Sigmund Freud das ich und das es liwi verlag

Massenpsychologie und Ich-Analyse

„Eine primäre Masse ist eine Anzahl von Individuen, die ein und dasselbe Objekt an die Stelle ihres Ich-Ideals gesetzt und sich infolgedessen miteinander identifiziert haben.“

Massenpsychologie und Ich-Analyse“ erschien erstmals im Jahr 1926 und zählt bis heute zu den meistgelesenen und wichtigsten Schriften Sigmund Freuds. Hier wird die Schrift in einer ungekürzten Neuausgabe frisch aufgelegt.

Massenpsychologie und Ich-Analyse – Zusammenfassung

In Massenpsychologie und Ich-Analyse von Sigmund Freud, veröffentlicht 1921, untersucht Freud die psychischen Mechanismen, die innerhalb von Massenbewegungen wirken. Er zeigt auf, wie sich Individuen in einer Masse verhalten und welche psychologischen Prozesse dabei eine Rolle spielen. Freud bezieht sich stark auf die Arbeiten des Soziologen und Psychologen Gustave Le Bon und erweitert dessen Erkenntnisse durch seine psychoanalytische Perspektive.

Psychische Mechanismen in Massenbewegungen

  • Masse als provisorisches Wesen: Freud beschreibt eine Masse als ein „provisorisches Wesen, das aus heterogenen Elementen besteht, die sich für einen Augenblick miteinander verbunden haben“.
  • Gefühl der Macht: In der Masse erlangt der Einzelne ein Gefühl unendlicher Macht, das es ihm erlaubt, Triebe auszuleben, die er als Individuum hätte zügeln müssen. Dieses Machtgefühl und die damit verbundene Sicherheit führen zu einer Neigung, sich von jedem Affekt innerhalb der Masse anstecken zu lassen und diesen zu verstärken.
  • Schwund der bewussten Persönlichkeit: Innerhalb der Masse nimmt die bewusste Persönlichkeit ab, und das Individuum wird stärker vom Unbewussten geleitet. Die Masse ist impulsiv, wandelbar und reizbar.

Arten von Massen

Freud unterscheidet zwei Arten von Massen:

  • Kurzlebige Massen: Diese sind von vorübergehendem Interesse geprägt, wie revolutionäre Massen.
  • Dauerhafte Massen: Diese sind hochorganisiert und stabil, wie die Kirche oder das Militär. Beide Arten von Massen folgen jedoch den gleichen psychischen Vorgängen.

Libidinöse Bindungen

Freud greift auf seine Ergebnisse der Trieblehre zurück und argumentiert, dass Massen durch libidinöse Bindungen zusammengehalten werden. Bei jedem Individuum wirken in der Masse Liebestriebe, die von ihren ursprünglichen Zielen abgelenkt sind und kein direktes sexuelles Ziel verfolgen.

  • Identifizierung: Ein bindendes Element in der Masse ist die (weitgehend unbewusste) Identifizierung mit den anderen Individuen der Masse, die sich alle in gleicher Weise zum Führer hingezogen fühlen.
  • Idealisierung des Führers: Die narzisstische Libido fließt auf das Objekt über, und man „liebt es wegen der Vollkommenheit, die man fürs eigene Ich angestrebt hat“. Diese Idealisierung verstärkt die Bindung der Individuen an den Führer.
  • Identifikation mit dem Aggressor: Dies kann auch auf dem Weg der Regression erfolgen und verstärkt die Dynamik innerhalb der Masse.

Formel der primären Masse

Freud fasst seine Erkenntnisse in der Formel zusammen: „Eine primäre Masse ist eine Anzahl von Individuen, die ein und dasselbe Objekt an die Stelle ihres Ich-Ideals gesetzt und sich infolgedessen miteinander identifiziert haben.“

Diese Formel verdeutlicht die zentrale Rolle der Identifizierung und der libidinösen Bindungen in der Bildung und Stabilisierung von Massen.

Bedeutung und Einfluss des Werkes

Freuds Massenpsychologie und Ich-Analyse ist ein bedeutendes Werk, das tiefgreifende Einblicke in die Dynamik von Massenbewegungen bietet und die Rolle des Unbewussten und der libidinösen Bindungen in sozialen Phänomenen beleuchtet. Es erweitert die psychoanalytische Theorie und zeigt deren Anwendung auf gesellschaftliche und politische Prozesse. Freuds Analysen und Theorien haben bis heute Einfluss auf die Sozialpsychologie und die Politikwissenschaften und tragen zum Verständnis von Massenverhalten und Führerkulten bei.

Massenpsychologie und Ich-Analyse – Häufige Fragen

Was ist der Hauptinhalt von „Massenpsychologie und Ich-Analyse“?

„Massenpsychologie und Ich-Analyse“ von Sigmund Freud untersucht die psychischen Mechanismen, die innerhalb von Massenbewegungen wirksam sind. Freud beschreibt, wie Individuen in einer Masse ein Gefühl unendlicher Macht erlangen, was ihnen erlaubt, Triebe auszuleben, die sie als Einzelpersonen hätten unterdrücken müssen. Er unterscheidet zwischen kurzlebigen und dauerhaften Massen und betont die Rolle von libidinösen Bindungen und Identifikation in der Masse.

Welche psychischen Mechanismen sind in Massenbewegungen laut Freud wirksam?

Freud stellt dar, dass in Massenbewegungen die bewusste Persönlichkeit der Individuen schwächer wird und sie impulsiv, wandelbar und reizbar werden. Die Masse wird fast ausschließlich vom Unbewussten geleitet. Individuen in der Masse erlangen ein Gefühl unendlicher Macht und Sicherheit, was ihnen erlaubt, Triebe auszuleben, die sie als Einzelpersonen hätten zügeln müssen.

Welche Arten von Massen unterscheidet Freud?

Freud unterscheidet zwischen:

  • Kurzlebigen Massen: Diese sind von einem vorübergehenden Interesse geprägt, wie revolutionäre Massen.
  • Dauerhaften Massen: Diese sind hochorganisiert, wie die Kirche oder das Militär. Trotz ihrer Unterschiede laufen in beiden Arten dieselben psychischen Vorgänge ab.

Wie werden Massen laut Freud zusammengehalten?

Massen werden durch libidinöse Bindungen zusammengehalten. In jeder Masse wirken Liebestriebe, die von ihren ursprünglichen Zielen abgelenkt sind und kein direktes sexuelles Ziel verfolgen, jedoch trotzdem energisch wirken.

Was versteht Freud unter Identifikation in der Masse?

Freud nennt die (weitgehend unbewusste) Identifizierung mit den anderen Individuen der Masse, die sich alle in gleicher Weise zum Führer hingezogen fühlen, als bindendes Element. Das Ich nimmt eine bedeutsame Analogie am Anderen wahr und identifiziert sich mit ihm.

Was ist die Rolle der Idealisierung in Massenbewegungen?

Freud beschreibt, dass die Idealisierung des Führers eine wichtige Rolle spielt. Dabei fließt die narzisstische Libido auf das Objekt über, und man liebt es wegen der Vollkommenheit, die man für das eigene Ich angestrebt hat.

Was ist Freuds Formel zur Erklärung von primären Massen?

Freud formuliert: „Eine primäre Masse ist eine Anzahl von Individuen, die ein und dasselbe Objekt an die Stelle ihres Ich-Ideals gesetzt und sich infolgedessen miteinander identifiziert haben.“

Auf welche Schriften bezieht sich Freud in seinem Essay?

Freud bezieht sich stark auf die Schriften des Soziologen und Psychologen Gustave Le Bon und referiert zu Beginn seines Essays größtenteils dessen Arbeit.

Was ist die Bedeutung von „Massenpsychologie und Ich-Analyse“ im Kontext von Freuds Gesamtwerk?

„Massenpsychologie und Ich-Analyse“ ist ein wichtiger Bestandteil von Freuds Arbeiten, da es seine Theorien der Trieblehre und Strukturtheorie der Psyche auf das Verhalten von Menschen in Massen anwendet. Es zeigt, wie seine Ideen über das Unbewusste und die psychischen Mechanismen in einem kollektiven Kontext funktionieren.

Massenpsychologie und Ich-Analyse – Sigmund Freud

Sigmund Freud (1856-1939) war ein österreichischer Neurologe und der Begründer der Psychoanalyse. Seine umfangreichen Forschungen und Schriften revolutionierten das Verständnis des menschlichen Geistes und die Behandlung psychischer Erkrankungen. Freud entwickelte zentrale Konzepte wie das Unbewusste, die Triebtheorie und die Struktur der Psyche mit den Instanzen Es, Ich und Über-Ich.

Frühes Leben und Ausbildung

  • Geboren am 6. Mai 1856 in Freiberg in Mähren (heute Příbor, Tschechische Republik).
  • Studium der Medizin an der Universität Wien, Abschluss 1881.
  • Arbeitete zunächst als Neurologe und erforschte die klinische Anwendung von Kokain.

Entwicklung der Psychoanalyse

  • Hypnose und Katharsis: Arbeitete mit Josef Breuer an der Behandlung von Hysterie durch Hypnose und entwickelte das Konzept der Katharsis.
  • Traumdeutung: 1900 veröffentlichte Freud Die Traumdeutung, in der er seine Theorie des Unbewussten und die Bedeutung von Träumen darlegte.
  • Freuds Topik: Einführung des bewussten, vorbewussten und unbewussten Teils des Geistes in den frühen 1900er Jahren.

Wichtige Werke und Theorien

  • Die Traumdeutung (1900): Einführung der Theorie, dass Träume die „königliche Straße“ zum Unbewussten sind.
  • Totem und Tabu (1913): Untersuchung der Ursprünge von Religion und Moral im Zusammenhang mit der Entwicklung der menschlichen Zivilisation.
  • Jenseits des Lustprinzips (1920): Einführung der Konzepte des Todestriebs und des Wiederholungszwangs.
  • Das Ich und das Es (1923): Entwicklung der Strukturtheorie der Psyche mit den Instanzen Es, Ich und Über-Ich.
  • Massenpsychologie und Ich-Analyse (1921): Untersuchung der psychischen Mechanismen innerhalb von Massenbewegungen.
  • Hemmung, Symptom und Angst (1926): Analyse der Angst und ihrer Beziehung zu Hemmungen und Symptomen.

Späte Jahre und Vermächtnis

  • Emigration nach England: 1938 emigrierte Freud aufgrund der nationalsozialistischen Bedrohung nach London.
  • Tod: Freud starb am 23. September 1939 in London an den Folgen eines langen Kampfes mit Mundkrebs.
  • Freuds Theorien und Methoden haben tiefgreifende und dauerhafte Auswirkungen auf die Psychologie, Psychiatrie und die Kulturwissenschaften.

Einfluss und Bedeutung

  • Freud revolutionierte das Verständnis des menschlichen Geistes und legte den Grundstein für viele moderne psychotherapeutische Techniken.
  • Seine Arbeiten beeinflussen weiterhin die Bereiche der Literatur, Kunst, Philosophie und Populärkultur.
  • Trotz der Kontroversen und Kritik, die einige seiner Theorien begleiteten, bleibt Freud eine zentrale Figur in der Geschichte der Psychologie und der psychischen Gesundheit.

Massenpsychologie und Ich-Analyse – Buch

Einleitung
Le Bons Schilderung der Massenseele
Andere Würdigungen des kollektiven Seelenlebens
Suggestion und Libido
Zwei künstliche Massen: Kirche und Heer
Weitere Aufgaben und Arbeitsrichtungen
Die Identifizierung
Verliebtheit und Hypnose
Der Herdentrieb
Die Masse und die Urhorde
Eine Stufe im Ich
Nachträge

Sigmund Freud.
Massenpsychologie und Ich-Analyse.
Erstdruck: Internationaler Psychoanalytischer Verlag, Wien 1921.
Durchgesehener Neusatz, diese Ausgabe folgt: Studienausgabe Band IX,
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1974.

Neuausgabe, LIWI Verlag, Göttingen 2020.

EAN: 9783965423121
ISBN: 3965423126
Paperback.

Mai 2020 – 60 Seiten

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Verfasst von Thomas Löding, LIWI Blog, zuletzt aktualisiert am 15. Juni 2024