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Neue Subjektivität
In den 1970er Jahren entstand in Deutschland eine literarische Bewegung, die als Neue Subjektivität bekannt wurde. Diese Strömung markierte eine Rückkehr zur persönlichen Erfahrung und inneren Welt der Autoren, als Gegenreaktion auf die vorherrschenden politisch-engagierten und experimentellen Literaturtendenzen der 1960er Jahre.
Neue Subjektivität Definition
Die Neue Subjektivität ist ein literarisches Phänomen, das durch eine Fokussierung auf die Introspektion und die persönliche Perspektive der Autoren gekennzeichnet ist. Sie bildete sich als Antwort auf die politische und gesellschaftskritische Literatur der 68er-Bewegung und zeichnet sich durch eine starke Betonung von individuellen Gefühlen und privaten Erfahrungen aus. In dieser Epoche wurde das Schreiben oft als Mittel zur Selbsterforschung genutzt, wobei die Texte eine auffällige Alltagsnähe aufweisen und häufig in einem subjektiven, bekenntnishaften Ton verfasst sind.
Neue Subjektivität Übersicht – Das Wichtigste in Kürze
- Zeitraum: 1970 – 1979
- Geschichte: Antwort auf das politisch und sozial turbulente Klima der späten 1960er und frühen 1970er in Deutschland.
- Einordnung: Rückkehr zu persönlichen, introspektiven Themen als Gegenbewegung zu politisch-engagierten Strömungen der 68er und experimentellen Ansätzen der Moderne.
- Weltbild: Fokus auf das Individuum, dessen persönliche Erfahrungen und unmittelbares Umfeld.
- Themen: Persönliche Identität, Alltagserfahrungen, familiäre Beziehungen, Umweltbewusstsein, Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, Frauenemanzipation.
- Literatur: Zugänglichkeit, emotionale Tiefe, bekenntnishafte und tagebuchartige Formen.
Neue Subjektivität – Podcast
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Neue Subjektivität Epoche – geschichtlicher Hintergrund
Die Neue Subjektivität entstand als literarische Antwort auf die tiefgreifenden gesellschaftlichen Umwälzungen in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren in Deutschland. In dieser Zeit erlebte das Land eine Phase intensiver politischer Auseinandersetzungen, die durch Studentenproteste, die Außerparlamentarische Opposition (APO) und eine zunehmende Kritik an traditionellen Werten gekennzeichnet war. Diese Bewegung suchte eine neue kulturelle Ausrichtung, die sich von der dominierenden politisch-engagierten Literatur abwandte. Sie zog sich aus den öffentlichen, politischen Debatten zurück und fokussierte sich auf die persönliche Ebene und individuelle Erfahrungen, was in einer introspektiven und oft emotional aufgeladenen Schreibweise resultierte.
- Soziale Bewegungen: Entstehung der Neuen Subjektivität inmitten der Frauenbewegung und der ökologischen Bewegung, die neue Themen in die Literatur einführten.
- Literarischer Kontext: Abgrenzung von der Gruppe 47 und ihren oft dogmatischen politischen Ansätzen. Einflüsse von internationalen postmodernen Strömungen, die eine ähnliche Hinwendung zu subjektiven Themen zeigten.
- Einflüsse: Starke Beeinflussung durch die gescheiterten Hoffnungen der 68er-Bewegung, wodurch eine Desillusionierung und ein Rückzug ins Private gefördert wurden. Diese Veränderung reflektierte sich in einer Literatur, die sich von utopischen Idealen ab- und alltäglichen, persönlichen Geschichten zuwandte.
Die Neue Subjektivität reagierte somit nicht nur auf das politische und soziale Klima, sondern auch auf eine tiefere kulturelle und philosophische Suche nach Authentizität und Selbstverständnis. In dieser Zeit entstanden Texte, die eine direkte, unverstellte Sprache nutzten und oft eine kritische Selbstreflexion sowie eine Auseinandersetzung mit bisher vernachlässigten sozialen Themen wie der Rolle der Frau und Umweltfragen boten.
Neue Subjektivität – Merkmale
Die Neue Subjektivität zeichnet sich durch eine deutliche Hinwendung zur persönlichen Erzählweise aus. Die Texte dieser Epoche reflektieren eine verstärkte Beschäftigung mit dem Inneren Erleben der Charaktere, oft durch introspektive und tagebuchartige Narrative, die eine unmittelbare emotionale Verbindung zwischen dem Autor und dem Leser schaffen. Autoren dieser Strömung nutzen eine Sprache, die der Alltagssprache nahesteht, um Authentizität zu vermitteln und eine direkte, oft schonungslos offene Kommunikation von persönlichen und emotionalen Erfahrungen zu ermöglichen.
Ein weiteres zentrales Merkmal der Neuen Subjektivität ist der bekenntnishafte Stil vieler ihrer Werke. Diese Literaturform bedient sich häufig autobiografischer Elemente, die nicht nur persönliche, sondern auch gesellschaftlich relevante Themen wie die Verarbeitung von Nationalsozialismus, Umweltproblemen und Geschlechterrollen behandeln. Der subjektive Erzählstil wird dabei oft mit einer kritischen Perspektive verbunden, die es den Autoren ermöglicht, tiefgreifende soziale und persönliche Fragen zu erkunden, ohne dabei in dogmatische politische Analysen abzugleiten.
Die poetische Ausdrucksweise in der Neuen Subjektivität ist oft durch ungewöhnlich platzierte Zeilenumbrüche gekennzeichnet, insbesondere in der Lyrik, die diese Epoche prägte. Solche stilistischen Entscheidungen verstärken den Eindruck der Subjektivität und Unmittelbarkeit der Texte. Diese Literatur strebt danach, das Gefühl der Isolation und der persönlichen Verstrickung zu überwinden und durch die Literatur eine Form der gemeinschaftlichen und persönlichen Therapie anzubieten. Durch diese Merkmale stellt die Neue Subjektivität eine Brücke her zwischen der individuellen Erfahrung und der kollektiven Geschichte, wodurch sie eine tiefgreifende kulturelle Wirkung entfaltet.
Neue Subjektivität – Literatur
Die literarische Bewegung der Neuen Subjektivität beeinflusste nicht nur die Prosa, sondern erstreckte sich auch auf Lyrik und Dramatik, wobei sich jeweils spezifische Merkmale herausbildeten:
Neue Subjektivität – Epik
In der epischen Literatur der Neuen Subjektivität dominieren autobiografische Romane und Erzählungen, die oft das Persönliche und Alltägliche in den Vordergrund stellen. Diese Werke zeichnen sich durch eine detaillierte und emotionale Darstellung des inneren Lebens der Protagonisten aus.
- Stil: Charakteristisch ist ein schlichter, direkter Erzählstil, der den Leser unmittelbar anspricht und häufig dialogorientiert ist.
- Themen: Zentrale Themen umfassen persönliche Krisen, familiäre Konflikte und die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Tabus.
- Beispiele: Zu den herausragenden Werken zählen Peter Schneiders „Lenz“ und Martin Walsers „Ein fliehendes Pferd“.
Neue Subjektivität – Lyrik
Die Lyrik der Neuen Subjektivität spiegelt oft persönliche Gefühlswelten wider und verwendet dabei eine Sprache, die dem alltäglichen Sprechen nahekommt. Diese Gedichte sind meist kurz und prägnant, aber emotional tiefgreifend.
- Form: Freie Verse und unkonventionelle Zeilenumbrüche sind typisch, was die Abgrenzung von der formstrengen modernistischen Lyrik unterstreicht.
- Inhalte: Persönliches Erleben, Naturbeobachtungen und gesellschaftliche Einsichten werden oft auf introspektive Weise erkundet.
- Vertreter: Autoren wie Rolf Dieter Brinkmann und Sarah Kirsch haben die Lyrik dieser Zeit maßgeblich geprägt.
Neue Subjektivität – Dramatik
Obwohl weniger verbreitet als Epik und Lyrik, fand die Neue Subjektivität auch ihren Weg auf die Bühne, wo sie sich durch eine intensive Auseinandersetzung mit persönlichen und zwischenmenschlichen Themen auszeichnet.
- Charakteristik: Die Dramen sind oft kammerstückartig mit einem starken Fokus auf Charakterentwicklung und Dialog.
- Themen: Zwischenmenschliche Beziehungen und persönliche Konflikte stehen im Zentrum, häufig mit einem psychoanalytischen Ansatz.
- Beispiele: Botho Strauß’ „Die Widmung“ ist ein Beispiel für ein Drama, das typische Merkmale der Neuen Subjektivität aufweist.
Diese unterschiedlichen literarischen Formen zeigen, wie vielseitig die Neue Subjektivität war und wie sie es vermochte, die Grenzen zwischen den Genres zu verwischen und eine neue literarische Ausdrucksweise zu prägen.
Neue Subjektivität Vergleich mit literarischen Strömungen der 1970er
Die Neue Subjektivität entwickelte sich in den 1970er Jahren als Gegenbewegung zu anderen vorherrschenden literarischen Strömungen dieser Zeit. Ein Vergleich mit diesen Strömungen offenbart sowohl klare Unterschiede als auch einige überraschende Gemeinsamkeiten.
- Gegen die Politisierung und Experimente: Im Gegensatz zur politisch engagierten Literatur, die im Umfeld der 68er-Bewegung entstand und stark von marxistischen Ideen und einer Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft geprägt war, fokussierte sich die Neue Subjektivität stärker auf das Individuum und dessen persönliche und emotionale Erfahrungswelt. Ebenso distanzierte sie sich von der experimentellen und formalistischen Literatur der klassischen Moderne, die in der Nachkriegszeit dominierte und sich durch komplexe narrative Strukturen und Sprachexperimente auszeichnete.
- Ähnlichkeiten mit der Postmoderne: Trotz dieser Abgrenzung wies die Neue Subjektivität auch Parallelen zu anderen Strömungen wie der Postmoderne auf. Beide Bewegungen teilten eine Skepsis gegenüber großen Erzählungen und zeigten eine Vorliebe für subjektive Perspektiven und die Darstellung von persönlichen Geschichten. Allerdings neigte die Postmoderne dazu, Ironie und Parodie zu verwenden, während die Neue Subjektivität in ihrer Darstellung ernster und direkter war.
- Bezug zur Trivialliteratur: Ein weiterer interessanter Vergleichspunkt ist die Nähe der Neuen Subjektivität zur Trivialliteratur, da beide Formen oft auf eine einfache und zugängliche Sprache sowie auf eine emotionale und unmittelbare Wirkung beim Leser abzielten. Die Neue Subjektivität unterschied sich jedoch durch ihre kritische Dimension und ihren literarischen Anspruch, die in der Trivialliteratur typischerweise fehlen.
Diese Vergleiche zeigen, dass die Neue Subjektivität nicht isoliert betrachtet werden kann, sondern als Teil eines breiteren literarischen und kulturellen Dialogs der 1970er Jahre verstanden werden muss. Sie bildete eine Brücke zwischen der persönlichen Erfahrung und der literarischen Darstellung, die sowohl von den radikalen Veränderungen als auch von den beständigen Traditionen ihrer Zeit geprägt war.
Neue Subjektivität – Wichtige Vertreter und Werke
- Nicolas Born: „Die Fälschung“ (1979)
- Martin Walser: „Ein fliehendes Pferd“ (1978)
- Gabriele Wohmann: „Frühherbst in Badenweiler“ (1978)
- Karin Struck: „Lieben“ (1977)
- Botho Strauß: „Die Widmung“ (1977)
- Christa Wolf: „Kindheitsmuster“ (1976)
- Nicolas Born: „Die erdabgewandte Seite der Geschichte“ (1976)
- Peter Handke: „Die Stunde der wahren Empfindung“ (1975)
- Karin Struck: „Die Mutter“ (1975)
- Verena Stefan: „Häutungen“ (1975)
- Peter Schneider: „Lenz“ (1973)
- Wolf Wondratschek: „Chuck’s Zimmer“ (1974)
- Rolf Dieter Brinkmann: „Keiner weiß mehr“ (1968)
Quellen und Links
- Wolfgang Beutin u. a.: Deutsche Literaturgeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. 9., aktualisierte und erweiterte Aufl. 2019. Metzler, Stuttgart.
- Albert Meier: Neuere deutsche Literaturgeschichte. Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. 2023. (Abgerufen: 21. Juni 2024)
- Helmut de Boor und Richard Newald: Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart. Beck, München 1971 ff
- Seite „Epoche (Literatur)“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 5. Oktober 2023, 04:39 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Epoche_(Literatur)&oldid=237886605 (Abgerufen: 21. Juni 2024)
- Prof. Dr. Volker Frederking: Literarische Epochen, in ARD alpha, Stand: 22.11.2016 URL: https://www.ardalpha.de/lernen/alpha-lernen/faecher/deutsch/6-literarische-epochen-literatur100.html (Abgerufen: 21. Juni 2024)
Siehe auch:
Verfasst von Thomas Löding, LIWI Blog, zuletzt aktualisiert am 22. Juni 2024