgründige Betrachtungen des menschlichen Zustands aus. Diese Lyriker nutzen die Form des Gedichts, um subtile Einsichten in die Natur und die menschliche Psyche zu vermitteln, oft eingebettet in die Darstellung einfacher, alltäglicher Momente.

Realismus- wichtige Autoren und Werke

  • Theodor Fontane – Effi Briest (1894–1895), Irrungen, Wirrungen (1888)
  • Theodor Storm – Der Schimmelreiter (1888)
  • Gottfried Keller – Der grüne Heinrich (1854/55)
  • Friedrich Hebbel – Maria Magdalena (1843), Agnes Bernauer (1851)
  • Conrad Ferdinand Meyer – Das Amulett (1873), Der Schuß von der Kanzel (1878)
  • Wilhelm Raabe – Der Hungerpastor (1864)

Quellen und Links

Siehe auch:

Verfasst von Thomas Löding, LIWI Blog, zuletzt aktualisiert am 25. Juni 2024